Hamburg. Mehr Frauen aufs Rad: Die Hamburger Fahrerin tritt gegen Nachwuchssorgen und Rennensterben in die Pedale.

Benita Wesselhoeft soll jetzt noch mehr Kilometer abreißen. Mehr Training, mehr Rennen. Das sagt jedenfalls ihr Mann Robert, ihr persönlicher Motivator. Schließlich sind jetzt die deutschen Meisterschaften im Straßenradsport Ende Juni an den Sachsenring vergeben worden. „Das ist eine meiner Lieblingskurse. Deshalb soll ich noch mehr trainieren, um topfit dabei zu sein“, sagt die Hamburgerin, die im Sommer auf der Straße und der Bahn sowie im Winter im Cross auf 15.000 Rennkilometer kommt. „Jetzt vergeht fast kein Wochenende mehr ohne Rennen“, sagt sie. Teilweise steht sie doppelt am Start, sonnabends hier, sonntags dort.

Die mehrfache und amtierende norddeutsche Meisterin fährt zwar mit Elite-Lizenz, allerdings im Amateurstatus. Zu den wenigen deutschen Profifahrerinnen zählt sie nicht. Mit 34 Jahren wird dies wohl auch nicht mehr passieren. Und dennoch hat Wesselhoeft ihren DM-Startplatz sicher. Als Fahrerin und Teamchefin des Bundesligateams IGOS CycleCafe. Die Idee eines eigenen, reinen Frauenteams unter Hamburger Flagge wurde im vergangenen Jahr geboren. Gründer und Namensgeber ist der IT-Dienstleister I.G. Office Systems um Inhaber Ilhan Görgen.

Fehlende Anerkennung

„Oft genug bekommen Frauen nicht die angemessene Anerkennung und Unterstützung, sei es beim Sport oder im Beruf“, heißt es von dem Unternehmen aus Buxtehude und Hamburg, das mit seinem Engagement den Frauenradsport ebenso fördern möchte wie Frauen in IT-Berufen. Vor allem gehe es dabei um Gleichberechtigung. Sponsoren, vor allem Radsportausstatter und -Händler, waren schnell gefunden. Inklusive der Räder schätzt Wesselhoeft den Etatbedarf in der Premierensaison auf 60.000 Euro.

Auf Anhieb gelang es der umtriebigen Frontfrau, die erst mit 24 Jahren vom Hockey aufs Rad wechselte, zwölf Fahrerinnen von ihrem Vorhaben zu überzeugen. Damit stellt das Team IGOS die größte Gruppe im Feld der sieben Bundesligamannschaften. Bei den Männern gehen 25 Teams an den Start. „Ich musste niemanden überreden. Die haben sich regelrecht beworben“, sagt Wesselhoeft. Mit Niccola Hansen (24/Harvestehuder RSV) kommt eine weitere Fahrerin aus Hamburg

„Mehr Potential entwickeln“

Der Rest stammt aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen. Das Spektrum reicht von 18 bis 36 Jahren. Allesamt bringen unterschiedliche Stärken und Erfolge mit, so wie Nationalkaderathletin Lisa Küllmer (25/RSC Cottbus), Madison-Meisterin auf der Bahn.

Die Pedalistinnen fristen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen ein Schattendasein. Im Straßenrennkalender finden sich bei 400 Veranstaltungen in Deutschland knapp 100 Frauenrennen pro Saison. Diese Zahl will Wesselhoeft erhöhen, auch im norddeutschen Raum. „Der Frauenradsport im Allgemeinen und der Nachwuchs im Besonderen muss mehr Potential entwickeln“, klagt sie.

Frauenrennen fehle die Klasse

In Deutschland fehle vielen Frauenrennen die Klasse, „sie sind mir einfach zu langsam“. Auch deshalb müssten sie und ihre Kolleginnen auf Männerrennen ausweichen oder im Ausland antreten. Das Team IGOS soll Nachwuchsfahrerinnen ein Ziel geben. „Langfristig könnten wir ein Juniorinnenteam als Unterbau gründen“, sagt Wesselhoeft.

Die Mutter eines Sohnes (4) plant an diesem Wochenende erneut den Doppelstart: Sonnabend bei den Radrennentagen in der City Nord (siehe Infokasten), Sonntag in der Bundesliga im hessischen Dautphe. Kilometer reißen.