Wolfsburg. Hamburger Jung Schindler schenkt mehr als 3000 mitgereisten Holstein-Fans ein wichtiges Auswärtstor. Becker umschifft HSV-Frage.

Der VfL Wolfsburg hat einen großen Schritt zum nachträglichen Klassenerhalt gemacht. Der Bundesliga-16. gewann am Donnerstag das Hinspiel der Relegation gegen den Zweitliga-Dritten Holstein Kiel mit 3:1 (2:1) und verschaffte sich damit eine sehr gute Ausgangsposition für das Rückspiel in Kiel am Montag. Vor 28.800 Zuschauern in der ausverkauften Volkswagen Arena, darunter mehr als 300 Anhänger aus Kiel, erzielten Divock Origi (13. Minute), Josip Brekalo (40.) und Yunus Malli (56.) die Treffer für den Bundesligisten. Kingsley Schindler gelang der zwischenzeitliche Ausgleich für den Zweitligisten (34.), der am Ende des Spiels mehrere gute Gelegenheiten für ein besseres Ergebnis liegen ließ.

"In den letzten 15 Minuten kamen wir noch einmal richtig ins Schwimmen. Wenn wir das vierte Tor gemacht hätten, hätten wir Kiel nicht mehr atmen lassen", sagte Wolfsburgs Maximilian Arnold bei Eurosport. "Wir haben am Ende die Kontrolle abgegeben und den Gegner nicht mehr genügend beschäftigt", monierte Wolfsburgs Coach Bruno Labbadia.

Kiels Dominick Drexler, der den zwischenzeitlichen Ausgleich durch den gebürtigen Hamburger Schindler durch ein tolles Solo an der Torauslinie vorbereitet hatte, haderte indes mit den 75 Minuten davor. "Es war nicht unser Matchplan, dass uns Wolfsburg so dominiert. Wir haben zu viel reagiert", sagte Drexler: "Wir müssen schauen, dass wir zielstrebiger und mutiger hinten rausspielen."

"Wir hätten das ein oder andere Tor mehr machen müssen", sagte Kiels Trainer Markus Anfang. Matthias Sammer gibt die Schleswig-Holsteiner allerdings noch nicht auf. "Durch die letzten 15 Minuten besteht absoluter Optimismus für das Rückspiel", sagte der Eurosport-Experte.

Offener Brief der VfL-Profis

Wolfsburg, 2009 noch deutscher Meister, hatte sich schon in der vergangenen Saison erst in der Relegation ein weiteres Jahr in der Ersten Liga gesichert. Damals wurde Eintracht Braunschweig zwei Mal mit 1:0 geschlagen. Auch dieses Mal könnte eine völlig chaotische Saison mit zwei Trainerwechseln und viel Unruhe hinter den Kulissen doch noch glimpflich enden. Dem Zweitliga-Aufsteiger aus Kiel scheint nach einer ganz starken Spielzeit dagegen die Krönung verwehrt zu bleiben.

Vor der Partie hatten die Wolfsburger Spieler im Stadion-Magazin in einem Offenen Brief noch einmal an die eigenen Anhänger appelliert. „Wir versprechen euch, dass wir auf dem Platz alles dafür tun werden und bis zur letzten Minute Vollgas geben, damit der VfL da bleibt, wo er hingehört: in der ersten Liga“, hieß es in dem Schreiben.

Ein munteres Spiel

Und in der Tat starteten die Niedersachsen auch ohne Topscorer Daniel Didavi und Kapitän Paul Verhaegh voller Elan. Immer wieder angetrieben vom so oft heftig kritisierten Malli und von Wirbelwind Brekalo drückte das Team von Bruno Labbadia gleich aufs Tempo. Da sich aber auch die Gäste nicht versteckten, entwickelte sich ein munteres Spielchen, in dem sich der VfL ein Übergewicht erspielte.

Und mit der ersten guten Gelegenheit ging der VW-Club in Führung. Nach einer Hereingabe von Malli scheiterte Renato Steffen zunächst noch an Kiels Torwart Kenneth Kronholm, doch dann drückte Origi den Ball aus kurzer Entfernung über die Linie. Jener Origi, der im Vorfeld noch mit seinem Nichtwissen über den Gegner unangenehm aufgefallen war.

Die Statistik

VfL Wolfsburg

Casteels - Uduokhai, Knoche,  Brooks - William,  Guilavogui,  Steffen -  Malli, Arnold - Origi,  Brekalo. - Trainer: Labbadia

Holstein Kiel

Kronholm -  Patrick Herrmann,  Schmidt, Czichos,  van den Bergh -  Peitz (61. Mühling), Kinsombi - Schindler,  Drexler,  Lewerenz (61. Seydel) - Ducksch. - Trainer: Anfang

Schiedsrichter

Deniz Aytekin (Oberasbach)

Zuschauer

28.800 (ausverkauft)

Tore

1:0 Origi (13.), 1:1 Schindler (34.), 2:1 Brekalo (40.), 3:1 Malli (56.)

Gelbe Karten

Keine

Torschüsse

14:11

Ecken

6:5

Ballbesitz

49:51 %

Zweikämpfe

96:108

1/10

Ducksch verpasst eine gute Gelegenheit

Die Kieler wirkten zunächst sichtlich beeindruckt vom schwungvollen Auftritt des VfL. In der ersten halben Stunde kamen die Gäste, die mit 71 Treffern immerhin über die beste Offensive der Zweiten Liga verfügten, zu keiner nennenswerten Gelegenheit. Ziemlich überraschend gelang Holstein daher in der 33. Minute der Ausgleich. Nach überragender Vorarbeit von Drexler schoss Schindler aus kurzer Entfernung ein.

Doch der VfL schlug noch vor der Pause zurück. Kiels Abwehrspieler Dominik Schmidt köpfte den Ball nach einem langen Wolfsburger Ball direkt vor die Füße von Brekalo, der Kronholm mit einem wuchtigen Schuss aus 16 Meter keine Chance ließ. Nach dem Seitenwechsel setzte der VfL weiter auf Offensive und wurde belohnt. Malli umkurvte Kronholm und sorgte für das 3:1. Die Kieler versuchten danach noch einmal alles und kamen durch Alexander Mühling und Toptorjäger Marvin Ducksch auch noch zu guten Chancen. Zum zweiten Treffer reichte es aber nicht mehr.

Politiker empfangen Holstein-Profis

"Wir werden genau so spielen, wie wir das ganze Jahr über gespielt haben", hatte Anfang kurz vor Anpfiff angekündigt. Zu seiner eigenen Situation sagte der künftige Trainer des Bundesliga-Absteigers 1. FC Köln: "Schleswig-Holstein hat noch nie einen Bundesligisten gehabt, es geht hier nicht um meine Person." Eine Personaldebatte gibt es indes auch um Holsteins sportlicher Leiter Ralf Becker, der mit dem HSV in Verbindung gebracht wird. "Wir machen jetzt die zwei Spiele und dann sehen wir weiter", sagte der Manager kurz vor Anpfiff bei Eurosport.

Ob es mit dem Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse klappt oder nicht – die Landespolitik in Schleswig-Holstein will Kiels Profis einen "großen Bahnhof" bereiten. Am nächsten Dienstag empfangen Landtagspräsident Klaus Schlie und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Mannschaft im Kieler Landeshaus. Das kündigte der Landtag am Donnerstag an. Das entscheidende Rückspiel gegen Wolfsburg steigt am Montagabend im Holstein-Stadion.