Hamburg. Der Hamburger Beachvolleyball-Star spricht über das neue Leben mit ihrem Sohn Teo und die Zukunftspläne als Sportlerin.

Ihr Leben ist ein anderes seit dem 28. Juni. Der Tag, an dem Laura Ludwig ihren Sohn Teo Johnston zur Welt brachte, hat der Beachvolleyball-Olympiasiegerin vom HSV und ihrem Ehemann, Chefbundestrainer Imornefe Bowes (42), neue Horizonte eröffnet. Im Abendblatt-Gespräch zieht die 32-Jährige eine persönliche Bilanz dieses ganz besonderen Jahres 2018.

Frau Ludwig, vor einigen Wochen sorgten Sie mit einem Foto für Aufsehen, das Sie fünf Monate nach der Geburt Ihres Sohnes mit stattlichem Sixpack zeigte. Seitdem fragen sich viele: Wie geht das ohne Photoshop?

Laura Ludwig: Ich habe mitbekommen, dass darüber geredet wurde. Mein Körper hat sich einfach schnell an das erinnert, was ich in den fünf Jahren vor der Geburt an harter Arbeit in ihn hineingesteckt habe. Man darf normale Körper niemals mit denen von Leistungssportlern vergleichen. Außerdem ist es mein Job, anders als bei den vielen Müttern, die nicht die Zeit haben, zweimal am Tag mehrere Stunden zu trainieren. Ich muss aber auch gestehen, dass noch nicht wieder alles so wie vor der Schwangerschaft ist, auch wenn es so aussieht.

Nicht nur den Bauch trainiert

Wie wichtig ist Ihnen die Optik? Ist so ein Foto auch eine Art Selbstmotivation, um zu zeigen: Ich bin zurück?

Ich habe natürlich nicht nur den Bauch trainiert, sondern den ganzen Körper. Letztlich geht es darum, dass man sich wohlfühlen muss im eigenen Körper. Wenn ich kein Sixpack hätte und dennoch das Gefühl, dass alles passt, wäre das auch okay. Aber natürlich spielt die Optik eine wichtige Rolle für die Motivation.

Was waren die gravierendsten physischen Auswirkungen, unter denen Sie am meisten litten oder noch leiden?

Besonders krass ist, dass ich nach zwei Monaten, die ich wieder im intensiven Training bin, noch immer nicht meine körperliche Mitte wiedergefunden habe. Dynamik, Athletik, Beinarbeit, all das kommt nach und nach zurück. Aber mein Zentrum funktioniert noch nicht, und das frustriert mich manchmal. Aber dann sage ich mir wieder: Chill mal, du hast erst vor sechs Monaten entbunden!

Das Wort Geduld

Geduld war noch nie Ihre Stärke. Wie haben Sie die erzwungene Auszeit erlebt und verkraftet?

Das Wort Geduld hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich durch mein Leben gezogen. Ich musste sie schon vor der Schwangerschaft erlernen, in den Phasen, wenn Verletzungen mich oder meine Partnerin Kira Walkenhorst ausgebremst haben. Aber durch Teo habe ich eine ganz andere Art von Geduld kennengelernt. Ich wollte mir bewusst Zeit nehmen, um diese Phase des Lebens zu genießen. Trotzdem fällt es mir nicht immer leicht, mich zu bremsen. Zum Glück gibt es Menschen um mich herum, die mir dabei helfen, die meinen Blick darauf lenken, wie weit ich schon bin, aber auch, dass ich mich schonen und mir Pausen gönnen muss.

Viele denken, dass Leistungssportler privilegiert genug sind, um sich eine Rundumbetreuung für ihre Kinder zu leisten, damit die Karriere nicht leidet. Ist es so?

Wir haben das große Glück, dass wir in der Familie und im Freundeskreis bestmögliche Unterstützung erhalten. Die Mütter zweier Freundinnen von mir teilen sich die Betreuung von Teo von montags bis freitags auf. An den Wochenenden kommen meine Eltern aus Berlin, alle zwei Monate kommt Morphs Mutter aus Schottland für zwei Wochen. So ist der Kreis derjenigen, die Teo betreuen, auf fünf Personen begrenzt. Das war uns wichtig, damit er nicht zu viele verschiedene Eindrücke verkraften muss und zu allen eine Bindung aufbauen kann.

Immer mit Betreuungsperson

Noch sind Sie nicht im Wettkampf. Wie wird es sein, wenn Ihr Mann und Sie wieder reisen müssen?

Wir planen zunächst, Teo mitzunehmen und immer eine Betreuungsperson für ihn dabeizuhaben. Wenn es uns oder ihm zu viel wird, bleibt er aber auch mal bei meinen Eltern.

Fiel oder fällt es Ihnen schwer, Ihr Kind zu einem so frühen Zeitpunkt in andere Hände zu geben?

Anfangs hatte ich durchaus damit zu kämpfen. Ich habe mich oft gefragt, ob es gut für ihn ist und ob ich genug Zeit für ihn habe. Aber wir haben seine Entwicklung beobachtet und haben das Gefühl, dass es ihm gut geht. Er freut sich immer, uns zu sehen, aber er fühlt sich auch wohl, wenn er bei den anderen ist. Noch ist er zum Glück nicht in der Fremdelphase. Davor habe ich schon ein wenig Angst, denn da wird mein Mutterherz bluten.

Tut es das nicht bei jedem Abschied?

Doch, aber wenn ich weiß, dass es ihm gut geht, ist es einfacher. Und beim Training kann ich zum Glück gut abschalten, das ist eine Phase, in der ich etwas für mich tue, in der der Kopf auch mal zur Ruhe kommt.

Anders dürfte es nachts sein. Fehlende Regeneration durch zu wenig Schlaf kann leistungshemmend sein. Wie gehen Sie damit um?

Das ist eine Belastung, die ich spüre. Dennoch bin ich überrascht, welche Kräfte man als Mutter entwickelt. Dass ich trotz weniger Schlaf im Training oft gute Qualität abliefere, wundert mich. Aber ich muss auch sagen, dass Teo ein guter Schläfer ist, er schläft mehr oder weniger durch. Und ich mache mit unserer Sportpsychologin Anett Szigeti viel autogenes Training, um Entspannung zu finden und Energie zu tanken.

"Echt Wahnsinn"

Denken Sie oft an Ihre Gold-Partnerin Kira Walkenhorst, die das, was Sie mit Teo erleben, gerade zusammen mit ihrer Partnerin Maria Kleefisch mit Drillingen durchmacht?

Natürlich, das ist echt Wahnsinn. Ich war vor Kurzem mal bei ihr zu Besuch und war total beeindruckt, wie entspannt es bei ihr und ihrer Partnerin zugeht. Die beiden haben sich super auf diese Herausforderung vorbereitet. Ich wäre chaotischer und panischer, deshalb habe ich einen tierischen Respekt vor Kira und Maria.

Es gibt eine Reihe an Sportlerinnen, die als Mütter zurück in die Weltspitze gekommen sind. Haben Sie mit einigen davon Erfahrungen ausgetauscht?

In der Schwangerschaft ja, da fand ich es sehr interessant, von anderen Tipps zu bekommen, um sicherer zu werden. Nach der Geburt habe ich eher das gemacht, was ich für gut und richtig hielt. Aber als ich bei der Leichtathletik-EM im August in Berlin sah, wie Christina Schwanitz Silber im Kugelstoßen gewann, und dann hörte, dass sie Zwillingsmutter ist, hatte ich den Drang, sie anzurufen. Es war ein kurzes, aber sehr interessantes Gespräch. Mich hat fasziniert, wie lässig sie damit umgeht. Das hat mir viel Druck genommen.

Sie hatten vor der Geburt schon Ihre Rückkehr in den Beruf geplant, wie es viele werdende Eltern tun. Dann holt einen die Realität ein, und alles kann anders sein. Gab es bei Ihnen Momente, in denen Sie dachten: Warum tue ich mir das an? Warum bleibe ich nicht länger bei meinem Kind?

In den ersten zehn Wochen war es wirklich nicht einfach, die Emotionen zu verarbeiten, die mit einer Geburt verbunden sind, gerade wenn man so etwas zum ersten Mal erlebt. Natürlich hatte ich viele Geschichten gehört, aber nun weiß ich, dass man diese Gefühle nicht beschreiben kann, sondern erleben muss. Dass so ein kleiner Wurm ein 24/7-Job ist, hat mich anfangs echt fertig gemacht. Und auch jetzt ist da immer dieser Geruch von Verantwortung in der Wohnung.

Der Sie belastet oder beflügelt?

Mittlerweile beflügelt er mich eher. Aber in den ersten zehn Wochen gab es durchaus Phasen, in denen ich mich fragte: Was hast du dir da bloß vorgenommen? Und warum hast du den Mund so weit aufgerissen, als es ums Comeback ging? Aber nach drei Monaten hatten wir einen guten Rhythmus gefunden und ich habe Teos Bedürfnisse verstehen gelernt. Das war der Moment, in dem die Hummeln im Hintern zurückkamen.

"Es ist mein Job"

Grundsätzlich zwingt Sie ja niemand zur Rückkehr. Warum wollten Sie sie dennoch so schnell wie möglich?

Wenn ich anderen beim Trainieren oder Spielen zugesehen habe, konnte ich immer das Verlangen spüren, selbst wieder zu spielen. Mich haben tatsächlich viele gefragt, warum ich weitermachen will, ich hätte doch schon alles gewonnen. Diese Frage habe ich nie verstanden. Es ist mein Job, ich liebe das, was ich da tue. Warum also sollte ich nicht zurückkehren, so lange das noch so ist?

Haben Sie das Gefühl, etwas beweisen zu müssen? Dass Sie stark genug sind, auch nach einer Schwangerschaft noch zur Weltspitze zu zählen?

Ich will schon beweisen, dass ich es noch kann. Das ist ein hoher Eigenantrieb. Ich möchte niemanden enttäuschen, der mich unterstützt. Und ich möchte auch, dass mein Sohn stolz auf mich sein kann.

Spielt es auch eine Rolle, dass Sie sich wünschen, dass Ihr Sohn Sie bewusst spielen sieht?

Das ist schon ein sehr schöner Gedanke, dass der Kleine irgendwann am Rand steht und mich anfeuert. Ich fand diese Bilder von anderen Sportlerinnen und Sportlern, die ihre Kinder mit auf den Platz bringen, schon immer süß. Das ist ein sehr romantisches Bild in meinem Kopf, auch wenn ich mir das noch gar nicht vorstellen kann. Aber es ist ein Ansporn, dass Teo erleben kann, was seine Mama ihr Leben lang gemacht hat. Das will ich ihm gern mit auf den Weg geben: Dass jeder Mensch eine Leidenschaft braucht, die ihn glücklich macht.

Das Beachvolleyball-Gen haben Ihr Mann und Sie Teo sicherlich vererbt. Was wäre, wenn er später tatsächlich Leistungssportler werden möchte?

Er hat bestimmt einiges in die Wiege gelegt bekommen. Aber wir werden ihm niemals irgendetwas auferlegen. Er soll das finden, was ihn glücklich macht. Vielleicht gefällt ihm leistungsorientierter Sport auch gar nicht, weil ihn unser Beispiel abschreckt. Dann wird er lieber Musiker, und das ist auch gut.

Und wann bekommt Teo ein Geschwisterchen?

Meine sportliche Planung geht bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio, danach entscheiden wir nach Gefühl. Bis dahin wird es definitiv keinen geplanten Nachwuchs geben. Wir wünschen uns aber beide auf jeden Fall noch Familienzuwachs.

Was, glauben Sie, wird Teos Geburt an Ihrer Einstellung zum Sport ändern?

Ich denke, dass ich Niederlagen oder Rückschläge gelassener werde sehen können, weil ich spüre, dass das Wichtigste einfach dieser kleine Wurm ist. Dennoch werde ich nie locker lassen, denn ich weiß: Wenn ich meinen Job gut mache, werden wir ihm ein gutes Leben ermöglichen können.

Und was hat seine Geburt in Ihrem Leben jetzt schon verändert?

Vor der Schwangerschaft habe ich für mich gelebt, bin gern essen gegangen und gereist. Jetzt habe ich deutlich weniger Zeit für mich und lebe mehr für meinen Sohn, nutze aber meine Zeit deutlich bewusster, weil ich sie nicht mehr verschwende und dadurch viel mehr schaffe. Mein Leben hat jetzt mehr Sinn.