Sao Paulo. Die Wege von Red Bull Racing und Motorenhersteller Renault trennen sich bald. Mit Honda-Motoren strebt RB in Zukunft nach dem Titel.

Der 20. Lauf zur Formel-1-Weltmeisterschaft wird zum vorletzten Auftritt einer völlig zerrütteten Ehe. Daran, dass Red Bull Racing und sein Motorenhersteller Renault sich nichts mehr zu sagen haben, jedenfalls nichts Gutes, ändert auch der jüngste Sieg in Mexiko nichts. Kommende Saison wähnen sich die Renn-Bullen stark genug, aus dem Duell zwischen Mercedes und Ferrari einen echten Dreikampf zu machen, mit der Motoren- und Finanz-Power von Honda. In der Vorschau auf den Großen Preis von Brasilien morgen revanchierten sich die französischen Strategen auf ungewohnte Art. Sie rechneten die Einwohnerzahl der beiden Rennorte Mexiko City und Sao Paulo auf etwa 20 Millionen hoch, das entspräche in etwa der Anzahl der Beschwerden des Red-Bull-Lieblings Max Verstappen in dieser Saison.

Horner beklagt sich über Renault

Der Sieg des Niederländers am letzten Formel-1-Wochenende war der vierte in dieser Saison für die britische Mannschaft unter österreichischer Flagge. Der Erfolg war vor allem der Höhe der Rennstrecke geschuldet, die großen Gegner mussten ihre Motoren aus Vorsichtsgründen herunterfahren, somit fiel der Leistungsnachteil der Renault-Aggregate nicht ins Gewicht. Es kam mehr auf die Aerodynamik an, und darin ist Red Bull immer noch Spitzenklasse. Der Australier Daniel Ricciardo holte die Pole-Position, nur ein neuerliches Zuverlässigkeitsproblem verhinderte einen Doppelerfolg. Damit wäre auch schon benannt, wo der Bremsklotz bei dem ehrgeizigen Konzernrennstall liegt: Teamchef Christian Horner beklagt sich öffentlich darüber, vom französischen Motorenhersteller nur als zahlender Kunde betrachtet zu werden, erst recht, seit Renault ein eigenes Werksteam am Start hat, zu dem im kommenden Jahr übrigens Ricciardo wechselt.

Auf der Berg- und Talbahn von Interlagos wird der Nachteil an der PS-Obergrenze wieder zu spüren sein, unter normalen Umständen ordnet sich Red Bull dann auf den Plätzen fünf und sechs ein. Doch damit soll im neuen Rennjahr Schluss sein. Das Team beendet die völlig zerrüttete Ehe mit den Franzosen, und geht eine Beziehung mit Honda ein. Das lässt sich als Zweckehe zweier Verzweifelter Partner werten, es kann aber auch den Durchbruch bedeuten. Nach der Rückkehr vor vier Jahren in die Formel 1 haben die Japaner sich vergeblich bemüht, mit McLaren an erfolgreiche Zeiten aus dem letzten Jahrtausend anzuknüpfen, die Hybrid-Technik ist für ein schnelles Comeback einfach zu komplex. Red Bull aber, ohne jegliche Aussicht auf konkurrenzfähige Leihmotoren von Mercedes oder Ferrari, ging das gewagte Bündnis ein. Bereits in dieser Saison übte das konzerneigene Juniorteam von Toro Rosso mit Honda-Antriebssträngen. Die Leistung stimmt, die Zuverlässigkeit noch nicht. „Ich erwarte, dass Red Bull mit diesem Motor siegen wird“, glaubt Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost. Er schickt auch gleich sein Talent Pierre Gasly mit aufs Mutterschiff. Trotz der zahlreichen Motorenwechsel ist sich auch Stratege Horner sicher, die richtige Wahl für den Weg zurück an die Spitze gewählt zu haben: „Von Monat zu Monat werden sie stärker.“ Vor allem aber: Man fühle sich ebenbürtig in der neuen Partnerschaft. Angesichts der kompromisslosen Erfolgsorientierung und der langen Durststrecke gilt das nur für den schnellen Erfolgsfall. Sonst könnte der rasende Getränkehandel Ende 2020 aus der Königsklasse aussteigen.

Honda mobilisiert viel Personal und Geld, auch am Beitrag von Red Bull soll es nicht scheitern. Der als Design-Genie verehrte Rennwagenkonstrukteur Adrian Newey kann aus dem Vollen schöpfen, der Etat für den Formel-1-Rennstall wuchs schon im Vorjahr auf 300 Millionen Franken an. Die Steigerung von 17,4 Prozent entspricht exakt jenen Mehrausgaben, die auch Branchenprimus Mercedes notierte. Das Investment spricht eine klare Sprache: Red Bull Racing will den fünften Titelgewinn in seiner erst 14-jährigen Geschichte. Helmut Marko, der mächtige Berater aus Österreich frohlockt bereits: „Die aerodynamischen Werte, die wir von den neuen Flügeln schon haben, stimmen uns sehr optimistisch. Beim Motor erwarten wir, dass Honda nur 10 Kilowatt hinter Ferrari und Mercedes liegt. Wir trauen uns zu, dass wir das mit dem guten Chassis ausgleichen können.“

Verstappen könnte Vettel ablösen

Sicher für einen echten Schlagabtausch gesetzt scheint Ausnahmetalent Max Verstappen, der mit 21 immer noch jüngster Weltmeister der Formel-1-Historie werden kann, er würde dann Sebastian Vettel ablösen, der ebenfalls ein Zögling der hauseigenen Rennfahrerschule war. Christian Horner glaubt: „Er ist absolut reif dafür, mit Lewis Hamilton oder Sebastian Vettel um den WM-Titel zu kämpfen, denn er besitzt ein richtig gutes Rennfahrer-Gehirn.“

Der Niederländer ist zwar nicht unbedingt erwachsener in seinem berüchtigt-kompromisslosen Fahrstil geworden, aber er hat nach vielen Anfeindungen zu sich gefunden. Manche vergleichen das sogar mit dem Wandel, den Weltmeister Lewis Hamilton vor einigen Jahren durchgemacht hat. „Der Unterschied ist, dass ich nur noch auf mich selbst höre“, referierte er nach seinem hervorragend herausgefahrenen Sieg in Mexiko, „ich will nicht mehr alles erzwingen, ich habe mich vielleicht sogar etwas zurückgenommen, das hat mich schneller gemacht. Ich mache mein eigenes Ding.“ Überhaupt kein Zweifel, dass es ein großes sein soll.