Hamburg. Neuer Coach arbeitet weiter mit Titz-Vertrauten zusammen. Hannes Wolf lernte von Jürgen Klopp und formte schon einen Weltmeister.

Um 17.04 Uhr betrat Hannes Wolf am Dienstag mit einem freundlichen Lächeln den Medienraum im ersten Stock des Volksparkstadions. Gut gelaunt und gut gebräunt nahm der 37-Jährige auf dem Podium Platz und wurde von Clubchef Bernd Hoffmann, Sportvorstand Ralf Becker und den Journalisten willkommen geheißen. „Das klingt ja fast wie eine Drohung hier“, sagte Wolf und grinste. Der neue Chef­trainer des HSV weiß, auf welche Aufgabe er sich eingelassen hat, als er am Montagabend während seines Urlaubs einen Anruf von Sportchef Becker erhalten hatte. Ob ihn die Aufgabe nicht möglicherweise abschrecken würde angesichts der Bilanz von mittlerweile 19 Trainern beim HSV innerhalb eines Jahrzehnts, wurde Wolf gefragt. „Nö“, sagte Wolf und lächelte erneut. „Das Feuer ist zu hundert Prozent da.“

Die neue sportliche Führung des Hamburger SV: Sportvorstand Ralf Becker (l.) und Cheftrainer Hannes Wolf. Sie haben nur ein Ziel: Die sofortige Rückkehr in die Bundesliga.
Die neue sportliche Führung des Hamburger SV: Sportvorstand Ralf Becker (l.) und Cheftrainer Hannes Wolf. Sie haben nur ein Ziel: Die sofortige Rückkehr in die Bundesliga. © WITTERS | ValeriaWitters

Am Dienstagmittag hatte der HSV die Trennung von Cheftrainer Christian Titz vermeldet und gleich auch den Nachfolger Hannes Wolf bekannt gegeben. Der ehemalige Trainer des VfB Stuttgart unterschrieb einen Vertrag bis Mitte 2020. Der HSV reagierte damit auf die erneute Enttäuschung am Sonntag im Volksparkstadion, als die Mannschaft beim 0:0 gegen den VfL Bochum zum dritten Mal in Folge im eigenen Stadion ohne Torerfolg blieb und in der Tabelle vom dritten auf den fünften Platz rutschte – hinter den FC St. Pauli.

Die Erklärung kam am späten Nachmittag

Sportvorstand Becker erklärte seine Entscheidung am späten Nachmittag wie folgt: „Als ich am Sonntag das Stadion verlassen habe, war ich mir nicht sicher, dass wir heute hier zusammensitzen“, skizierte Becker seine Gedanken. Dann habe er sich die Partie gegen Bochum noch mal in Ruhe angeschaut und die ersten zehn Ligaspiele Revue passieren lassen. „Im Laufe des Abends ist mir eine Sache klar geworden: Entweder wir sprechen dem Christian das absolute Vertrauen aus und gehen mit ihm durch die nächsten Wochen und am besten durch die ganze Saison. Oder wir müssen uns von ihm trennen, weil wir nicht mehr von ihm überzeugt sind.“ Letzteres war der Fall. Becker gelangte zum Entschluss, sich zu trennen.

Wie Hannes Wolf den HSV zum Aufstieg führen will

„Ich weiß, dass ich damit keinen Beliebtheitspreis gewinne“, sagte er über die Entlassung des bei Fans und Spielern beliebten Titz. Der Sportchef setzt nun alles auf die Karte Wolf. „Hannes ist eines der größten Trainertalente Deutschlands. Er weiß, wie man aufsteigt. Und er steht wie kein Zweiter für junge Spieler“, begründete Becker seine Entscheidung, die Vorstandschef Bernd Hoffmann zu „120 Prozent“ deckt.

Wolf wartete seit Anfang des Jahres auf einen neuen Job

Titz’ Co-Trainer André Kilian und Maik Goebbels werden überraschenderweise auch unter Wolf die Assistenten bleiben. Beide sind mit Titz eng befreundet. Beide hatte Titz vor der Saison in sein Trainerteam geholt. Schon am Dienstagabend saßen die beiden nun mit Wolf im Stadion zusammen und planten die nächsten Tage. „Vollgas voraus“ (Wolf) heißt der Arbeitsauftrag.

Kommentar: Panik beim HSV

Wolf, der im Sommer während der WM in Russland als TV-Experte für die ARD arbeitete, wartete seit Anfang des Jahres auf einen neuen Job. Am 28. Januar war der gebürtige Bochumer von seinen Aufgaben beim VfB Stuttgart entbunden worden. Trotzdem kürte ihn der Deutsche Fußball-Bund wenige Wochen später zum „Trainer des Jahres“. Wolf hatte die Schwaben im Sommer 2017 nach einem Jahr in der Zweiten Liga zurück in die Bundesliga geführt. Nichts weniger als diesen Auftrag soll er jetzt in Hamburg erfüllen. „Der HSV ist eine große Herausforderung“, sagte Wolf und dürfte wissen, was er meint. Wie ein Traditionsclub mit einem nervösen Umfeld funktioniert, hatte er in seinen eineinhalb Jahren beim VfB erfahren müssen.

Umfrage zur Entlassung von HSV-Trainer Christian Titz

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    Hannes Wolf hospitierte bei Jürgen Klopp in Liverpool

    Zuvor war Wolf sieben Jahre lang Trainer des Nachwuchses von Borussia Dortmund, feierte mit der B- (2014 und 2015) und der A-Jugend (2016) drei deutsche Meisterschaften. Becker verfolgte Wolfs Weg in den vergangenen Jahren genau. „Hannes hat Talente wie Christian Pulisic und Jacob Bruun Larsen zu Topspielern geformt.“ Wolf lebte nach seinem Aus in Stuttgart bis zuletzt mit seiner Frau, der Handballspielerin Julia Wolf, und den zwei Töchtern wieder in seiner Heimat Dortmund. Dort lernte er auch Jürgen Klopp kennen, bei dem er zuletzt in Liverpool hospitierte. Als junger Fußballer stürmte Wolf unter anderem für die zweite Mannschaft des 1. FC Nürnberg, erkrankte aber am Pfeifferschen Drüsenfieber, litt wegen der Folgen häufig unter muskulären Problemen. Trotzdem schaffte es Wolf noch bis in die Nationalmannschaft – allerdings nur in die Studentenauswahl.

    Auch beim VfB formte er in der Zweiten Bundesliga Spieler wie den französischen Weltmeister Benjamin Pavard oder U-21-Nationalspieler Timo Baumgartl. Mit HSV-Profi Orel Mangala arbeitete Wolf bereits bei zwei Vereinen: Zunächst in der A-Jugend des BVB, dann holte er den jungen Belgier nach Stuttgart. Mangala hatte Wolf zuletzt als einen seiner „wichtigsten Trainer“ in der bisherigen Karriere bezeichnet. Am Mittwochmorgen werden Mangala und Wolf wieder gemeinsam auf dem Trainingsplatz stehen. Dann leitet der neue HSV-Coach seine erste Einheit im Volkspark.

    Schon am Freitag (18.30 Uhr, Sky und Liveticker bei abendblatt.de) wartet auf Wolf mit dem Spiel beim 1. FC Magdeburg die erste große Herausforderung. Das Abenteuer HSV kann beginnen.​