Hamburg. Radprofi Nikias Arndt führt das Team Sunweb in dieser Woche in die Tour Down Under und will bei Klassikern und Tour de France glänzen.

Es sagt einiges über seinen Charakter, dass Nikias Arndt die wichtigste persönliche Neuerung für die Saison 2018 als Nebenaspekt verkauft. Als in der Nacht zu diesem Dienstag im australischen Adelaide die Tour Down Under gestartet wurde, führte der Radprofi aus Buchholz in der Nordheide das Team Sunweb als Kapitän an. Großes Aufheben wollte er davon jedoch nicht machen. „Ich wurde von der Mannschaft als einer derjenigen ausgewählt, die unseren erfahrenen Kapitänen Johannes Fröhlinger und Roy Curvers mittelfristig nachfolgen können. Für mich ist das eine große Ehre und Herausforderung gleichermaßen“, sagt Arndt. Er darf seine Mannschaft durch das Sechs-Etappen-Rennen in Südaustralien führen.

Dass man ihm in seinem deutschen Team, das aktuell aus 23 Profifahrern aus sechs Nationen besteht und eine niederländische Führung hat, ein solches Vertrauen entgegenbringt, freut den 26-Jährigen. Verwundern tut es niemanden, immerhin hat sich Nikias Arndt in den vergangenen beiden Jahren nicht nur durch Leistung in den Vordergrund gefahren. Sein Etappensieg beim Giro d’Italia 2016 und der nur knapp verpasste Tagessieg bei seiner ersten Teilnahme an der Tour de France im vergangenen Jahr hatten ihm zwar Rampenlichtmomente verschafft. Durch seine ruhige und besonnene Art der Rennführung aber hat sich der sprintstarke Allrounder die Anerkennung seiner Kollegen erarbeitet.

„Das Team hat super gearbeitet“

Wie sich seine Rolle durch das neue Amt verändert, kann der Wahlkölner, der als 13-Jähriger ans Cottbuser Radsportinternat gewechselt war, noch nicht genau abschätzen. „Ich werde mich daran gewöhnen müssen, dass ich nun derjenige bin, der die Ansagen macht und die Taktik umsetzen muss. Ich muss im Rennen die Kontrolle behalten und die Rennentscheidungen treffen“, sagt er. Das bedeutet auch, dass er die Zielsprints nicht mehr selbst ausfährt, sondern für die anderen Spezialisten im Team wie den Australier Michael Matthews (27) oder Phil Bauhaus (23/Bocholt) anzieht. Sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen ist ihm allerdings noch nie schwergefallen.

Beim Prolog der Tour Down Under, einem Kriterium in Adelaide über 50,6 Kilometer am vergangenen Sonntag, das traditionell den Saisonstart bildet, funktionierte das schon recht gut. „Das Team hat super gearbeitet, wir sind ein starkes Rennen gefahren. Leider wurde unser Phil im Sprint dann ganz schön weggeboxt, sodass das Ergebnis gefehlt hat. Aber ich bin für die kommenden Tage sehr zuversichtlich, dass wir Erfolg haben werden“, sagt Arndt, der mit 35 Sekunden Rückstand auf Sieger Peter Sagan (Slowakei) auf Rang 80 über den Zielstrich rollte.

Aktive Erholung und harte Arbeit

Um für die Herausforderungen des neuen Jahres gewappnet zu sein, hatte der 188 Zentimeter große Athlet in der rennfreien Zeit auf eine Mischung aus aktiver Erholung und harter Arbeit im athletischen und Ausdauerbereich gesetzt. „Es ist wichtig, mal komplett vom Radfahren abzuschalten, wenn man so viel unterwegs ist wie wir“, sagt er. Das Renngerät in die Ecke zu stellen gelinge ihm allerdings nur, wenn er im Urlaub verreise. Im Oktober ging es nach Fuerteventura. Anfang November verband er Angenehmes mit Nützlichem, als er in Shanghai (China) und Tokio (Japan) bei zwei Einladungsrennen antrat, zu denen er seine Freundin mitbringen durfte. „Asien hat uns immer schon interessiert, nun konnten wir die Gelegenheit nutzen, gemeinsam dort hinzureisen. Das war, trotz der Rennen, eine schöne Verlängerung des Urlaubs.“

Als Mitte November die Vorbereitung startete, legte Arndt wie üblich den Fokus auf Kraft und Ausdauer. „Im Training selbst haben wir nicht viel umgestellt. Ich hatte Anfang vergangenen Jahres teamintern den Trainer gewechselt, das hat gut funktioniert, also haben wir es beibehalten“, sagt er. Sich als Fahrer weiterzuentwickeln, das steht für ihn im Vordergrund. „Technisch und taktisch habe ich 2017 extrem viel gelernt. Nun möchte ich aber auch Ergebnisse sehen!“, sagt er.

Augenmerk auf den Frühjahrsklassikern

Bis zur Tour de France, die in diesem Jahr vom 7. bis 29. Juli ausgetragen wird, steht die grobe Saisonplanung für den Buchholzer, der nur noch wenige Wochen im Jahr in der Heimat verbringt, fest. Besonderes Augenmerk will er auf die Frühjahrsklassiker legen. Arndt startet beim Tirreno-Adriatico in Italien (7. März), in Belgien bei Gent – Wevelgem (25. März), der Flandern-Rundfahrt (1. April) sowie in Frankreich bei Paris – Roubaix (8. April). „Das sind die schwersten Rennen des Jahres, dort gut abzuschneiden ist sehr wichtig für mich“, sagt Arndt. Bei den Eintagesrennen darf er auch selber auf Sieg fahren.

Und dann ist da natürlich noch die Rechnung, die er mit der Tour de France offen hat. Mehr als 190 Kilometer war er 2017 auf der 19. Etappe mit einer Ausreißergruppe in Richtung des Zielorts Salon-de-Provence gefahren und sah sich als Topsprinter schon über den Tagessieg jubeln. Doch zwei Kilometer vor dem Ziel musste er den Norweger Edvald Boasson Hagen ziehen lassen und wurde Zweiter. „Natürlich ist dieser Moment bitter, weil man nie weiß, wann so eine Chance wiederkommt. Aber ich habe an dem Tag vieles richtig gemacht, und solange mir der Tour-Etappensieg fehlt, werde ich es immer wieder versuchen“, sagt er.

Der nächste Anlauf folgt also in diesem Jahr, und Nikias Arndt wird ein reiferer Fahrer sein. Ob ihm das hilft, wird sich zeigen. Im Vordergrund steht aber sowieso der Erfolg des Teams. Etwas anderes verbietet ihm sein Charakter.