Hamburg. Im Herbst beendet Florian Mayer seine Karriere. Am Montag spielte er zum letzten Mal am Hamburger Rothenbaum.

Kampflos würde er sich nicht ergeben, das war klar. Doch nach 132 Spielminuten musste sich Florian Mayer am Montagabend zum letzten Mal in seiner Karriere auf dem Centre-Court am Rothenbaum beklatschen lassen. 6:2, 1:6, 6:7 (4:7) lautete das Ergebnis seines Erstrundenmatches gegen den spanischen Topspieler Pablo Carreno Busta (27/Nr. 13). Ein letztes Mal winkte der 34-Jährige ins Publikum, dann war Hamburg Geschichte für ihn. Als Abschiedsgeschenk gab es von Turnierdirektor Michael Stich eine Doppelhängematte, die der Wanderfreund Mayer gerührt entgegennahm.

Der Entschluss, die Karriere nach den US Open in New York (27. August bis 9. September) zu beenden, sei langsam in ihm gereift, sagt Mayer zum Einstieg in eine sehr ehrliche Selbstbespiegelung. „Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr bereit bin, das zu investieren, was nötig wäre, um auf dem Niveau zu spielen, das ich von mir erwarte“, sagt er. Vier, fünf Stunden Training am Tag bereiteten ihm mittlerweile deutlich mehr Mühe als Vergnügen. Weil auch die Erfolge ausblieben in den vergangenen Monaten, fühle sich der Schritt, mit langem Vorlauf auf den Abschied zuzusteuern, befreiend an.

Im Frühjahr 2014 war der Bayreuther wegen einer Schambeinverletzung für ein Jahr ausgefallen. Die Blessur war der Grund für seine einzige Absenz in der zehnjährigen Amtszeit von Turnierdirektor Stich, der seinem Stammgast deshalb in diesem Jahr auch ohne Zögern eine Wildcard fürs Hauptfeld zuteilte. „Flo war dem Turnier immer treu und hat die Fans mit seinem Spiel begeistert. Deshalb war klar, dass wir ihn unterstützen“, sagt der 49-Jährige.

Mayer hält Hamburger Publikum für einzigartig

Den Grund für seine Verbundenheit mit dem Rothenbaum – bei keinem anderen Turnier in Deutschland spielte er 13-mal – sieht Mayer vor allem in der Zuneigung der Zuschauer. „Es gibt kein anderes Turnier, bei dem man die Fans so begeistern kann wie hier. Das ist einzigartig“, sagt der Weltranglisten-94., den sein Karrierehoch 2011 bis auf Rang 18 spülte. Dabei hatte die Liaison mit einem Eklat begonnen. 2005, in seinem zweiten Hamburg-Jahr, beklagte sich Mayer nach seinem Erstrundenaus gegen den Kroaten Mario Ancic über die Lautstärke mehrerer Hundert Kinder auf den Tribünen – und wurde daraufhin in allen Medien als verzogener Schnösel vorgeführt. „Die Kritik war völlig richtig, ich habe mich damals nicht gut verhalten“, sagt er heute.

Nachhaltig geschadet hat der damalige Auftritt seinem Image nicht. Als er im vergangenen Jahr das Endspiel gegen seinen argentinischen Nachnamensvetter Leonardo Mayer verlor, wurde er von den Zuschauern gefeiert; wie so oft, wenn er seine ansatzlosen Stopps und die eingesprungene Rückhand in den roten Sand des Centre-Courts zauberte.

Zusätzlich zu seinem feinen Händchen zeichnet den naturverbundenen Bayern ein Naturell aus, das zum Bodenständigen des Norddeutschen passt. Florian Mayer ist kein Mann des großen Wortes, keiner, der sich abseits des Courts zu profilieren sucht. Zwar kann er Gefallen daran finden, seine Kunst vor großer Kulisse aufzuführen, aber er braucht nicht die große Bühne, um zu glänzen. „Ich spiele genauso gern auf einem Nebenplatz, das zehrt nicht an meiner Motivation“, sagt er.

Bayreuther hat zwei ATP-Titel gewonnen

Dass er seine besten Matches in Hamburg bei Regen unter geschlossenem Centre-Court-Dach gemacht hat, spricht für einen hohen Wohlfühlfaktor. „Dieses Turnier nicht gewonnen zu haben, das finde ich schon schade“, sagt er. Zwei Titel holte er auf der ATP-Tour, 2011 auf Sand in Bukarest, 2016 auf Rasen in Halle (Westfalen), das neben Hamburg und Wimbledon zu seinen Top-drei-Turnieren gehört. „Grundsätzlich würde ich aber nichts anders machen, wenn ich die Chance dazu bekäme. Letztlich gleicht sich alles aus, und ich habe in meiner Karriere viel mehr erreicht, als ich es mir erträumt hätte“, sagt er.

Die einjährige Verletzungspause hat auch dazu beigetragen, dass sich der langjährige Daviscupspieler an den Gedanken an ein Leben ohne Tennis gewöhnen konnte. „Die lange Auszeit hat mich gelehrt, dass es andere Dinge abseits des Sports gibt“, sagt er, „ich habe allerdings auch gespürt, wie wichtig es ist, im Leben eine Aufgabe, eine feste Beschäftigung zu haben.“

Keine Angst vor Leben nach dem Sport

Angst vor dem tiefen Loch, in das manch Spitzenathlet nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn fällt, habe er dennoch keine. „Es werden Dinge kommen, die mich genauso ausfüllen wie Tennis“, sagt er. Dem Sport erhalten zu bleiben ist natürlich eine Option. Trainer zu werden, das könnte er sich vorstellen, Turnierdirektor dagegen nicht, „das wäre mir zu viel Stress“.

Vor allem wäre es die Rückkehr ins Rampenlicht, das er nie gebraucht hat und auch nie brauchen wird, um glücklich zu sein. Deshalb ist, bei aller Wehmut, die der lange Abschied mit sich bringt, ein Gefühl vorherrschend, das ihn beruhigt. „Die Entscheidung fühlt sich richtig an“, sagt er zum Abschluss des Gesprächs. Nun gehe es darum, die Karriere ordentlich zu beenden, bevor es beginnt, das neue Leben. Auch wenn er nicht weiß, was es bringen wird, freut sich Florian Mayer darauf.