Hamburg. Der Keeper wechselt vom Harvestehuder THC nach Belgien. Doch vorher will er noch einmal Meister werden.

In seinem letzten Heimspiel hatte er gehalten, was zu halten war. Die Tränen zu stoppen, als ihm rund 30 Kinder aus der Hockeyjugend des Harvestehuder THC am vergangenen Sonntag nach dem 4:3-Derbysieg gegen den Uhlenhorster HC ein Abschiedsständchen sangen, fiel Tobias Walter ungleich schwerer. „Ich hatte überall Gänsehaut. Das war sehr bewegend und zeigt die Wertschätzung, die mir hier entgegengebracht wird“, sagt der Nationaltorhüter, der den HTHC nach Saisonende verlassen und für zwei Jahre in Belgiens Topliga bei den KHC Dragons aus Brasschaat, einem Vorort von Antwerpen, spielen wird.

Zu viel Lob für seine Leistung, sich in den sechs Jahren seit seinem Wechsel vom Mannheimer HC nach Hamburg zu einem der besten Torhüter der Welt entwickelt zu haben, wollte der 28-Jährige noch nicht hören. Schließlich steht an diesem Wochenende der Saisonhöhepunkt an. Bei der Final-Four-Endrunde in Krefeld wollen die Schwarz-Gelben als einziger Hamburger Vertreter den Feldmeistertitel holen. Es wäre der fünfte für den Verein und der zweite für Walter nach 2014. Und auch wenn im Halbfinale am Sonnabend (16 Uhr/Sport 1 live) Hauptrundensieger Rot-Weiß Köln wartet, der zuletzt sechsmal in Folge im Endspiel stand, glaubt der Torhüter fest an seinen Abschiedstriumph. „Wir stehen auch zum sechsten Mal in Folge in der Endrunde, haben Köln 2014 im Finale besiegt“, sagt er.

„Spielerisch selten überzeugt“

Sollte die Auswahl von Cheftrainer Christoph Bechmann tatsächlich als Hauptrundenvierter zum Titel durchmarschieren, wäre Walters Anteil daran enorm. „Wir haben spielerisch in dieser Saison selten überzeugt. Wir machen unsere Tore und haben einen Torwart, der fast alles hält. Das ist die halbe Miete“, sagt der Coach. Tatsächlich hat sich Walter, der übergewichtig und schüchtern aus Mannheim kam, beim HTHC zu einem kompletten Keeper entwickelt, der auf der Linie mit Reaktionsschnelligkeit glänzt, aber auch als mitspielender Abwehrorganisator überzeugt.

„Mich hat besonders die ständige Wettkampfhärte besser gemacht“, sagt der selbstständige Unternehmer, der im vergangenen Jahr mit einem Geschäftspartner eine App entwickelte, die Jugendliche zu sportlichen Wettkämpfen zusammenbringt, und der mit dem Charityprojekt „Trash for Cash“ Flüchtlingen Arbeit und Integrationshilfen vermittelt. Diese Aufgaben will er auch in Belgien fortführen, obwohl das Angebot der „Drachen“ finanziell so lukrativ war, dass er sich komplett auf seinen Sport konzentrieren könnte. Belgien setzt seit einigen Jahren – anders als Deutschland – im Hockey auf Vollprofitum.

Ziel ist, Stammtorwart bei Olympia 2020 zu sein

Entscheidend für den Wechsel war aber auch die Aussicht darauf, die Erfahrung machen zu können, im Ausland neue Impulse zu bekommen. „Ich habe nie außerhalb Deutschlands gelebt und freue mich deshalb sehr auf diese Chance“, sagt Walter, der sich für zwei Jahre an den Topclub gebunden hat. Die Vorbereitung auf sein großes Ziel, in Tokio 2020 Stammtorwart bei den Olympischen Spielen zu sein, wird er also hauptsächlich im Ausland bestreiten. 2016 in Rio war er als Ersatztorhüter nicht einmal im 18er-Kader, wohnte vor Ort privat und musste sich Eintrittskarten für die Spiele kaufen.

In Japan soll das jetzt anders werden, und Walter hat mittlerweile das Selbstbewusstsein, diese Ansprüche auch zu formulieren. „Ich glaube, dass ich mir durch konstante Leistungen mein Standing erarbeitet habe“, sagt er. Auch wenn er nicht mehr beweisen muss, was sie im HTHC an ihm verlieren: In Krefeld wird Tobias Walter noch einmal versuchen, alles zu halten, was zu halten ist.