Lüneburg. Lüneburgs Volleyballtrainer steht mit seiner Mannschaft zum zweiten Mal gegen den VfB Friedrichshafen im Pokalfinale.

Bei der Wahl des Treffpunktes muss Stefan Hübner nicht lange überlegen. „Wir gehen zum Italiener“, sagt er. Neun Jahre lang, von 2000 bis 2010, hat der Cheftrainer der Spielgemeinschaft Volleyball Gellersen (SVG) Lüneburg in der besten Volleyball-Liga der Welt geblockt und dabei Lebensstil und Essgewohnheiten des Landes schätzen gelernt. Er empfiehlt Pizza, „der Teig ist hier besonders dünn, typisch italienisch“, und bestellt Pasta.

Hübner (43) wirkt entspannt. Das deutsche Pokalfinale am Sonntag (13.30 Uhr/sport1.de) in Mannheim gegen Titelverteidiger VfB Friedrichshafen sorgt bei ihm für keine emotionalen Ausschläge. Ohnehin bringt ihn wenig aus der Fassung. Geduld ist eine seiner Tugenden. „Ich habe keine besonderen Erwartungen. Wir sind vorbereitet, taktisch und atmosphärisch. Vor 12.000 Zuschauern spielen wir nicht alle Tage. Ich bin mir aber sicher, dass wir ein gutes Spiel liefern werden. Was dann dabei herauskommt, wird man sehen“, sagt er. Vor vier Jahren, in der ersten Bundesligasaison der Lüneburger, standen beide Clubs in Halle/Westfalen das erste Mal in einem Pokalendspiel gemeinsam am Netz. Damals dauerte die Begegnung gerade 68 Minuten. Hübners Team blieb beim 0:3 in allen drei Sätzen chancenlos.

Lüneburg gewann in Friedrichshafen

Auch diesmal sind die Lüneburger Außenseiter, jedoch nicht mehr chancenlos. Im Halbfinale schalteten sie in der Neugrabener CU-Arena am 13. Dezember den deutschen Meister Berlin Volleys mit 3:2 Sätzen aus, nach einem 0:2-Rückstand. In der Bundesliga gewannen sie vor sechs Wochen mit 3:2 erstmals in Friedrichshafen, und deren Trainer Vital Heynen (49) zollte seinem Kollegen und Freund hinterher Respekt. „Was Stefan aus dieser Mannschaft gemacht hat, verdient höchste Anerkennung“, sagte der Belgier, der als Cheftrainer einst die deutsche Männer-Nationalmannschaft coachte, mir ihr 2014 in Polen WM-Dritter wurde. Hübner, der in Hamburg aufwuchs, beim Eimsbütteler TV das Volleyballspielen lernte, war vier Jahre Heynens kongenialer Assistent.

Inzwischen geht er seinen eigenen Weg. In Lüneburg hat er 2014 mit Manager Andreas Bahlburg und Sportchef Bernd Schlesinger (beide 59) das ideale Umfeld gefunden, um seine Ideen zu verwirklichen. „Wir wollen hier gemeinsam etwas aufbauen, und wir sind auf einem sehr guten Weg“, sagt Hübner. Schlesinger und er hatten im vergangenen Herbst ihre Verträge bis 2023 verlängert. Seitdem feststeht, dass in Lüneburg eine neue Halle für bis zu 3500 Zuschauer gebaut und die bisherige zu kleine und zu flache Heimspielstätte in Reppenstedt (800 Besucher) wohl schon im Frühjahr 2020 ablösen wird, blickt Hübner noch optimistischer in die Zukunft.

Fast jedes Jahr den Kader ausgetauscht

Bisher musste er fast jedes Jahr den kompletten Kader austauschen, weil seine Spieler nach guten Leistungen nicht mehr zu bezahlen waren, anderswo weit mehr verdienen konnten. Mit einem Etat von knapp 700.000 Euro gehören die Lüneburger weiter zum unteren Viertel der Bundesliga. Pokalgegner Friedrichshafen, der deutsche Rekordmeister, plant mit dem Dreifachen. Sportlich gehören sie in dieser Saison erneut zum oberen Drittel, sind momentan Dritter.

„Wenn ich darüber jammern würde, dass wir Jahr für Jahr ein neues Team zusammenstellen müssen, wäre ich am falschen Ort“, sagt Hübner. Den hätte er mit Ehefrau Angelina Grün, ebenfalls eine ehemalige Weltklasse-Volleyballerin, und den zwei Kindern längst verlassen können, auch aus Friedrichshafen lag ihm eine Anfrage vor, in Lüneburg sieht er sich aber erst am Anfang seiner Aufgabe. „Es macht mir Riesenspaß, eine Mannschaft zu entwickeln. Das kann ich hier.“ Spätestens in dieser Saison hat Hübner dies eindrucksvoll bewiesen – und damit auch Erwartungshaltungen im Umfeld geweckt, von denen er sich in Lüneburg bisher frei fühlte.

Bei jedem Training läuft in der Halle laute Musik

Erstmals blieb im vergangenen Sommer fast die gesamte Mannschaft zusammen, – nur Zuspieler Adam Kocian wechselte zum Ligakonkurrenten Frankfurt, der Kanadier Adam Schriemer (23) ersetzte ihn –, sportlich indes ist es eine ganz andere, in allen Elementen eine weit bessere. Mehr Konstanz, größere Durchschlags- und Sprungkraft, Nervenstärke in kritischen Situationen zeichnet sie in dieser Saison aus. „Wir sind nur schwer zu schlagen. Wir haben eine Gruppe aufgebaut, die funktioniert, harmoniert, die lernen will, die Freude daran hat“, sagt Hübner.

Und in der Truppe ist Musik drin. Hübner lässt bei jedem Training in Reppenstedt die Regler aufziehen, der kanadische Außenangreifer Ray Szeto stellt das Programm abwechslungsreich zusammen. „Immer nur Rap sollte es möglichst nicht sein“, sagt der Trainer, der sich viel von der Maßnahme verspricht: mehr Dynamik bei den Übungseinheiten, gute Stimmung im Team, bessere Kommunikation im Spiel. „Bei den Spielen ist es oft unfassbar laut in den Hallen, du verstehst dein eigenes Wort kaum. Darauf sind wir vorbereitet.“

In der Kabine herrscht dagegen Stille. „Würden wir auch hier Reize setzen, drohten die Spieler, die ohnehin voll Adre­nalin sind, zu überpowern“, sagt Hübner. Bisher hat er stets das richtige Niveau an Anspannung und die passenden Worte in der Ansprache gefunden. Am Sonntag wird er seinen Spielern sagen: „Geht raus und genießt es!“