Hamburg. Der langjährige UHC-Chefcoach bereitet das Nationalteam als neuer Bundestrainer auf die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio vor.

Auf freie Abende und Wochenenden freue er sich am meisten, hatte Kais Al Saadi im Sommer 2018 gesagt, als er im Abendblatt seinen Abschied aus dem Leistungshockey bekanntgab, um seinen Teilzeitjob als Personalchef der N+F Stahlhandelsgesellschaft in eine Vollzeitstelle umzuwandeln. Ein gutes Jahr später muss der langjährige Cheftrainer der Bundesligadamen und -herren des Uhlenhorster HC auf diese Freiheit wieder verzichten. Er tut dies gern, schließlich ist der Grund für seine Rückkehr der spannendste Job, den es im deutschen Hockey gibt.

Al Saadi, der an diesem Mittwoch 43 Jahre alt wird, übernimmt im Deutschen Hockey-Bund (DHB) den Posten des Herren-Bundestrainers von Markus Weise (56), der das Team am Wochenende dank zweier Siege gegen Österreich (5:0, 5:3) erfolgreich durch die Qualifikation für die Sommerspiele 2020 in Tokio geführt hatte. Die Personalie ist in Hockeykreisen zwar seit einigen Wochen bekannt, das Olympiaticket war aber Voraussetzung dafür, dass der Sohn eines Irakers und einer Deutschen seinen offiziell vom 1. Januar 2020 an gültigen Vertrag unterzeichnen würde. „Ich freue mich sehr, dass die Mannschaft den letzten Zweifel beseitigt hat und mir damit die Chance gibt, eine solch ehrenvolle Herausforderung annehmen zu können“, sagt Al Saadi, der an diesem Dienstag aus seinem China-Urlaub zurückkehrt.

Im Fernen Osten hatte er im vergangenen halben Jahr als strategischer Berater für Chinas Damen seine internationalen Hockeykenntnisse vertieft. Diesen Posten gibt er nun ebenso auf wie seine Stelle als Personalchef. „Ich bin meinem Arbeitgeber sehr dankbar dafür, dass der Ausstieg so kurzfristig möglich war. Den Reiz von Olympia konnten zum Glück viele bei N+F nachvollziehen“, sagte der Hamburger, der insgesamt sieben Jahre für den Mittelständler tätig war.

Al Saadi ist die Wunschlösung für Olympia

Warum er im DHB die Wunschlösung für das Projekt Tokio ist – bis dahin läuft zunächst die Zusammenarbeit –, erklärt Sportdirektor Heino Knuf auch mit dem Blickwinkel, aus dem Al Saadi den Sport jüngst beobachtete. „Seine Außenansicht ist sehr hilfreich bei unserem Ansinnen, im Herrenteam neue Strukturen und Strategien anzuwenden“, sagt Knuf, der Al Saadi auch wegen dessen sportlicher Qualifikation schätzt. „Kais hat bewiesen, dass er Talente entdecken und Teams führen kann. Weil er in unserem Next-Coach-Programm war, kennt er die Denk- und Arbeitsweise im Verband bestens. Natürlich ist das Ziel, langfristig mit Kais zusammenzuarbeiten.“

Der frühere Torhüter, der im DHB bis zum Juniorenbereich alle Auswahlkader durchlief, gewann beim UHC mit verschiedenen Jugend- und Erwachsenenteams mehr als 20 deutsche Meistertitel. Als Honorarcoach arbeitete er bei diversen Turnieren für den DHB, 2012 als Co-Trainer von Damen-Nationalcoach Michael Behrmann bei Olympia in London. „Nun die Chance zu haben, die Herren zu den Spielen zu führen, war das Pro-Argument, das alle Gegenargumente weggewischt hat“, sagt er.

Was Al Saadi auszeichnet

Al Saadi gilt als höchst akribischer Fachmann und brillanter Analytiker, der die moderne Arbeitsweise der neuen Trainergeneration mit einer sehr intensiven Art der Personalführung mischt. Sein Hang zum Zynismus verbindet ihn mit Weise, der in die Suche nach seinem Nachfolger involviert war und auch weiter in einer noch nicht festgelegten Funktion beim Team bleiben wird.

„Es bedeutet mir sehr viel, dass ich Markus als Berater jederzeit anrufen kann“, sagt Al Saadi, der sein neues Team erstmals am 24. November zu einem einwöchigen Lehrgang in Mannheim versammelt. „Ich kenne zwar alle Spieler, aber weiß nicht, wie sie als Einheit funktionieren. Deshalb ist dieser Lehrgang sehr wichtig“, sagt der neue Steuermann, der weiß, dass man im DHB von ihm erwartet, alles zu hinterfragen. Immerhin wartet der viermalige Olympiasieger seit der EM 2013 auf einen Titel und hat seit Olympiabronze 2016 bei internationalen Turnieren alle Entscheidungsspiele verloren. „Nur den Trainer auszutauschen und zu glauben, dass dann alles gut wird, das funktioniert nicht. Wir werden alle Fässer aufmachen, die herumstehen“, sagt er.

Auch wenn das Abende und Wochenenden kostet: Kais Al Saadi freut sich auf die kommenden Monate.