Kiel. Der Höhenflug des Zweitligisten hatte sich lange angekündigt – zumindest für einen Datendienstleister

    Armin Veh hat am vergangenen Sonnabend ziemlich lässig im dritten Stock der Arena vom VfL Wolfsburg gestanden. Da hatte der Sportdirektor von Bundesliga-Absteiger 1. FC Köln gerade die 1:4-Niederlage der Seinen gegen den Werksclub erlebt und damit ein Relegationsspiel gegen Holstein Kiel möglich gemacht. Pikant dabei: Kürzlich hat Veh für das Projekt Wiederaufstieg einen neuen Trainer verpflichtet, der Markus Anfang heißt. Aktuell arbeitet der gebürtige Kölner jedoch noch bei Holstein Kiel. Und wie es der irgendwie überall miteinander verwobene Profifußball nun einmal will, tritt dessen Team am heutigen Donnerstag (20.30 Uhr) zum Relegationshinspiel in der Autostadt an.

    Allerdings beruht der Höhenflug der Kieler keineswegs auf Zufall. Wer an 34 Zweitligaspieltagen nur sechsmal verliert und 71 Tore schießt – gerade erst wieder mit einer halben Reserveelf ein halbes Dutzend gegen den Wolfsburger Vorjahres-Relegationsgegner Eintracht Braunschweig – der klopft nicht zufällig oben an. „Wir werden mit Spaß, Mut und Überzeugung in die Spiele gehen“, verspricht der 2016 in den hohen Norden gekommene Anfang. „Wir wollen Ergebnisse erzielen, damit wir etwas Historisches schaffen. Das primäre Ziel ist es, dass wir uns gut verkaufen.“

    Aufwind vor den Ausscheidungspartien kam am Mittwoch zudem von der DFL. Der Lizensierungsausschuss hat den „Störchen“ auf Widerruf die Erlaubnis erteilt, Bundesligaspiele im eigenen Stadion auszutragen. Holstein hatte die Ausbaupläne nachgebessert und will nun schon im Oktober das erforderliche Fassungsvermögen von 15.000 Zuschauern erreichen. Im Sommer 2019 sollen 18.400 Plätze erreicht werden.

    Das aber ist nicht mehr das Thema von Anfang. Er bleibt in Köln auf jeden Fall Coach eines Zweitligisten. Auch wenn sein aktuelles Team hochgeht. Völlig unmöglich scheint das Szenario nicht. Zumal der Werksverein Berufsfußballer angestellt hat, die wie der vom FC Liverpool ausgeliehene Mittelstürmer Divock Origi bis zum vergangenen Wochenende tatsächlich gar nicht wussten, wer Holstein Kiel überhaupt ist. Eine neue Biermarke? Derlei Unkenntnis gehört eigentlich bestraft, aber nicht deshalb ist das Duell zwischen dem Bundesliga-Drittletzten und Zweitligadritten vielleicht gar nicht so ungleich wie die vergangenen Jahre.

    Wobei Kiels Manager Ralf Becker vorsorglich auf die wirtschaftlichen Unterschiede verweist: „Unser Etat ist das Gehalt von zwei VfL-Stars“, sagte der 47-Jährige der „Sportbild“. Torjäger Marvin Ducksch, vom Liga-Kontrahenten FC St. Pauli ausgeliehen, soll mit 750.000 Euro Jahresgehalt der Topverdiener sein. Das bekommt beim VfL Wolfsburg mancher Tribünenhocker als Fixum in einer Halbserie.

    Ungeachtet der gewaltigen Etat­lücke, die sich auf rund 60, 70 Millionen Euro, allein bei den Personalkosten belaufen­ dürfte, zeigen sich bei den Gästen klar erkennbare Stilmerkmale, die nicht erst in der Zweiten Liga aufgefallen sind. Das Erstaunliche ist, dass sich der vom Hamburger Unternehmer Jörg Seidel gegründete Datendienstleister Goalimpact bereits vergangenen Sommer, damals war Kiel gerade im deutschen Profifußball angekommen, als Kandidat für einen Durchmarsch in die Bundesliga identifizierte.

    Das hatte jedenfalls Seidels mathematisches Modell ergeben, das den Wert einzelner Spieler für ihre Mannschaft nach einer komplizierten, aber offenbar weitgehend zutreffenden Formel bemisst. Details finden sich im Buch „Matchplan“ von Christoph Biermann, der dafür auch den Holstein-Coach befragte. Anfang habe auf die Goalimpact-Voraussage übrigens erstaunlich reagiert: „Na, dann braucht es mich als Trainer ja nicht mehr, wenn die Spieler so gut sind.“ Zumindest Armin Veh wirdanderer Meinung sein.