Frankfurt/München. Der Wechsel von Eintracht Frankfurt zum FC Bayern ist von Nebengeräuschen geprägt. Umstände über Transfer sind weiterhin unklar.

Vertraut wie ein altes Ehepaar schritten Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge aus der Tür. Seite an Seite stellten sich die Bosse des FC Bayern demonstrativ auf, was sie äußerst selten tun. Es hätte nur noch gefehlt, dass die beiden Vereinsgranden Händchen halten. So viel Eintracht - und doch Zwietracht. Womit das wesentliche Thema nach dem überzeugenden 5:1 (2:1) der Münchner gegen Borussia Mönchengladbach erreicht wäre: der Ablauf der Verpflichtung von Frankfurts Trainer Niko Kovac als Nachfolger von Jupp Heynckes.

„Wir waren fair, seriös und in der ganzen Geschichte sauber. Wir haben keinen respektlosen Auftritt gehabt“, so verteidigte Vorstandschef Rummenigge (62) den Rekordmeister gegen die Kritik von Eintracht-Manager Fredi Bobic. „Wir fanden die Aussagen ziemlich unverschämt. So wie er sich verhält, das ist unanständig. Wir haben eine Lücke, die er im Vertrag mit Kovac gemacht hat, ausgenutzt. Das ist sehr professionell“, polterte Präsident Hoeneß (66).

Frankfurts Vorwürfe für die Bosse des FC Bayern "ungehörig"

Bobic (46) hatte ein Leck beim FC Bayern vermutet, durch das die Information am Donnerstagabend an die "Bild-Zeitung" gesickert sei. Als „unprofessionell und respektlos“ hatte er die Münchner abgekanzelt, die eine Ausstiegsklausel von Kovac genutzt hatten. Einen solchen Angriff empfinden Hoeneß und Rummenigge als ungehörig, sie setzten daher zur Gegenattacke an.

Bayerns Bosse Karl-Heinz Rummenigge (l.) und Uli Hoeneß wehren sich gegen Frankfurter Vorwürfe
Bayerns Bosse Karl-Heinz Rummenigge (l.) und Uli Hoeneß wehren sich gegen Frankfurter Vorwürfe © Witters

Von FC Bayern sei „hintenrum“ (Rummenigge) nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Ein kürzliches Treffen bei einem Italiener im Münchner Umland sei „Zufall“ (Hoeneß) gewesen. „Mein Fahrer, der Bruno Kovacevic, hatte seinen 60. Geburtstag“, berichtete Hoeneß. Die Kovac-Brüder, Niko und Robert - sein Co-Trainer bei der Eintracht - waren auch eingeladen und saßen am gleichen Tisch. „Aber vor 60 Leuten hat der FC Bayern noch selten Vertragsgespräche geführt. Das ist ja nicht die Atmosphäre dafür.“

Bayern-Chef Rummenigge vollends von Niko Kovac überzeugt

Überhaupt habe der FC Bayern „großzügig“ (Hoeneß) gehandelt, weil die Eintracht nun genügend Zeit habe, die Kovac-Nachfolge zu regeln. Niko Kovac sei zum „Wunschkandidaten“ aufgestiegen, als Jupp Heynckes „partout“ nicht wollte und sich anschließend auch Thomas Tuchel „schon entschieden“ hatte. „Das war schade, aber das war kein Schock“, sagte Hoeneß. In Kovac habe der FC Bayern laut Rummenigge „vollstes Zutrauen“, weil dieser „die Bayern-DNA“ kenne.

Ärger um den Trainerwechsel gefährdet die Saisonziele der Frankfurter Eintracht

In Frankfurt hat man an der Entscheidung, dass Kovac den Club verlässt, noch immer zu knabbern. Die Vereins-Bosse streiten sich öffentlich, die enttäuschten Fans bezeichnen ihn als „Baron Münch(en)hausen“ und an den Stammtischen im TV wird energisch über seine Glaubwürdigkeit gestritten: Schon in den ersten Stunden nach der Bekanntgabe seines Wechsels von Eintracht Frankfurt zum FC Bayern bekam Niko Kovac im Schnelldurchgang einen Vorgeschmack, was ihn als Deutschlands zweitwichtigsten Fußballlehrer hinter Bundestrainer Joachim Löw zukünftig erwartet.

Verhältnis zwischen Bobic und Kovac hat gelitten Muss der Trainer vorzeitig gehen?

Selbst ein unwürdiger Abschied aus Frankfurt noch vor dem Saisonende scheint für den Aufsteiger unter den Bundesliga-Trainern zumindest nicht ausgeschlossen. Eine entsprechende Frage nach dem 1:4 (1:1) bei Bayer Leverkusen bezeichnete Manager Fredi Bobic zwar als „respektlos“. Er sorgte aber auch nicht für Klarheit: „Diese Frage beantworte ich nicht.“

Kurios: Sowohl Hoeneß als auch Kovac verweigerten eine Klarstellung über die Umstände des Wechsels vom Main an die Isar. Die Version des Trainers, er sei am Donnerstag erstmals von den Bayern kontaktiert worden und man habe sofort eine Einigung erzielt, zweifeln viele an. „Das kann ich nicht glauben. Selbst in der Kreisliga lotet man so etwas aus“, sagte Christoph Metzelder als „Sky“-Experte.

Hoeneß: "Wir sind hier nicht bei der Staatsanwaltschaft"

Rekordnationalspieler Lothar Matthäus pflichtete bei: „Das nehme ich ihm nicht ganz ab.“ Kovac wich entsprechenden Nachfragen über den Ablauf am Sonnabend aus, Hoeneß schimpfte gar: „Wir sind hier nicht bei der Staatsanwaltschaft.“

So oder so ist der bis Donnerstagmittag über jeden Zweifel erhabene Kovac in Frankfurt plötzlich zum potenziellen Problem geworden. Bobic erklärte, das Verhältnis zwischen ihm und dem Trainer sei „vielleicht ein bisschen getrübt“. Vorstand Axel Hellmann sprach von „ein oder zwei Enttäuschungen in den letzten Tagen“. Und Torhüter Lukas Hradecky erklärte auf die Frage, ob die Diskussionen der vergangenen Tage Einfluss auf die Leistung gehabt hätten: „Soll ich lügen, dass es keinen hatte? Natürlich, wir sind Menschen, keine Roboter.“

Frankfurt will den Fokus auf das Pokal-Halbfinale gegen Schalke legen

In dieser Gemengelage fällt es schwer, sich auf das Halbfinale im DFB-Pokal am Mittwoch auf Schalke und den Liga-Endspurt zu konzentrieren. „Wir haben die gesamte Saison oben mitgespielt. Dafür wollen wir uns jetzt auch belohnen“, sagte Marco Fabián.

Eine vorzeitige Trennung scheint aktuell noch wenig vorstellbar. Doch in den nächsten Tagen könnte eine neue Dynamik entstehen. Vor allem, wenn die Verantwortlichen zu der Ansicht kommen, dass die Diskussionen um den Baumeister des Erfolges die überraschend mögliche Europacup-Qualifikation gefährdet.

In Frankfurt beteuern sie jedenfalls, von Kovac’ Abgang überrascht worden zu sein. Obwohl dieser sich extra eine Bayern-Klausel in den Vertrag schreiben ließ und in der „ARD“ erklärte: „Wenn ich diese Klausel 2016 reinsetze, gehe ich davon aus, dass das auch mal passieren wird. Sonst hätte ich das nicht gemacht.“

Wer wird neuer Trainer in Frankfurt? Weinzierl, Wolf und Wagner im Fokus

Doch die Hessen fühlten sich offenbar sicher. Im Januar deutete Bobic an, er wisse, wer neuer Bayern-Trainer wird - und dachte sicher nicht an Kovac. Im Februar versprach Bruno Hübner einem Journalisten im „Doppelpass“ bei „Sport1“ in die Hand, dass Kovac auch in der nächsten Saison Frankfurt-Trainer sei. Wer es nun wird, ist offen: An der Gerüchtebörse gehandelt werden Markus Weinziel, Hannes Wolf oder David Wagner.

Zur Seite sprang Kovac am Sonntag Julian Nagelsmann. „Mein Vertrag wurde auch an einem Tag gemacht – ohne jedes Vorgespräch“, sagte der Hoffenheim-Coach in der Sendung „Wontorra“: „Ich finde es alles andere als verwerflich, dass er zu Bayern zieht. Ich finde es eher verwerflich, dass man ihn jetzt so in die Pfanne haut, weil er zu Bayern geht.“

Kovac selbst tat am Sonnabend so, als sei nichts geschehen. „Ob Sie es mir glauben oder nicht: Das war ein ganz normales Spiel für mich. Nicht mehr und nicht weniger“, beteuerte er: „Mein Seelenleben ist genauso gut wie gestern. Und es wird auch morgen genauso gut sein.“ Auf die Frage, ob er im Fall eines Final-Einzugs im Pokal gerne gegen Leverkusen spielen würde, um um ein brisantes Endspiel gegen die Bayern herumkommen, antwortete er: „Das ist gehupft wie gezupft.“