London. An diesem Donnerstag spielt Andy Murray im Doppel in Wimbledon. Dabei schien seine Karriere schon vorbei.

Britische Sportfans haben große Herzen. Platz ist darin nicht nur für Außenseiter, sondern auch für Athleten aus anderen Nationen, die mit ihren Leistungen mitreißen. Das weiß jeder, der die gastfreundliche Atmosphäre bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London miterlebte. Und auch bei den Offenen Englischen Tennismeisterschaften in Wimbledon wird dieser Tage wieder vorgeführt, dass der Brite nicht nur im Schlangestehen vorbildlich ist, sondern auch den Fairplay-Gedanken lebt.

Dennoch gibt es einen, der die Herzen noch ein Stück höher schlagen lässt als jeder andere, und das, obwohl er Schotte ist und sich aus dem Vereinigten Königreich bekanntlich nicht allzu viel macht: Andy Murray. Noch im Januar schien die Karriere des 32-Jährigen nicht mehr zu retten. Unter Tränen und höllischen Schmerzen hatte der dreimalige Grand-Slam-Champion bei den Australian Open verkündet, im Kampf mit seinen chronischen Hüftschmerzen kapitulieren zu müssen. „Es geht nicht mehr darum, noch einmal Tennis spielen zu können, sondern darum, den Alltag erträglich zu gestalten“, sagte er vor seiner geplanten Hüftoperation.

Murray startet im Doppel mit Herbert

An diesem Donnerstag nun feiert der an Position 227 der Einzelweltrangliste abgerutschte Olympiasieger von 2012 eine nicht für möglich gehaltene Rückkehr an den Ort seiner größten Triumphe. Für einen Start im Einzel reichen zwar weder Vorbereitungszeit noch allgemeiner Fitnesszustand aus. Aber nachdem Murray am vorvergangenen Wochenende beim Vorbereitungsturnier im Londoner Queen’s Club an der Seite des Spaniers Feliciano Lopez (37) die Doppelkonkurrenz gewinnen konnte, startet er nun mit dem Franzosen Pierre-Hugues Herbert (28) aussichtsreich in den Wimbledon-Wettbewerb.

Erste Gegner sind Marius Copil (28/Rumänien) und Ugo Humbert (21/Frankreich). Dass er zudem mit US-Ikone Serena Williams (37) für die Mixed-Konkurrenz meldete, in der die beiden zunächst auf French-Open-Doppelsieger Andreas Mies (28/Köln) und dessen Partnerin Alexa Guarachi (28/Chile) treffen, fachte die Murray-Euphorie zusätzlich an. „Es ist großartig, Andy wieder auf dem Platz zu sehen, nachdem er im vergangenen Jahr kurz vor Turnierbeginn absagen musste“, sagte Wimbledon-Hauptgeschäftsführer Richard Lewis. Die Anwesenheit des im Mai offiziell zum Ritter geschlagenen Athleten wertet den Doppelwettbewerb enorm auf.

Herrendoppel wird über fünf Sätze gespielt

Die lieb gewonnenen Traditionen der zum 133. Mal ausgetragenen All England Championships kann allerdings selbst er nicht beeinflussen. Murrays Anregung, man möge darüber nachdenken, das Doppel auch in Wimbledon künftig im „Best of 3“-Format mit zwei Gewinnsätzen auszutragen, um die Belastung zu reduzieren und mehr Top-Einzelspielern die Teilnahme zu ermöglichen, konterte Lewis mit einer Absage. „Wir sind stolz auf das Alleinstellungsmerkmal und werden das nicht verändern.“ Weltweit gibt es kein Turnier, das im Herrendoppel über fünf Sätze gespielt wird, auch die drei anderen Grand-Slam-Events setzen auf das „Best of 3“-Format.

Im Schatten Sir Andys hätte die Doppelkonkurrenz auch aus deutscher Sicht Spannung bieten sollen. Nachdem Mies mit dem Coburger Kevin Krawietz (27) in Paris triumphiert hatte, war das Duo, das bis dahin nur Insidern bekannt gewesen war, durch alle Medien gewandert. „Es fühlt sich immer noch unwirklich an, Grand-Slam-Sieger zu sein, aber uns beflügelt das eher, als dass es uns hemmt, denn wir haben gesehen, dass wir alles schaffen können“, sagte Mies in London. Zu sehen war davon wie zuvor bei den Rasenturnieren in Halle (Westfalen) und Antalya (Türkei) wenig, auch diesmal war in Runde eins nach einem 5:7, 4:6, 5:7 gegen die brasilianisch-indische Kombination Marcelo Demoliner (30)/Divij Sharan (33) Endstation.

Struff und Pütz starteten im Doppel – getrennt

Auch Jan-Lennard Struff und Tim Pütz wollten in London ihre Chancen nutzen, sich als Daviscup-Doppel zu behaupten, allerdings nicht gemeinsam. Der Warsteiner Struff (29) unterlag aber am Mittwoch an der Seite des Japaners Ben McLachlan (27), mit dem er im vergangenen Jahr das Viertelfinale erreicht hatte, gegen die topgesetzten Marcelo Melo (35/Brasilien) und Lukasz Kubot (37/Polen) mit 6:4, 3:6, 5:7, 5:7. Der Frankfurter Pütz muss sich an diesem Donnerstag mit dem Schweden Robert Lindstedt (42) gegen die US-Kombination Denis Kudla (26)/Sam Querrey (31) beweisen.

„Kevin und Andy haben in Paris unglaublich gespielt, aber Tim und ich haben eine makellose Bilanz im Daviscup und werden die Herausforderung annehmen“, sagte Struff mit Blick auf das Daviscup-Finalturnier im November in Madrid. Wie groß sein Herz ist, kann er in Wimbledon immerhin noch im Einzel zeigen, an diesem Donnerstag (12 Uhr MEZ/Sky) in Runde zwei gegen den US-Amerikaner Taylor Fritz (21).