Dortmund. Marco Reus war beim BVB selten wichtiger als in dieser Saison. Der Star lobt Trainer Lucien Favre. Er sei „fachlich und menschlich der Beste“.

Dieser Sommer hielt ein paar durchwachte Nächte für Marco Reus bereit. Zeitig ins Bett, ein paar Stunden Schlaf, dann mitten in der Nacht die Augen aufschlagen und wach daliegen bis zum Morgengrauen. So war das zuletzt. Und es wäre nun wirklich keine Überraschung, wenn es Gedanken an diese vermaledeite WM wären, die den Profi von Borussia Dortmund um den Schlaf gebracht hätten. Den Triumph 2014 verletzt verpassen, aber bei der historischen Blamage mit dabei sein. Danke für nichts, Schicksal!

Doch der Grund für die Schlaflosigkeit ist deutlich banaler. Die Rückkehr von der Amerika-Reise mit seinem Verein rief einen beachtlichen Jetlag hervor, der sich nur schwer abschütteln ließ. Doch dies ist offenbar auch die einzige Müdigkeit, die sich der 29-Jährige gestattet. Reus weiß, dass er immer wichtig war, aber selten wichtiger als jetzt, wenn der BVB inmitten eines erheblichen Umbruchs steckt, wenn die Mannschaft verloren gegangene Sympathien bei den eigenen Fans wieder einspielen muss, weil sie sich zuletzt so unstet präsentierte.

Reus will etwas aufbauen

Montagabend, Termin in Dortmund. Auftritt Reus beim vereinsgefärbten Sponsoren-Talk „Brinkhoff‘s Ballgeflüster“ (ganze Sendung in dieser Woche im BVB-TV) an der Seebühne im Westfalenpark. Das Wasser, der Boden, die Luft und die Menschen sind dort, unweit des Stadions, schwarz-gelb. Und Reus ist einer von ihnen. Seinen Vertrag hat er im Frühjahr bis 2023 verlängert. „Ich bin nicht mehr ganz so jung. Jetzt will ich etwas aufbauen“, sagt der gebürtige Dortmunder, der als Frontfigur für den Aufbau taugen soll.

Sebastian Kehl – selbst 13 Jahre lang im schwarz-gelben Dienst, Ex-Kapitän und seit diesem Sommer in der neu geschaffenen Rolle als Leiter der Lizenzspielerabteilung – sitzt daneben. Er meint: „Ich war sehr lange in diesem Verein, aber es gibt einen aktuellen Spieler, der hoffentlich noch länger als ich beim BVB bleiben wird.“

Zehn Jugend-Jahre sind es bei Reus schon, sechs als Profi. Dieser sei einer, sagt Kehl, der „sportlich als auch von der Persönlichkeit her den Unterschied ausmachen kann“. Der Gelobte bedankt sich fast peinlich berührt. Aber auch er hat das Gefühl, dass das jetzt mal wieder gut werden kann. Mit ihm, dem BVB und diesem Trainer.

Lieblingstrainer Favre an der Seite

Reus selbst kehrte deutlich früher, als das Universum erwartet hatte, von der WM zurück. Körper – und offenbar auch Geist – blieben dabei auch noch unbeschädigt und konnten in einem dreiwöchigen Urlaub sogar noch einer eingehenden Pflege unterzogen werden. Der Nationalspieler ist bereit und tatendurstig – und hat seinen Lieblingstrainer an seiner Seite.

Unter ihm spielte er in der Saison 2011/12 seine wohl immer noch beeindruckendste Saison. Reus sagt, Lucien Favre sei „fachlich und menschlich der beste Trainer, den ich je hatte“. Besser und/oder einfühlsamer als Thomas Tuchel, als Jürgen Klopp und offenbar auch als Bundestrainer Joachim Löw. „Er ist unheimlich detailversessen. Was ich bislang gesehen habe, ist Wahnsinn“, schwärmt Reus. „Er zeigt dir, wie du verteidigen sollst, wo du richtig stehst, welchen Fuß des Mitspielers du anspielen musst.“ Die Details eben, die gute Kicker noch besser machen.

Weigl als Zimmerkollegen

Eine Schambeinentzündung kostete Reus vor zwei Jahren die Vorbereitung und große Teile der Hinrunde. Ein Kreuzbandriss kostete ihn vor einem Jahr die Vorbereitung und große Teile der Saison. Nun ist er bei Kräften und sich seiner Aufgaben bewusst. „Ich will vorangehen“, sagt der, der vermutlich in der kommenden Saison auch die Kapitänsbinde tragen wird.

Ab Mittwoch gibt es noch einen Intensivkurs Favre. Der BVB bezieht für eine Woche sein Trainingslager in Bad Ragaz. Marco Reus ist dabei. Unverletzt. Das Zimmer wird er sich mit Julian Weigl teilen. Und bis dahin vermutlich die unliebsamen Schlafgewohnheiten dieses Sommers abgelegt haben.