Hamburg/New York. Vor einem Jahr holte der Bayer als Bundestrainer Silber bei Olympia. Ein Erfolg, der ihn in die beste Eishockeyliga der Welt brachte

Marco Sturm hat sich in Schale geworfen, als er das Abendblatt in der Gästekabine des altehrwürdigen Madison Square Gardens im Herzen New Yorks zum Gespräch trifft. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, dunkle Krawatte – so sieht die Dienstkleidung des gebürtigen Dingolfingers bei den Los Angeles Kings in der National Hockey League (NHL), der besten Eishockey der Liga der Welt, aus.

Entspannt lehnt sich der 40-Jährige nach einem 4:3-Sieg bei den New York Rangers auf der wenig bequemen Holzbank zurück und lächelt, als er auf den 25. Februar 2018 angesprochen wird. „Diesen Tag werde ich ganz sicher nie vergessen“, sagt der Mann, der als Bundestrainer mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang für ein Eishockeymärchen gesorgt hatte.

Silbermedaille war historisch

„Natürlich hätten wir damals gerne Gold gegen Russland geholt, aber diese Silbermedaille ist etwas Historisches für Deutschland, ein Ereignis, das man wohl nicht mehr toppen kann“, sagt Sturm, der beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) einen Vertrag bis 2022 hatte. „Auch wenn es schwer geworden wäre, das zu steigern: Ich wollte mit der Nationalmannschaft noch viel bewirken, aber ich wollte auch immer in der NHL einen Fuß in die Tür bekommen. Diese Chance musste ich nutzen. Jetzt lebe ich in Los Angeles meinen Traum“, sagt Sturm.

Der sensationelle Erfolg in Südkorea hatte den Weg in die NHL geebnet. Viele Clubs hatten Sturm auf dem Radar. Deshalb legte er sein Amt als Bundestrainer im November 2018 nieder, um diesen neuen Weg einzuschlagen. Den Zuschlag bekam der Partnerclub der Eisbären Berlin.

Die in dieser Saison kriselnden Los Angeles Kings stellten den Trainerstab komplett neu auf und wollten den Deutschen, der 17 seiner insgesamt 1006 NHL-Spiele in der Saison 2010/11 als Profi für die Kalifornier absolviert hatte, unbedingt als Assistenztrainer dabei haben. Mit der Hälfte der Mannschaft spielte der Stürmer vor acht Jahren noch zusammen. „Für die Jungs war es am Anfang sicher komisch, dass ihr ehemaliger Mitspieler jetzt Ansagen macht, aber mittlerweile ist alles eingespielt. Das sind coole Jungs“, sagt Sturm.

Stressige erste Wochen

Viel Zeit zum Eingewöhnen blieb ihm nicht. In einer Saison, die 82 Hauptrundenspiele umfasst, wird im Zweitagesrhythmus gespielt. Hinzu kommen Reisen quer durchs Land. „Ich wurde ins kalte Wasser geworfen und musste alles schnell kennenlernen. Die Videosoftware, unser Spielsystem, die Spieler. Die ersten Wochen waren sehr stressig. Viel Schlaf gab es nicht“, sagt Sturm, der aus Zeitgründen nur sporadisch Kontakt nach Deutschland hat.

Mittlerweile ist er mit seinem Chef Willie Desjardins (62) bestens eingespielt. Die Aufgabenverteilung ist klar definiert. Eigentlich als Co-Trainer für die Betreuung der Offensive verpflichtet, ist Sturm mittlerweile für die Abwehr der Kings verantwortlich. Zudem ist der Ex-Profi für das Powerplay beim Stanley-Cup-Sieger von 2014 zuständig. „Mein Cheftrainer ist ein Gentleman. Er überträgt mir viel Verantwortung, steht immer für Fragen zur Verfügung. Für mich ist es neu, mich um die Defensive zu kümmern und im zweiten Glied zu stehen. Ich fühle mich aber nicht als Hütchenaufsteller.

Mit Druck hat er keine Probleme

Co-Trainer haben hier einen hohen Stellenwert“, erklärt Sturm, der keinen Hehl daraus macht, dass der Job im zweiten Glied auch Vorteile mit sich bringt. „Es arbeitet sich natürlich entspannter, weil man nicht so im Fokus ist wie der Chef, aber wenn man das Powerplay und die Verteidiger zu verantworten hat, entsteht auch Druck. Aber damit hatte ich nie Probleme“, sagt er.

Entspannung findet der Familienvater in seiner wenigen freien Zeit im Kreise seiner Liebsten. Ehefrau Astrid ist mit Sohn Mason und Tochter Kaydie von Landshut nach Kalifornien gezogen. Trotz der Sportbegeisterung in Los Angeles kann Sturm mit seiner Familie im Schatten der Glamourwelt Hollywood anonym leben. „Ich bin für den Rückhalt meiner Familie unglaublich dankbar. Es ist kein einfacher Schritt, die Kinder an ein neues Umfeld zu gewöhnen und wieder in eine neue Schule zu schicken. Aber es funktioniert toll, wir fühlen uns wohl. Ich habe den Schritt zu keiner Sekunde bereut.“