Hamburg. Markku Slawyk ist Landestrainer in Hamburg – und sicher, wer beim Final Four in Stuttgart gewinnen wird.

Als leitender Landestrainer, der er seit zehn Jahren ist, hat Markku Slawyk einen umfassenden Blick auf das Hockeygeschehen in Hamburg. Vor den Endrunden der Damen und Herren um die deutsche Hallenmeisterschaft, die an diesem Wochenende in Stuttgart ausgetragen werden (siehe Infokasten), spricht der 55-Jährige über die Chancen der vier Hamburger Teams, die Bedeutung der Hallenvariante und die Aussichten der Stadt, auch in zehn Jahren noch zu Deutschlands Spitze zählen zu können.

Herr Slawyk, vor zwei Jahren in Lübeck stand kein Hamburger Team in der Hallen-Endrunde, nun hat es die maximal mögliche Anzahl geschafft. Was ist passiert?

Markku Slawyk: Solche Ausreißer wie 2016 gibt es immer mal, das unterstreicht die Leistungsdichte im Hockey. Damals mussten die Hamburger im Viertelfinale gegen die Westclubs antreten. Dass dieses Jahr je vier Vertreter aus den Nord- und Weststaffeln kommen, beweist erneut, dass Hamburg und Nordrhein-Westfalen die wichtigsten Standorte des deutschen Hockeys sind.

Wer wird sich in diesem Jahr im Titelkampf durchsetzen?

Für mich sind die Damen des Clubs an der Alster der ganz heiße Titelfavorit. Sie haben den besten und breitesten Kader. Bei den Herren rechne ich mit einem Hamburger Finale zwischen Alster und dem Uhlenhorster HC, das ganz eng werden wird. Der UHC hat mit Titelverteidiger Rot-Weiß Köln im Halbfinale eine hohe Hürde, wird aber gewinnen. Da Alster aber das spielstärkste Team besitzt, lege ich mich fest: Alster wird in Stuttgart zwei Titel feiern.

Die UHC-Herren treten in dieser Saison mit einer Mischung aus jungen Wilden und ehemaligen Nationalspielern an. Ist das ein Modell für die Zukunft?

Es ist spannend zu sehen, wie gut die „Old Stars“ funktionieren. Die Qualität und Erfahrung, die sie haben, ist hoch. Und dass es für die meisten die letzte Chance auf einen Titel ist und auch Cheftrainer Kais al Saadi im Sommer aufhört, kann die entscheidenden Körner freisetzen. Dennoch ist das pauschal nicht auf andere Vereine zu übertragen.

Warum Hallenhockey so wichtig ist

Allerdings wird es Lösungen wie diese brauchen, damit Hallenhockey attraktiv bleibt, denn durch das neue Wettkampfformat Pro League auf dem Feld, das 2019 startet, werden die A-Nationalspieler mittelfristig keine Halle mehr spielen.

Darauf wird es wohl hinauslaufen. Es wird aber auch weiterhin eine Mischung aus jungen Talenten und Spezialisten geben, die gern in der Halle auflaufen. Hallenhockey bleibt spektakulär, auch wenn die A-Kader-Spieler nicht teilnehmen, und das ist gut und sehr wichtig.

Warum ist Hallenhockey in Deutschland so viel wichtiger als in anderen Nationen?

Weil wir wissen, wie wichtig es für die Ausbildung ist. In der Halle haben die Spieler viel häufiger Entscheidungssituationen zu bestehen. Dadurch lernen sie Handlungsschnelligkeit. Für die technische und die persönliche Entwicklung ist Hallenhockey Gold wert. Das sehen nicht nur wir in Deutschland so. Ich bin sicher, dass der Stellenwert des Hallenhockeys in Zukunft weltweit steigt. Aber wir sind durch das Wetter gezwungen, im Winter in der Halle zu spielen. Deshalb ist die Hallenserie bei uns traditionell so wichtig und angesehen.

Die Attraktivität des Hallenhockeys ist auch an den Zuschauerzahlen abzulesen. Müsste der Verband das nicht stärker würdigen und die Halle mehr fördern?

Tatsächlich waren die Zuschauerzahlen und die Atmosphäre in den Hallen in dieser Saison sensationell. Und durch die technisch hervorragenden Live­streams, die es mittlerweile gibt, wird die Popularität noch wachsen. Dennoch ist der Verband in einer sehr schwierigen Lage, denn der Weltverband setzt alles aufs Feldhockey, die Förderung hängt einzig am Abschneiden der Nationalteams auf dem Feld. Der DHB ist abhängig vom internationalen Terminkalender, und Feldhockey ist unser Kerngeschäft. Deshalb sage ich: Man muss die Wertigkeit des Hallenhockeys beachten, aber auch in Perspektive setzen.

Mehr Zuschauer bei regionalen Derbys

Ein Kompromiss, um die Hallensaison zu straffen und damit Topspielern die Teilnahme zu erleichtern, könnte sein, die Einteilung in vier Regionalstaffeln zu kippen und in einer eingleisigen Liga wie im Feld zu spielen. Das könnte auch das Niveau heben. Keiner braucht 22:0-Siege wie den von Alsters Damen gegen Braunschweig ...

Das stimmt, aber dennoch halte ich das aktuelle Modell für gut, weil ich für die Vereine mehr Vor- als Nachteile sehe. Die Aufteilung in vier regionale Sechserstaffeln ermöglicht es mehr Vereinen, sich als Bundesligist zu vermarkten. Außerdem sind regionale Derbys oft zuschauerträchtiger als Partien zwischen Hamburg und Mannheim oder Köln. Viel wichtiger ist, dass wir die Bundesliga attraktiver machen. Die Vereine müssen mehr Komfort bieten, den Eventcharakter erhalten und es schaffen, dass das Produkt Hallenhockey auch unabhängig von den Topspielern funktioniert. Und das wird gelingen, weil der Sport einfach geil ist!

Hamburg ist traditionell bei Endrunden stark vertreten. Warum ist Hockey hier seit vielen Jahren so erfolgreich?

Zum einen ist die Stadt für junge Menschen attraktiv. Vor allem aber ist die Hockeytradition in Hamburg groß, der Sport hat in der Stadt einen enormen Stellenwert, der sich dadurch zeigt, dass Hockey eine der Schwerpunktsportarten ist. Wir haben starke Vereine mit einer Vielzahl an guten Trainern, die erkannt haben, wie wichtig es ist, einen funktionierenden Unterbau zu haben. Eine starke Jugendarbeit leisten mittlerweile die meisten unserer Vereine.

Was leistet denn der Hamburger Verband, um das Reservoir an Talenten weiter aufzufüllen?

Wir identifizieren durch Sichtung und Förderung in der Altersklasse U 12 die Talente und entwickeln sie mit den Vereinen über die Jahre weiter. Diese Vernetzung ist immens wichtig. Mit Marc Herbert als Bundesstützpunkttrainer, Nils Leest als Jugendlandestrainer und mir sind wir im Verband gut aufgestellt.

Feldhockey soll ganzjährig gespielt werden

Dennoch hat Hamburg auch Defizite, es fehlt zum Beispiel eine Möglichkeit, auch im Winter Feldhockey zu spielen, wie Mannheim sie hat.

Das halte ich für einen entscheidenden Punkt, an dem wir uns weiterentwickeln müssen. In Mönchengladbach ist ein solches Landesleistungszentrum in Planung, und wir brauchen das ebenfalls. Nicht nur, um Feldhockey ganzjährig spielen zu können, sondern auch, um Athletik- und Krafttraining mit dem Technik- und Spieltraining zu vereinen und dadurch vernünftige Lehrgänge für die Nationalteams anbieten zu können.

Außerdem gibt es in Hamburg außerhalb der Ballungszentren im Westen und Nordosten einige weiße Flecken. Müsste Hockey sich nicht noch breiter aufstellen, auch mehr Talente aus schwächeren sozialen Schichten oder aus Migrantenkreisen anziehen?

Auf jeden Fall. Ganze Bereiche, wie zum Beispiel der Bezirk Bergedorf, sind unterrepräsentiert. Da liegt noch eine Menge Potenzial, das wir heben können – und heben müssen, wenn wir auch in zehn oder 20 Jahren noch vier Teams zur Endrunde schicken wollen.