Hamburg. Bisher keine Trainingserlaubnis für drei Talente. Öffnungen für den Sport könnten bereits am Dienstag beschlossen werden.

Die Olympiaverlegung in den Sommer 2021 zwingt viele Spitzensportler, ihre Pläne zu überarbeiten. Einige sehen in der Verschiebung aber auch eine neue Chance, diejenigen, die lange verletzt waren, vor allem jedoch jene, die in diesem Jahr keine Möglichkeit gehabt hätten, sich für Tokio zu qualifizieren. Zu denen gehört ein junges Trio Hamburger Leichtathleten, deren Leistungsentwicklung vielversprechend ist.

Die beiden 20 Jahre alten HSV-Sprinter Owen Ansah und Lucas Ansah-Peprah, nicht verwandt, und Weitspringer Bennet Vinken (19), ebenfalls HSV, 2019 deutscher U-20-Meister, sind plötzlich Olympiakandidaten – für 2021. „Wenn alles optimal läuft, ihre Entwicklung halbwegs in dem bisherigen Tempo weitergeht, haben Owen und Lucas durchaus eine Chance auf einen Platz in der 4 x 100-Meter-Staffel“, sagt Sebastian Bayer (34), leitender Landestrainer des Hamburger Leichtathletik-Verbandes (HLV).

Ansah bei deutschen Hallenmeisterschaften Dritter über 200 Meter

Ansah wurde bei den deutschen Hallenmeisterschaften im Februar in Leipzig Dritter über 200 Meter, Ansah-Peprah Vierter. Im Vorlauf stellte er mit 21,04 Sekunden einen neuen Hamburger Rekord auf. Seine Bestzeit über 100 Meter: 10,42 Sekunden. „Die sehr positive Entwicklung der beiden nach dem Trainerwechsel zu Sebastian Bayer haben die Wahrscheinlichkeit auf eine Olympiaqualifikation erhöht“, sagt Jörg Möckel, Sprint-Bundestrainer der Männer.

Bei Vinken dagegen sei die Olympianorm 8,25 Meter „eine riesige Herausforderung“, weiß der ehemalige Weltklasse-Weitspringer Bayer, dreimaliger Europameister, Olympiafünfter 2012 und europäischer Hallenrekordler mit 8,71 Meter. Vinkens Bestweite steht bei 7,74 Meter. Zuletzt stagnierten seine Leistungen, nichts Außergewöhnliches in der Karriere junger Sportler.

Lockerung der coronabedingten Maßnahmen im Sport?

Das HSV-Trio, Mitglied des (Förder-)Teams Hamburg, hatte in den vergangenen sieben Wochen allerdings ein anderes Problem: Es konnte nicht mehr planmäßig trainieren. Das ging fast allen Hamburger Athleten ähnlich. Bundesweit fielen die Regelungen für Olympiakandidaten jedoch höchst unterschiedlich aus, die nicht nur von den Leichtathleten erhoffte Chancengleichheit im Kampf um Tokio 2021 wurde Opfer des föderalen Systems.

Und ganz nebenbei: Breitensportler hatten in Hamburg bis heute auch keinen Zugang zu ihren Anlagen, anderswo schon, was inzwischen Unverständnis bis Wut auslöst, wie aus zahlreichen Mails an das Abendblatt hervorgeht. Dem Vernehmen nach bereitet sich die Stadt aber auf eine kurzfristige Lockerung der coronabedingten Maßnahmen im Sport vor. Die könnten, heißt es, sogar schon vor der Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am Mittwoch im Senat beschlossen werden.

Kritik der Stadt am HLV

Zwei Anträge des HLV auf Nutzung der Leichtathletik-Trainingshalle an der Krochmannstraße in Winterhude vom 16. und 26. März hatte das zuständige Landessportamt Hamburg höflich, aber bestimmt abgelehnt. „Damit hatten wir auch kein Problem. Das war zu Beginn der Krise und den damit eingehenden Restriktionen für alle öffentliche Bereiche zu erwarten“, sagt Bayer. Zum Stress zwischen Landessportamt und HLV führte der dritte negative Bescheid vom 18. April. „Dafür fehlte uns jegliches Verständnis“, sagt Bayer, „weil am Dulsberger Olympiastützpunkt wieder trainiert werden konnte, auch in unserer Trainingshalle, eben nur nicht von uns, sondern vom Hockey-Olympiakader.“ Die „Mopo“ skandalisierte den Vorgang unter der Überschrift „Hamburg sperrt seine Leichtathleten aus“.

Dem ist offenbar nicht so, nach Meinung der Stadt hat der HLV seine Hausaufgaben nicht gemacht. „Das Landessportamt, auch der Olympiastützpunkt haben die Verantwortlichen des Hamburger Leichtathletikverbands beraten, was er genau tun muss. Nach Eingang der letzten Mail hat das Landessportamt den HLV aufgefordert, für einen entsprechenden formalen Antrag zu sorgen“, sagte Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD) dem Abendblatt. Der wäre wahrscheinlich in zehn Minuten befürwortet worden. Das bisher letzte Schreiben sei aber bloß eine Schilderung der schwierigen Situation gewesen, bis hin zum Wunsch nach einem Feedback, „nicht mehr“. Spätestens nach der Konsultation mit dem Sportamt hätte der HLV wissen müssen, was jetzt erforderlich sei. Holstein: „Wenn der Verband das dann nicht macht, sich hinterher aber beklagt, wirkt das wenig professionell.“

Nur Olympiakader erhielt bisher eine Trainingserlaubnis

HLV-Präsident Wolfgang Müller-Kallweit widerspricht dieser Darstellung: „Wir haben bisher nur die Absagen des Landessportamtes erhalten, aber weder schriftlich noch mündlich einen Hinweis darauf, wie wir weiter vorgehen sollen.“ Auch der leitende Bundestrainer Uwe Florczak (Hamburg) habe sich für die Interessen des HLV beim Landessportamt verwandt, so Müller-Kallweit, „aber dieses Gespräch verlief auch von der Atmosphäre her sehr unerfreulich“.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

Aussage gegen Aussage also. Für die Version der Stadt spricht, dass neben der Betriebserlaubnis für den Olympiastützpunkt (OSP) auch andere olympische und paralympische Sportarten zuletzt Ausnahmegenehmigungen erhielten. OSP-Leiterin Ingrid Unkelbach hatte sich nach Konsultation mit den Spitzenverbänden dafür eingesetzt, auch mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband habe sie Gespräche geführt, sagte sie dem Abendblatt.

Erstaunte Hockeyspieler

Detaillierte sportartspezifische Anträge sind derzeit erforderlich, weil bisher nicht alle Bundes­kader, aufgeteilt in Olympia-, Perspektiv- und Nachwuchskader auf ihre Anlagen zurückkehren durften. Beim Hockey sind es in Hamburg 15 von 50, beim Rudern sechs von 30 und beim Schwimmen sechs von zwölf, alles jeweils Olympiakader. Die Hamburger Leichtathleten gehören noch nicht zu dieser Kategorie.

Zu hoffen bleibt, dass die nun Anfang dieser Woche erwarteten Lockerungen für den Hamburger Sport auch den Leichtathleten helfen, ihre Halle und die Jahnkampfbahn im Stadtpark wieder nutzen zu dürfen. Um wenigstens zu Hause ihre Muskelaufbauübungen fortsetzen zu können, hatten die drei Talente aus dem Kraftraum ihrer Trainingshalle Hanteln und Gewichte mitgenommen, wie die Hockeyspieler bei ihrem Trainingsbeginn erstaunt feststellten. Für Bundesstützpunktleiter Markus Weise war das kein Problem: „Dann schaffen wir für uns eben neue an.“