Hamburg. Beachvolleyball-Vizeweltmeister sagen wegen Erschöpfung und Krankheit Start beim Weltserienturnier in Gstaad ab

In der Nacht zum Montag reifte ihr Entschluss, am Vormittag sagten sie ihren Start beim hoch dotierten Weltserienturnier in Gstaad (Schweiz) ab, das am Mittwoch beginnt. Statt wie geplant nach Zürich zu fliegen, machen die neuen Beachvolleyball-Vizeweltmeister Julius Thole und Clemens Wickler erst mal Pause. „Als ich ihnen am Sonntagabend bei unserer kleinen Siegesfeier in die Augen schaute, war das abzusehen. Sie wirkten auf mich völlig erschöpft, da war kein Feuer mehr, nur Leere. Das Turnier hat beide körperlich und mental ausgezehrt“, sagte Niclas Hildebrand, der Sportdirektor Beach des Deutschen Volleyballverbandes (DVV).

Zur Erschöpfung kommt bei Thole ein Virusinfekt, den ihr Hamburger Teamarzt Michael Tank diagnostizierte. „Julius ist schon geschwächt ins Finale gegangen“, sagte Tank. Im entscheidenden dritten Satz des WM-Endspiels am Sonntag gegen die Russen Wjatscheslaw Krasilnikow/Oleg Stojanowski, das 1,31 Millionen Zuschauer (Marktanteil 9,8 Prozent) in der ARD sahen, hatte der 22-Jährige beim Stand von 4:4 eine medizinische Auszeit wegen offenbar leichter Kreislaufprobleme genommen.

Nächster Aufschlag in Espinho

Der nächste Aufschlag ist nun erst für den 17. Juli in Espinho geplant. In Portugal begann vor einem Jahr mit Platz drei Thole/Wicklers Aufstieg in die Weltspitze, in der sie jetzt auch numerisch angekommen sind. In der neuen Weltrangliste wird das Duo des Eimsbütteler TV erstmals an Position sieben geführt, im Qualifikations-Ranking für die Sommerspiele 2020 in Tokio schon an fünf. Die besten 15 sind bei Olympia dabei, maximal zwei Teams pro Nation. Die weiteren neun Plätze werden über verschiedene Qualifikationsturniere vergeben, gleich zwei vom 18. bis 22. September in Haiyang. „Olympia bleibt unser großes Ziel“, sagt Wickler (24).

In China sind die ersten 15 Teams der Weltrangliste startberechtigt, allerdings nur eines pro Nation. Dazu kommt eine Wildcard für die Chinesen. Thole/Wickler wären dabei, bei den Frauen die deutschen Meisterinnen Victoria Bieneck/Isabel Schneider (HSV), derzeit als bestes deutsches Frauenduo 20. der Weltrangliste. Entscheidend ist die Platzierung nach dem Turnier in Gstaad am nächsten Montag. Zusätzlich gibt es den europäischen Continental Cup, bei dem im Mai 2020 in Den Haag je ein letzter Olympiastartplatz ausgespielt wird.

Gesundheitlicher Rückschlag

Als Weltmeister hätten Thole/Wickler dem DVV einen Platz für Tokio sichern können, der ihnen zugesprochen worden wäre. Nun müssen sie weiter Punkte sammeln, was ihnen nach dem grandiosen Auftritt am Rothenbaum gelingen sollte. „Wir haben bei der WM vier Topteams besiegt, zum Teil sogar souverän. Das gibt uns mehr Gelassenheit und Selbstbewusstsein. Wir können alle auf der Welt schlagen, davon sind wir jetzt überzeugt“, sagte Thole. Vier Weltmeister und zwei Olympiasieger schalteten beide auf ihrem Weg ins Finale aus, bis sie auch an den nachlassenden Kräften scheiterten. „Das war nicht ausschlaggebend. Beim Stand von 8:8 im dritten Satz fängt Oleg plötzlich an, wie ein Wahnsinniger aufzuschlagen“, wollte Thole, ganz Sportsmann, keine Entschuldigung gelten lassen. Ihm und Partner Wickler unterliefen im WM-Finale insgesamt zehn Aufschlagfehler.

Der gesundheitliche Rückschlag ist Tholes erster in dieser Saison. Im vergangenen Jahr litt der 2,06-Meter-Mann häufiger unter Magen-Darm-Erkrankungen und Rückenschmerzen, zuletzt schien sein Körper (91 Kilo) die Strapazen des Hochleistungssport immer besser zu verkraften. Das sei auch ein Verdienst des speziellen Krafttrainings von Jürgen Wagner, sagt Chefbundestrainer Martin Olejňák, Tholes Rücken sei seitdem wesentlich stabiler und weniger verletzungsanfällig geworden.

Fanclub wird immer größer

Wagner, Cheftrainer des HSV-Duos Margareta Kozuch/Laura Ludwig, gehört seit Anfang des Jahres zum Team Thole/Wickler. Wagners Moerser Geschäftspartner Markus Dieckmann, zweimaliger Europameister, schult in Düsseldorf die Technik, Wickler schätzt ihn als Mentor bereits seit sechs Jahren. Die Hamburger Sportpsychologin Anett Szigeti hat die Entwicklung der beiden Strandjungs entscheidend mit begleitet, die Physiotherapeuten Jochen Dirksmeyer (Paderborn) und Katharina Hubert vom Hamburger Olympiastützpunkt sorgen für das leibliche Wohl, das Mediziner Tank überwacht. Wickler: „Ohne dieses Team wären wir nie Vizeweltmeister geworden.“

Und auch nicht, das betonten die Studenten am Rothenbaum mehrfach, ohne die Zuschauerunterstützung. „Es hat sich ja ein Fanclub gebildet, der immer größer wird“, staunte Thole über die fortwährenden „Thole/Wickler“-Sprechchöre Tausender. Abheben werden die WM-Zweiten deshalb, wenn überhaupt, nur am Netz im Sand – oder per Flugzeug zum nächsten Turnier.