London. 29 Jahre alter Landschaftsgärtner verliert Zweitrundenduell bei der WM in London und träumt doch von der Profikarriere.

Sie hatten ihn angefeuert und mitgefiebert. Sie trugen rosafarbene Einhornkostüme oder Lederhosen, und immer wieder riefen die Zuschauer seinen Namen – Kevin Münch. Doch eben jener Kevin Münch stand wenig später am Mittwochabend enttäuscht auf der Bühne im Londoner Alexandra Palace. Mit 1:4 hatte der Bochumer in der zweiten Runde der Darts-WM gegen den Spanier Toni Alcinas verloren und somit die Chance verpasst, als erster Deutscher ins Achtelfinale einzuziehen.

Münch wirkte enttäuscht, Münch wirkte ratlos, als er kurz darauf vor die Mikrofone der Reporter trat. „Ich bin überhaupt nicht ins Spiel gekommen und hatte die ganze Zeit kein gutes Gefühl“, sagte der 29-Jährige. Er hätte diese Sätze nicht einmal sagen müssen, die leeren Augen und die herab- hängenden Mundwinkel waren aussagekräftig genug.

Stark aufgelegter Gegner

Bei seinem feierlichen Einlauf in die Halle im Londoner Stadtbezirk Haringey hatte Münch eine knappe Stunde zuvor noch seine Freundin im Publikum entdeckt und ihr einen Kuss auf die Lippen gedrückt. Als die Zweitrundenpartie wenige Minuten darauf startete, war allerdings ein anderer am Drücker: Toni Alcinas, der 38-jährige Spanier. Er eröffnete die Partie mit einer 180 – der Höchstpunktzahl, die man mit den drei Pfeilen erreichen kann. Münch dagegen begann fahrig und nervös. Er lief seinem stark aufgelegten Gegner beinahe in allen Legs hinterher. Ein Durchschnitt von nur 81,94 Punkten bei drei Darts war gegen den Spanier (91,8) zu wenig.

Nach dem Aus des Landschaftsgärtners schaffte es auch im 25. WM-Jahr kein Deutscher in die Runde der letzten 16. Dabei war der Großteil der knapp 3000 Zuschauer auf der Seite des Außenseiters. Alcinas trifft am Donnerstag im Achtelfinale auf den Engländer Darren Webster. Und Münch? Der hatte durch seinen überraschenden Erstrundensieg über den zweimaligen Weltmeister Adrian Lewis Bekanntheit erlangt. Seine Leistung bei der WM wertete er trotz des Zweitrunden-Aus als Erfolg. „Es hat ja keiner damit gerechnet, dass ich gegen Lewis gewinne. Deshalb wird Darts-Deutschland nicht untergehen.“

Draußen singen sich die Fans warm

Finanziell hat sich der WM-Start in jedem Fall gelohnt. Allein die Qualifikation hatte ihm bereits umgerechnet rund 12.400 Euro eingebracht. Mit der Zweitrundenteilnahme kommt er auf etwa 21.000 Euro. Insgesamt werden rund zwei Millionen Euro ausgeschüttet, der Sieger erhält 450.000 Euro. Auf diesen Pott kann sich weiterhin Phil Taylor Hoffnungen machen. Aber dem 57-Jährigen geht es um mehr. Die Darts-WM 2017 steht ganz im Zeichen des Abschieds des 16-maligen Rekordweltmeisters. Der Brite hängt seine Profipfeile an die Wand. Sein größter Traum: seine endlose Karriere mit einem letzten Triumph krönen. Dafür muss Taylor heute Abend (ab 20 Uhr/Sport1) Landsmann Keegan Brown ausschalten.

Phil Taylor wird sie vermissen, diese Bühne im Londoner „Ally Pally“, in dessen Innern, an den Wänden des Presseraums, Bilder von halb nackten muskulösen Männern angebracht sind. Männer, die so gar nichts mit denen zu tun haben, die auf der Bühne des Alexandra Palace hoch oben über den Lichtern der Stadt stehen. Doch jene bierbäuchigen Männer, jene mit Tattoos und Irokesenfrisuren, jene „Normalos“ werden von den Fans verehrt. Vor dem Haupteingang bilden sich jedes Mal lange Schlangen. Einige fragen noch nach Tickets, andere singen, auf Holländisch, Englisch, Deutsch – sie machen sich warm für den Wahnsinn im Innern, für die Megaparty.

Umzug in andere Halle angedacht

Nach der vergangenen Weltmeisterschaft dachten die Veranstalter über einen Umzug in die dreimal größere West Hall nach. Etwas mehr als 10.000 Zuschauer fasst die Halle. Doch zu groß schien das Risiko, vor einer spärlich gefüllten Halle zu stehen. Denn das gehört dazu wie der Caller, der fortwährend die „Onehundredeighteen“ in die Menge raunt: eine Stimmung wie in einer kleinen Kneipe zu Silvester. Für Kevin Münch ist die Party zumindest für dieses Jahr vorbei. Er will weitermachen, sich für die PDC-Tour bewerben, in England spielen. Bis April hat ihn sein Chef freigestellt. „Wenn es nicht klappt, dann nicht“, sagt er. Dann kehre er wieder zurück in seinen Beruf als Landschaftsgärtner.

Eine Option, die für Phil Taylor nicht infrage kommt. Er kann von seinen Preisgeldern gut leben.