Hamburg. Der kampfstarke Berliner Torjäger Jonas Diesing ist beim Harvestehuder THC der neue Mann für das Ungewöhnliche.

Manchmal braucht es einen etwas längeren Anlauf zum Glück. Fast fünf Jahre ist es her, dass in Christoph Bechmann ein Gedanke reifte. Diesen langen Schlaks, der sich fast hinter dem Torpfosten verstecken konnte, aber im Schusskreis das Ungewöhnliche zur Regel werden ließ, wollte der Cheftrainer der Hockeyherren des Harvestehuder THC unbedingt nach Hamburg locken! Im Februar 2014 war das, Jonas Diesing hatte gerade sechs Tore geschossen und damit entscheidend dazu beigetragen, dass der Berliner HC dem HTHC im Viertelfinale um die deutsche Hallenmeisterschaft eine schmerzhafte 9:13-Pleite zufügen konnte.

„Damals habe ich gesehen, dass er ein exzellenter Hallenspieler ist. Dass wir ihn nun endlich überzeugen konnten, für uns zu spielen, ist ein großer Gewinn“, sagt Bechmann. Ein Blick auf die Torjägerliste der Bundesliga-Nordstaffel unterstreicht diese Aussage auch faktisch. Mit elf Toren aus fünf Spielen ist Diesing hinter Standardspezialist Michael Körper (18) zweitbester Schütze der Schwarz-Gelben. An diesem Mittwoch (20.30 Uhr, Barmbeker Straße) möchte der 25-Jährige sein Torkonto im Duell mit Verfolger Uhlenhorster HC aufbessern. Ein Sieg würde den Tabellenzweiten auf vier Zähler Vorsprung auf den UHC enteilen lassen.

Sein Torabschluss ist schwer zu verteidigen

Warum er Bechmanns Werben erst jetzt nachgegeben hat, muss der Torjäger, der als Dreijähriger in Steglitz mit dem Hockey begann und seit dem B-Knabenalter beim BHC spielte, nicht nur auf seine Heimatverbundenheit schieben. „Ich studiere Industriedesign, das gibt es in Hamburg nicht“, sagt er. Nun jedoch, da das Bachelorstudium fast beendet ist, ergab sich die Chance zum Wechsel, weil Jonas Diesing nach einem achtmonatigen Praktikum bei einer Möbeldesignfirma in Kopenhagen für diese Kunden in Hamburg betreuen darf. Seinen Nebenjob für die Berliner Firma „Sblocs Bikes“, die Lastenfahrräder betreibt, kann er im Homeoffice erledigen. „Deshalb hat es jetzt gepasst.“

Das Gleiche ließe sich, sagt der Basketballfan (Lieblingsteam: Boston Celtics), über sein neues Umfeld sagen. „Ich bin unglaublich gut aufgenommen worden. Die Qualität in der Nordliga ist deutlich höher als im Osten. Hier gibt es vier Teams auf Augenhöhe, jedes Duell ist hochintensiv. Das ist eine neue Erfahrung, an die ich mich erst gewöhnen musste“, sagt er. Ebenso gewöhnungsbedürftig ist sein Spielstil für die Gegner. Seine für Hockeyspieler überdurchschnittliche Körperlänge von 1,86 Metern weiß er unkonventionell einzusetzen, sein Torabschluss ist schwer zu verteidigen. Entscheidend aber sei etwas anderes. „Ich habe einen wahnsinnigen Kampfgeist, werfe mich in jedes Spiel voll rein. Deshalb ist der HTHC auch das perfekte Team für mich“, sagt er. Bechmanns Auswahl habe er als Gegner stets als „extrem giftig und sehr unangenehm zu spielen“ wahrgenommen. „Nun Teil dessen zu sein, das ist wirklich sehr spannend!“

Komische Situation

Ginge es nach ihm, dann würde in Deutschland das ganze Jahr über Hallenhockey gespielt. Warum er als ausgewiesener Spezialist noch keine A-Länderspiele unterm Dach bestritten hat, erklärt er mit fast schon norddeutschem Understatement: „Die Qualität unserer Nationalspieler ist so hoch, dass es vermessen wäre, daran zu denken“, sagt er, „ein Traum bleibt es aber, vielleicht bin ich ja ein Spätstarter.“ Zunächst jedoch zählt nur die Bundesliga. Da die beiden Nordbesten im Viertelfinale auf die Westclubs treffen, wäre ein Duell mit dem BHC, der ihn zur Feld-Rückrunde Ende März zurückerwartet, erst bei der Endrunde in Mülheim (26./27. Januar) möglich. Das, gibt Jonas Diesing zu, „wäre eine komische Situation für mich“. Mit etwas Anlauf würde er aber auch dafür eine Lösung finden.