London. Der Deutsche befindet sich weiterhin in Topform. Im nächsten Match bekommt der Aufschlagriese seinen Wunschgegner.

Jordan Fritz hatte nur Augen für sein grünes Spielzeugauto. Immer wieder versuchten die Erwachsenen um ihn herum, ihn zum Anfeuern zu bewegen. „Sag Let’s go, daddy!“ bat ihn seine Mutter Raquel ein ums andere Mal, doch der Zweijährige wollte nicht. Sein Vater Taylor musste ohne seine Unterstützung auskommen. Das indes war nicht der Grund für die 4:6, 3:6, 7:5, 6:7 (2:7)-Niederlage, die der 21 Jahre alte US-Amerikaner in der zweiten Runde von Wimbledon verkraften musste. Der Grund stand ihm auf der anderen Seite des Netzes gegenüber: Jan-Lennard Struff war am Donnerstag in der Londoner Mittagshitze nicht zu bezwingen.

Dass der 29 Jahre alte Warsteiner die Partie nach 2:15 Stunden Spielzeit mit einem Ass beendete, war symptomatisch. Auf seinen Aufschlag konnte sich der Weltranglisten-33. wieder einmal verlassen. 22 Asse schlug er insgesamt, die Quote der erfolgreichen ersten Aufschläge lag mit 58 Prozent sogar noch etwas höher als gewöhnlich. „Die ersten beiden Sätze habe ich unglaublich gespielt, dann hat er deutlich besser returniert. Ich bin sehr glücklich über den Sieg“, sagte er.

Tatsächlich war für Fritz, der 2016 von der Herrentennis-Organisation ATP als „Star of Tomorrow“ ausgezeichnet worden und in der vergangenen Woche mit dem Sieg beim Vorbereitungsturnier in Eastbourne auf Rang 31 der Welt vorgerückt war, zunächst kein Vorbeikommen an dem 196 Zentimeter langen Deutschen. Struff schlug nicht nur gut auf und setzte mit starkem Serve-and-Volley nach, sondern spielte von der Grundlinie variabel, mit perfekter Länge und riskant flachen Schüssen, bei denen ihm mehrfach die Netzkante assistierte. „Ich finde es sehr wichtig, ans Netzt zu gehen, das ist ein gutes Mittel, um schnelle Punkte zu machen“, sagte er.

Die enorme Entwicklung von Struff

Keine Frage: Der Reifeprozess, den der Daviscupspieler in dieser Saison durchläuft und den er mit dem Achtelfinaleinzug bei den French Open – seinem ersten bei einem Grand-Slam-Turnier – unter Beweis stellen konnte, ist auch in Wimbledon unverkennbar. Nachdem er im vergangenen Jahr zwei Fünfsatzmatches gegen den Argentinier Leonardo Mayer und den Kroaten Ivo Karlovic brauchte, um sein Drittrundendate mit dem Schweizer Grand-Slam-Rekordsieger Roger Federer zu buchen, reichten ihm bislang drei Sätze gegen Radu Albot (Moldawien) und vier gegen Fritz, um sein bestes Ergebnis an der Church Road zu wiederholen.

Beeindruckend war die mentale Stabilität, mit der er den kleinen Leistungsknick im dritten Satz, als er bei 5:5 sein einziges Break mit einem Doppelfehler kassierte, wegsteckte. Im Tiebreak des vierten Durchgangs war es purer Wille, die Entscheidung zu suchen, der das Match zu seinen Gunsten entschied. „Wenn man oft siegt, fühlt sich alles leichter an“, sagte Struff.

Struff hat nun einen Wunschgegner

In der dritten Runde muss er sich nun am Sonnabend gegen den Kasachen Mikhail Kukuschkin (31/Nr. 58 der Welt) beweisen, der ihm mit einem Fünfsatzsieg über den US-Aufschlaggiganten John Isner einen Wunsch erfüllte. „Kukuschkin ist mir als Gegner lieber, weil man gegen ihn zum Spielen kommt“, sagte Struff, der das bislang einzige Duell 2014 bei den US Open gewann. Zugute kommen dürfte ihm der Ruhetag am Freitag, nachdem er mit seinem japanischen Partner Ben McLachlan im Doppel am Mittwoch ausgeschieden war. „Auch wenn ich gern gewonnen hätte, bin ich froh über die Pause, ich brauche sie“, sagte er.

Auf Unterstützung seines Sohnes kann indes auch Jan-Lennard Struff nicht zählen. Seine Partnerin Madeleine ist mit Henri in der Heimat geblieben, eine Reise nach England ist nicht geplant. Anfeuern könnte der Kleine aber sowieso nicht. Henri ist schließlich erst drei Monate alt.