London. Julia Görges und Angelique Kerber spielen in Wimbledon um den Finaleinzug. Serena Williams und Jelena Ostapenko haben etwas dagegen.

Was sie davon halten würde, dass mit Julia Görges und Angelique Kerber zwei deutsche Spielerinnen das Halbfinale erreicht haben, wurde Serena Williams nach ihrem Viertelfinalsieg über die Italienerin Camila Giorgi gefragt. „Das sind zwei großartige Spielerinnen, sehr professionelle Athletinnen und sympathische Mädchen“, sagte die US-Amerikanerin, die bei den All England Championships in Wimbledon am Sonnabend ihren achten Titel gewinnen will.

Die 36-Jährige, nach der Geburt ihrer nun zehn Monate alten Tochter Alexis Olympia erst im Frühjahr wieder auf die Tennistour zurückgekehrt, ist nach 23 Grand-Slam-Titeln geschult darin, Nettigkeiten über die Konkurrenz zu sagen, um auf dem Platz dann mit der Wucht ihrer Grundschläge Vernichtung über sie zu bringen.

Görges gegen Williams - "Ausgerechnet hier"

Zumindest den ersten Teil der Lobeshymne glaubt Julia Görges erst seit einigen Tagen. Dass sie eine großartige Spielerin sein kann auf Rasen, dem Belag, mit dem sich die 29 Jahre alte Weltranglisten-13. am schwersten anzufreunden verstand, das haben ihr erst die fünf Siege an der Church Road verdeutlicht.

2012 hatte sie zuletzt in Wimbledon die Auftaktrunde überstanden, nun steht sie an diesem Donnerstag im ersten Grand-Slam-Halbfinale ihrer Karriere der großen Serena gegenüber. „Dass es ausgerechnet hier, wo ich am wenigsten damit gerechnet habe, mit dem Halbfinale geklappt hat, schmeckt umso süßer“, sagte Görges.

Die Waffen, um auf Rasen erfolgreich zu sein, hat die in Bad Oldesloe aufgewachsene Rechtshänderin durchaus. Ein starker Aufschlag – im Turnierverlauf schlug sie die meisten Asse – und der Mut zu risikoreichem Angriffstennis sind die Zutaten, die die Draufgängerin unter die besten vier führten. Aber erst die 2017 erfolgte Aufnahme des früheren Profis David Prinosil (45) ins Trainerteam habe dazu geführt, dass sie an diese Stärken zu glauben begonnen habe.

Entscheidender Neustart

Der entscheidende Wendepunkt in Görges‘ Karriere liegt indes bereits knapp drei Jahre zurück. Im September 2015 entschied sie sich nach siebenjähriger Zusammenarbeit zur Trennung von ihrem Chefcoach Sascha Nensel, zog nach Regensburg und arbeitet dort seitdem mit Trainer Michael Geserer und Physiotherapeut Florian Zitzelsberger.

„Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich einen Neustart brauchte, um das Beste aus mir herausholen zu können“, sagte sie. Die Zeit, sich auf die neuen Umstände einzustellen, habe sie sich bewusst gegeben. „Jetzt zahlt sich alles aus, und das ist schön zu sehen“, sagte sie.

Die wichtigste Veränderung sei, dass sie das Leben abseits des Tennis mehr zu genießen gelernt habe. „Ich bin dadurch viel positiver und habe mehr Spaß am Tennis als früher.“ Das zeigte sich auch auf den Medienkonferenzen in London. Wo Görges früher bisweilen spröde und unnahbar wirkte, sprach sie in diesen Tagen offen über die Veränderungen und ihre Überzeugungen und beeindruckte auch die internationalen Pressevertreter mit ihren druckreifen englischen Antworten.

Die Fertigkeiten, Serena Williams im vierten direkten Duell (zuletzt unterlag sie bei den French Open in Paris in Runde drei in zwei Sätzen) erstmals den Spaß zu verderben, hat Görges, die auf der WTA-Tour bislang fünf Titel gewann. Gelingt es ihr, die noch immer etwas statisch wirkende „Super-Mami“ ins Laufen zu bringen und die durch die Babypause auf Rang 181 der Welt abgerutschte Williams bei deren Aufschlag aus der Komfortzone zu locken, ist der Finaleinzug möglich.

Was für Kerber spricht

Helfen könnte die Unbeschwertheit der Außenseiterin, die sie erstmals in diesem Turnier ist – und die sie von Angelique Kerber unterscheidet. Die Weltranglistenzehnte präsentiert sich im Umgang mit den Medien genauso defensiv, wie sie auch auf dem Court agiert. Aber weil das ihrem eher grüblerischen Naturell entspricht, wirken letztlich beide authentisch.

Für die 30 Jahre alte Kielerin spricht vor ihrem ersten Duell mit der Lettin Jelena Ostapenko (21), dass sie all das, was nun kommt, bereits kennt. Während die Weltranglistenzwölfte, die 2017 die French Open gewann, in Wimbledon erstmals die Vorschlussrunde erreichte, stand Kerber bereits 2012 und 2016 im Halbfinale, 2016 verlor sie erst im Endspiel gegen Serena Williams. Es ist diese Erfahrung und Abgeklärtheit, die ihr hilft, die Ruhe zu bewahren. „Für mich war es wichtig, gut ins Turnier zu finden. Ich habe in den ersten Runden nicht mein bestes Tennis gespielt, aber jetzt bin ich in den Abläufen drin und weiß, was ich zu tun habe“, sagte sie.

Ein deutsches Finale – das es in Wimbledon einzig 1931 zwischen Cilly Aussem und Hilde Krahwinkel gab –, das klinge schon cool, sagte Julia Görges. Mehr Vorausschau wollten beide nicht wagen. Man müsse von Spiel zu Spiel denken, eine Favoritin gebe es, nachdem die zehn Topgesetzten das Viertelfinale verpasst hatten, sowieso nicht mehr. Aber beide hätten nichts dagegen, wenn Serena Williams ihrer Aufzählung „großartig, professionell, sympathisch“ das Wort erfolgreich anfügen müsste.