London. Australier rechnet mit Medien und Schiedsrichter ab. Auch Nadal bekommt sein Fett weg – zuvor schoss er ihn bewusst am Netz ab.

Als Nick Kyrgios nach seiner Viersatz-Niederlage in der zweiten Runde gegen Rafael Nadal in arroganter Manier auf dem Podium des Medienraums von Wimbledon Platz nahm, konnten die anwesenden Reporter bereits erahnen, dass diese Pressekonferenz einen denkwürdigen Charakter haben würde. Der australische Skandal-Profi atmete einmal tief durch und wirkte schon vor der ersten Frage genervt. Dann versteckte der 24-Jährige seine Hände auffällig gelangweilt in der Kängurutasche seines schwarzen Sweatshirts und sank auf seinem Stuhl eine Etage tiefer. Man konnte den Eindruck gewinnen, Kyrgios machte es sich gemütlich, bevor er mit dem Schiedsrichter, aber vor allem den Medien abrechnete.

Schon bei der ersten Frage wurde der polarisierende Tennisprofi persönlich. Ob sein nächtlicher Ausflug am Vorabend – Kyrgios wurde um 23 Uhr in einem Pub gesichtet – seine Siegchancen verringert hätten, wurde er gefragt. "Nein. Du schaust viel zu aufgeregt aus, um mir so eine Frage zu stellen. Du musst wirklich ein langweiliges Leben haben", antwortete der Australier in seiner gewohnt unterhaltsamen Art.

Tatsächlich waren ihm negative Auswirkungen seiner fragwürdigen Vorbereitung auf das Match gegen den spanischen Top-Star nicht anzumerken. Beide Spieler lieferten sich das bislang hochklassigste Duell des Turniers, in dem Nadal nach mehr als drei Stunden und zwei gewonnenen Tie-Breaks mit 6:3, 3:6, 7:6 (7:5), 7:6 (7:3) die Oberhand behielt.

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Nadal abgeschossen: Kyrgios verweigert Entschuldigung

Kyrgios sorgte allerdings schon vor der Pressekonferenz für einen Aufreger, als er seinen am Netz stehenden Kontrahenten beim Stand von 4:4 im dritten Satz mit einem Ball auf den Körper fast abgeschossen hätte. Eine normalerweise obligatorische Entschuldigung verweigerte der Bad Boy nach hitzigen Diskussion mit einem Medienvertreter. "Es interessiert mich nicht, warum sollte ich mich entschuldigen? Ich meine, der Typ hat wie viele Grand Slams gewonnen und wie viel Geld auf seinem Konto? Ich denke, er kann einen Ball auf die Brust vertragen. Ich werde mich bestimmt nicht entschuldigen."

Vielmehr gestand Kyrgios ohne mit der Wimper zu zucken, den Ball bewusst auf Nadals Körper geschmettert zu haben. "Ja, ich habe direkt auf ihn gezielt. Ich wollte ihn direkt auf der Brust treffen."

Kyrgios kritisiert den Schiedsrichter scharf

Seinen Ärger bekamen allerdings nicht nur die Reporter, sondern auch der Schiedsrichter ab. Der Grund: Nadal soll zu viel Schutz für seine langen Vorbereitungsphasen auf den Return erhalten haben. "Der Unparteiische war heute grauenhaft, er war wirklich schrecklich. Ich will aufschlagen und starte meine Routine, dann sagt Rafa 'Stop'. Die Regel ist, dass man sich auf das Tempo des Aufschlägers einstellt. Warum muss ich jedes Mal warten, bis er seinen Rhythmus hat?", klagte Kyrgios.

Rafael Nadal feierte seinen Sieg ausgelassen.
Rafael Nadal feierte seinen Sieg ausgelassen. © imago / Xinhua

Dabei verdrehte er die Augen und widmete sich dann wieder den ungeliebten Medien. "Genauso, wie ich es liebe, mit den Medien zu sprechen. Ihr seid so nett zu mir, unglaublich. Ihr seid die Besten, ihr macht keine Propaganda. Natürlich nicht, nur Fakten. Ich liebe das."

Kyrgios erkennt Reporterin aus Pub wieder

Bei all der gegenseitigen Liebe schaffte es ein Journalist, Kyrgios ins Grübeln zu bringen. Auf die Frage, ob er sich in der Lage sehe, eines Tages ein Grand Slam zu gewinnen, überlegte der als trainingsfaul geltende Australier lange für seine Antwort. "Das ist eine schwere Frage, ich weiß es nicht. Ich muss mich in vielen Dingen verbessern, um das Top-Level von Rafa, Roger (Federer; d. R.) und Nole (Djokovic; d.R.) zu erreichen. Das hängt davon ab, wie sehr ich es will. Aber nein, im Moment denke ich nicht, dass ich um den Titel bei einem Grand Slam spielen kann."

Denn gerade sein Wille ist eben nur in ausgewählten Matches wie das am Donnerstag gegen Nadal zu erkennen. Der Spanier, der in der Vergangenheit schon häufiger mit Kyrgios aneinandergeraten war, hatte nach dem Match ein ähnliches Urteil über seinen in der Branche umstrittenen Gegner gefällt. "Wenn er vernünftig spielen will, gehört er zu den besten Spielern der Welt. Er ist ein potenzieller Grand-Slam-Sieger." Es sind faire Worte eines 18-fachen Major-Champions, der zuvor mit Kyrgios' umstrittenen Aufschlägen von unten mürbe gemacht wurde.

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Immerhin fand der Skandalprofi noch während der Pressekonferenz sein Lächeln wieder. Als eine Reporterin das Wort ergriff, erkannte er diese wieder und unterbrach sie kurzzeitig. "Du warst doch vergangene Nacht auch im Pub, oder?", sagte der Australier schelmisch grinsend. Und die Reporterin erwiderte: "Ja, das war ich." Diese Antwort brachte Kyrgios noch mehr zum Lachen – für einen kurzen Augenblick zeigte er seine freundliche Seite.