Berlin. Bei der Hallenhockey-WM in Berlin verpasst der Gastgeber den doppelten Titelgewinn, weil die Herren im Penaltyschießen patzen.

Kapitänin Janne Müller-Wieland vom Uhlenhorster HC krächzte nur noch heiser, der Harvestehuderin Franzisca Hauke schmerzte nach einem Zusammenprall mit einer Gegenspielerin die Nase und Lisa Altenburg (Club an der Alster) brummte nach einem Foul einer Niederländerin mächtig der Schädel. Die deutschen Damen nahmen von der Hallenhockey-Weltmeisterschaft in Berlin einige Souvenirs mit nach Hause, doch das Wichtigste, das für all die Schmerzen entschädigte, baumelte den Spielerinnen um den Hals. Durch ein 2:1 im Endspiel gegen Titelverteidiger Niederlande holten die Deutschen in der Max-Schmeling-Halle die Goldmedaille.

Es hätte somit ein aus Sicht der Gastgeber perfekter Tag werden können, denn auch die deutschen Herren waren in ihrem Finale gegen Österreich in der Favoritenrolle. Doch aus dem erhofften Doppelgold wurde nichts. Zwar führte Deutschland durch Tore der beiden Berliner Martin Häner und Martin Zwicker sowie Christopher Rühr (RW Köln) bereits mit 3:1, verpasste es danach aber, das Spiel endgültig für sich zu entscheiden. Stattdessen kamen die Österreicher durch zwei Strafecken noch zum Ausgleich, und im Penaltyschießen hatte der Europameister das bessere Ende für sich.

Torchancen liegen gelassen

Den Schlusspunkt setzte ausgerechnet ein Wahl-Hamburger: Michael Körper, der in der Bundesliga für den HTHC spielt, überwand seinen Vereinskollegen Tobias Walter im deutschen Tor für den finalen Treffer. „Das haben wir uns selbst zuzuschreiben“, sagte DHB-Kapitän Martin Häner. „Wir haben nicht unser bestes Spiel gezeigt, aber genau das muss man in einem Finale.“ Auch Bundestrainer Stefan Kermas war nach der Niederlage tief enttäuscht: „Das ist richtig bitter. Wir hatten erkennbar mehr Torchancen, aber wir haben sie liegen gelassen.“

Dabei hatte Kermas nach dem 6:2-Halbfinalsieg gegen den Iran am Sonnabend keinen Zweifel daran gelassen, was er von seiner Mannschaft erwartete: „Wir müssen hier den Titel gewinnen, alles andere wäre fehl am Platz“, so der Bundestrainer, dessen Team selbst die zeitweisen Ausfälle von Hallenspezialist Alexander Otte (TG Heimfeld) wegen einer Bronchitis und Mats Grambusch (RW Köln) aufgrund muskulärer Probleme kompensiert hatte. Zum besten Spieler des Turniers wurde Rühr gewählt, der 19 Treffer erzielte und damit auch Torschützenkönig wurde. Beide Auszeichnungen hätte er aber wohl sofort gegen den Weltmeistertitel eingetauscht.

Meisterschaft ohne Moritz Fürste

Rühr war in Berlin einer von zehn A-Nationalspielern im Kader; sieben von ihnen hatten auch schon die Bronzeme­daille bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro gewonnen. Anders als bei vorherigen Hallenweltmeisterschaften hatte Deutschland dieses Mal eine Top-Mannschaft geschickt, was die Pleite gegen Österreich umso tragischer machte. Der verpasste Titel wirft außerdem die Frage auf, ob es richtig war, Superstar Moritz Fürste (UHC) zu Hause zu lassen. Das Hamburger Hockeyidol, Torschützenkönig der abgelaufenen Bundesligasaison, war vom Bundestrainer nicht berücksichtigt worden, da er nach Rio aus dem A-Kader zurückgetreten war.

Bei den Damen standen ebenfalls
sieben Olympia-Bronzemedaillengewinnerinnen von Rio im Aufgebot. Trotzdem galt Deutschland gegen die Niederländerinnen eher als Außenseiter. Der Titelverteidiger und Weltranglistenerste hatte das Turnier bis dahin dominiert, wohingegen die Deutschen im Viertelfinale gegen Polen (3:1) und im Halbfinale gegen Weißrussland (3:2) ziemlich kämpfen mussten.

WM immer in Berlin?

Doch Bundestrainer Akim Bouchouchi beschwor den Geist der EM von Prag – schon dort hatte Deutschland vor zwei Wochen das Endspiel gegen die Niederlande gewonnen. Nach dem WM-Sieg sagte er: „Unsere Mädels haben das super gemacht.“ Trotz eines Rückstandes kurz nach der Pause steckte die Mannschaft nicht auf. Die Mannheimerin Nike Lorenz besorgte per Siebenmeter den Ausgleich, ehe Anne Schröder vom Club an der Alster Deutschland mit einem Solo über das halbe Feld zum Weltmeister machte. Mit Lisa Altenburg stellten die Gastgeber zudem die beste Spielerin des Turniers.

Größter Gewinner war aber die Sportart Hockey selbst. Am Sonntag sorgten 8300 Zuschauer für einen neuen Besucherweltrekord – nie zuvor waren so viele Menschen beim Hallenhockey dabei gewesen. Das Event hat gezeigt, was möglich ist, wenn man die Sportart richtig verkauft. Es war ein deutliches Signal an den Weltverband FIH, der das Turnier in der Vergangenheit abschaffen wollte, weil es vor allem außerhalb Europas nicht den Stellenwert hat wie die Feldvariante. In einigen Hockeynationen wie Indien oder Pakistan spielt es überhaupt keine Rolle. In diesem Jahr sollte ursprünglich Argentinien die WM ausrichten, doch weil sich das Interesse auch dort in Grenzen hielt, sprang Deutschland ein, das schon 2015 in Leipzig Gastgeber gewesen war. „Auch der FIH ist nicht entgangen, wie Hallenhockey bei uns gefeiert wird“, sagte Janne Müller-Wieland und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Vielleicht sollte man die WM immer hier austragen.“