Hamburg. Zum Wohl der Tiere wieder der Reitsport nicht gänzlich eingestellt. Harte Einschnitte drohen allerdings im Handel mit den Tieren.

In Zeiten von Corona, in denen viele sich in Unsicherheit wägen und manche irrational wirkenden Träumen nachhängen, tut es gut, mit dem Realismus der Janne Friederike Meyer konfrontiert zu werden. Hamburgs beste Springreiterin fasst ihre Gedanken zur Coronapandemie in Sätze zusammen, die nachhallen. „Es werden auch für uns schwierige Zeiten, weil in einer Weltwirtschaftskrise niemand überlegt, welches Pferd als Nächstes gekauft wird. Aber ich habe die Verpflichtung dem Staat und meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber, meinen Betrieb so gut wie möglich weiterzuführen, und ich sehe es als großes Privileg an, wenigstens die Chance dazu zu haben“, sagt die 39-Jährige.

Am Beispiel Meyers werden die Auswirkungen der Krise auf den Pferdesport anschaulich sichtbar. Seit gut dreieinhalb Jahren betreibt sie mit ihrem Ehemann im Pinneberger Ortsteil Waldenau den Hof Waterkant, auf dem sie nicht nur ihre aktuell 14 Turnierpferde trainiert, sondern auch Tiere züchtet und handelt. Letzterer Geschäftszweig wird in den kommenden Monaten komplett einbrechen. „Für uns ist zum Beispiel Nordamerika ein wichtiger Markt. Es ist nicht absehbar, wann überhaupt wieder Kunden aus dem Ausland kommen werden“, sagt sie.

Dass nicht der gesamte Betrieb eingestellt werden musste, liegt daran, dass die Bundesregierung am Montag vergangener Woche, als die Schließung aller Sportanlagen verfügt wurde, Reitställen eine Sondergenehmigung erteilte, um wenigstens den Trainingsbetrieb für die Pferde aufrechterhalten zu können. Zwar ist jeglicher Reitunterricht für Hobbysportler eingestellt. Aber in den „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten“ des nationalen Dachverbands FN ist festgelegt, dass Turnierpferde täglich mehrere Stunden bewegt werden müssen, um das Tierwohl nicht zu gefährden. Stehen Pferde zu lange, drohen Koliken.

Das neue Coronavirus ist für Pferde nicht gefährlich

Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Fakt, dass eine Übertragung von Sars-CoV-2 vom Menschen auf Nutztiere bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Das Friedrich-Löffler-Institut – Tier-Pendant zum Robert-Koch-Institut – sammelt dazu täglich neue Informationen. „Kontakte zwischen Mensch und Pferd können ohne Beschränkungen stattfinden“, sagt Henrike Lagershausen, leitende Veterinärin der FN. Zwar sind equine Coronaviren seit Jahren bei Pferden bekannt, zum Beispiel als Auslöser von Durchfallerkrankungen. „Sie kommen bei vielen Tieren vor und verursachen verschiedenste Krankheitsbilder. Aber das neue Virus macht Haus- und Nutztiere nach aktuellem Wissensstand nicht krank“, sagt die Tierärztin.

Die grundsätzlich hohen Hygienevorschriften für die menschlichen Mitarbeiter sind allerdings in allen Ställen noch einmal verschärft worden. „Wir haben statt eines Schichtbetriebs die Stallgassen nach Mitarbeitern aufgeteilt, sodass man sich so wenig wie möglich begegnet. Der Abstand von mindestens eineinhalb Metern wird penibel eingehalten, wir arbeiten alle mit speziellen Handschuhen, um uns nicht ständig ins Gesicht zu fassen“, sagt Janne Meyer.

Tierarzt und Hufschmied kommen nur, wenn es nicht anders geht

Nisse Lüneburg, der im Februar mit dem Gesamtsieg auf der Riders Tour den Titel „Reiter des Jahres“ holte und als Gestütsleiter und Chefbereiter auf dem Wedeler Magdalenenhof arbeitet, sagt: „Wir haben den Kontakt zur Außenwelt auf das absolut Nötigste beschränkt.“ Sogar Tierarzt und Hufschmied kommen nur noch, wenn es nicht anders geht. Den Magdalenenhof treffen die Auswirkungen der Pandemie als reinen Turnierreitstall nicht ganz so hart. „Ich habe das Training angepasst. Die Pferde, die in der Halle viele Turniere absolviert haben, machen etwas mehr Pause. Ich nutze die Zeit, die wir nun haben, indem ich mich auf die jüngeren Pferde konzentriere“, sagt der 31-Jährige.

Wann Pferdesport unter Wettkampfbedingungen wieder möglich sein wird, weiß niemand. Nisse Lüneburg rechnet nicht damit, dass er seinen Titel beim Deutschen Springderby verteidigen kann. Die Traditionsveranstaltung in Klein Flottbek ist vom 20. bis 24. Mai geplant – und noch nicht abgesagt. Aber auch Janne Friederike Meyer rechnet mit einer längeren Pause. Sie selbst arbeitet mehr im präventiven Athletik- und Gymnastikbereich anstatt an ihrer Wettkampffitness, hat aber das Reittraining kaum umgestellt, weil die Pferde nicht unter der Krise leiden sollen. „Das letzte Leistungspotenzial rufen wir zwar nicht ab, aber den Istzustand wollen wir aufrechterhalten“, sagt sie.

Sich nicht auf Turnieren für Sponsoren präsentieren und um Preisgelder reiten zu können, ist für alle Pferdesportler ein tiefer Einschnitt. Dennoch will sich Janne Meyer davon nicht unterkriegen lassen. „Die Ausbildung der Pferde können wir weiterführen. Und irgendwann werden wir sie auch wieder verkaufen.“