Hamburg. Timothy Speckman ist Sportdirektor und Headcoach von Hamburgs Football-Erstligateam. Mit Abstiegskampf soll unter ihm Schluss sein.

Mal angenommen, eine Bundesligamannschaft hätte ein Pro­blem mit ihrem Cheftrainer. Der Teamkapitän würde zum Sportdirektor gehen und diesem davon berichten. Der Sportdirektor würde zuhören, das Gespräch mit dem Coach suchen und daran arbeiten, die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. Bei den Huskies, Hamburgs Vertreter in der höchsten deutschen Spielklasse im American Football, wäre das ein Selbstgespräch, denn Headcoach und Sportdirektor sind ein und dieselbe Person. Und deshalb muss Timothy Speckman, der Mann, der beide Ämter bekleidet, vor dem Heimauftakt der GFL-Spielzeit 2018 an diesem Sonnabend (16 Uhr, Stadion Hammer Park) gegen den Nordrivalen Kiel Baltic Hurricanes die Frage beantworten, ob das gutgehen kann in dieser Konstellation.

Der US-Amerikaner, der seinen Nachnamen deutschen Vorfahren verdankt, ist ein Mann, der nachdenkt, bevor er antwortet. Er ist keiner dieser vielen US-Coaches im Football, die kritische Themen entweder mit Härte oder überbordendem Zweckoptimismus abblocken. Und er weiß, dass ein fehlendes Bindeglied zwischen Trainer und Mannschaft in der vergangenen Saison die Probleme mitverursachte, die fast zum Abstieg aus der Eliteliga geführt hätten. Erst als Speckman Anfang August auf forsches Fordern seines Trainer-Vorgängers Sean Embree als Sportdirektor verpflichtet wurde, gelang prompt im elften Saisonspiel der erste Sieg, der den Endspurt zum Klassenerhalt einleitete.

Er kennt den deutschen Ligenbetrieb

Weil er all das weiß, kann er die Bedenken nachvollziehen. Dennoch sagt er: „Ich glaube nicht, dass meine Doppelrolle ein Problem darstellt. Ich habe zur Bedingung gemacht, dass ich sowohl im Trainerstab als auch im Vereinsumfeld gute Funktionsteams habe, die mich entlasten. Sonst hätte ich es nicht gemacht.“ Diese Teams gebe es nun. Mit dem neuen Vorstand Werner Hippler (47), Rekordspieler der NFL Europe, und Marketingleiter Johannes Liebnau, in Hamburg bekannt als früherer Anführer der HSV-Ultragruppe „Chosen Few“, habe er Fachleute, die ihm als Sportdirektor im organisatorischen Bereich viel Arbeit abnehmen. Und auf sein fünfköpfiges Trainerteam könne er sich zu hundert Prozent verlassen.

Wichtig sei außerdem, dass er wisse, auf was er sich einlässt. „Coach Embree kannte die Kultur hier nicht und hatte andere Erwartungen. Ich dagegen weiß, was ich erwarten kann und was nicht“, sagt Speckman. Und das stimmt, er kennt den deutschen Ligenbetrieb. 2012 entschied sich der frühere Widereceiver, der als 25-Jähriger an der Willamette-Universität im US-Bundesstaat Oregon Trainer geworden war, für den Wechsel nach Europa. Ursprünglich wollte er nur ein paar Monate Erfahrungen sammeln. Dann lernte er seine heutige Ehefrau Katharina kennen. Aus Monaten wurden Jahre, in denen er zunächst beim Drittligaclub Lübeck Seals Cheftrainer war, 2014 als Offensive Coordinator zu den Huskies wechselte, mit ihnen in die GFL aufstieg und schließlich über Stationen beim Auftaktgegner Kiel und den Lübeck Cougars nach Hamburg zurückkehrte.

Neuer Quarterback

Als Sportdirektor war Speckman seit dem Ende der Saison 2017 in die Kaderplanung vertieft. Er wusste, was verändert werden musste, und als der ursprünglich als Headcoach eingeplante Anthony Rouzier Ende Februar seine Zusage zurückzog und einen Collegejob in den USA annahm, war es praktisch, dass die Kaderplanung nicht mit einem neuen Cheftrainer abgesprochen werden musste. Insbesondere in der Offensive Line, die beim Angriffsspiel den eigenen Quarterback schützt, waren Einschnitte notwendig. Mit den Briten Jozef Tobolkiewicz und Ibrahim Ahmed sowie dem Belgier Gert Nelissen hat Speckman drei Importspieler verpflichtet, die für Stabilität sorgen sollen.

Aber auch von seinem neuen Quarterback Quentin Williams, dem beim 0:24 zum Saisonstart am vergangenen Sonntag bei den Berlin Rebels noch die Abstimmung mit den Passempfängern fehlte, ist Speckman ebenso überzeugt wie von den nachgerückten Talenten aus der eigenen Jugend. Man habe die im GFL-Vergleich sehr junge Mannschaft mit einigen erfahrenen Veteranen verstärken können und den Kader auch in der Breite so aufgestellt, dass Verletzungsmiseren wie im vergangenen Jahr die Spielfähigkeit nicht eklatant einschränken könnten. Deshalb sagt Speckman: „Wir haben viel Talent im Team und die Spieler bekommen, die wir mit unseren Mitteln bekommen konnten. Wir haben alles getan, um eine bessere Saison als 2017 zu spielen.“

Noch ein Jahr Abstiegskampf würde Verein schaden

Das klingt optimistisch. Wie realistisch es ist, müssen die kommenden Wochen zeigen. Speckman rechnet damit, dass der 2017 von Schwäbisch Hall entthronte Serienmeister Braunschweig Lions in der acht Teams umfassenden Nordgruppe erneut vorwegmarschieren wird. Dahinter sei mit den Dresden Monarchs, den Rebels Kiel, aber auch mit den Cologne Crocodiles und dem starken Aufsteiger Potsdam Royals ein Fünfkampf um die drei weiteren Play-off-Plätze zu erwarten. Und seine Huskies? „Wir wollen frühzeitig dem Abstiegskampf entkommen. Wenn alles optimal läuft, können wir hoffentlich um Platz vier mitkämpfen“, sagt er. Der Letzte steigt in die GFL 2 ab.

Ein weiteres Jahr im Tabellenkeller, das weiß Speckman, würde den Ambitionen des Vereins nachhaltig schaden. Der Zuschauerschnitt des vergangenen Jahres von 675 muss deutlich gesteigert werden, um den im unteren sechsstelligen Bereich angesiedelten Etat zu stützen. Das geht nur, wenn man erfolgreichen Sport anbietet. Die in die Jahre gekommene Heimstätte im Hammer Park ist kein Publikumsmagnet. Die Huskies würden sie gern verlassen, Alternativen wie die Adolf-Jäger-Kampfbahn von Altona 93 oder das Millerntor, wo man wenigstens die Spiele gegen Kiel und Braunschweig austragen wollte, zerschlugen sich aber.

Fehlende Unterstützung

Thematisiert wird die fehlende Unterstützung aus Politik und Wirtschaft seit Jahren, getan hat sich bislang nichts. Die Trainingsstätte am Horner Tribünenweg ist eines Erstligisten nicht würdig, der geplante Neubau eines Übungsareals an der Möllner Landstraße in Kooperation mit der SV Billstedt-Horn wird in dieser Saison nicht bezugsfertig sein. Timothy Speckman hat sich vorgenommen, darüber nicht zu klagen, auch wenn der Frust groß ist. Nur so viel will er sagen: „Es wäre schön, wenn Hamburg einmal definieren würde, ob zur Sportstadt alle Bundesligateams gehören. Und wenn ja, wie es gelingen könnte, diese Teams dann auch angemessen zu fördern.“

Bis zur Klärung dieser Frage werden die Hamburg Huskies allein weiterkämpfen. Ihr Sportdirektor, der zusätzlich zu seiner Leidenschaft Football noch mindestens 20 Wochenstunden als Lehrer für Wirtschaftsenglisch arbeitet und von Travemünde aus dreimal wöchentlich zum Training pendelt, hat als Motto den Leitsatz „Play hard, play smart“ ausgegeben. Er wolle eine Mannschaft sehen, die in jedem Training und jeder Spielsituation an ihre Leistungsgrenzen geht, dabei aber intelligent und fair spielt. Die Huskies sollen, so klingt es, genauso auftreten, wie ihr Cheftrainer-Sportdirektor seinen Job interpretiert. Wenn das gelingt, könnte es eine gute Saison werden.