Hamburg. Hamburgs Basketballer, Eishockeyspieler und Handballer können mit gestiegenen Saisonetats die nächsten sportlichen Schritte planen.

Die Antworten fielen fast immer gleich aus. Nein, wir haben momentan kein Interesse am Sponsoring. Nein, wir planen keine Bandenwerbung in Hallen oder Stadien. Nein, wir stellen derzeit keine Arbeits- oder Ausbildungsplätze für Spitzensportler und Talente zur Verfügung. Das war das Ergebnis einer Abendblatt-Umfrage bei den 50 größten Hamburger Unternehmen im Jahr 1999. Ein Engagement im Spitzen- oder Breitensport schien in den Konzernzentralen kein Thema.

18 Jahre, zwei gescheiterte Olympiabewerbungen und den Bau der Multifunktionsarena am Volkspark (Eröffnung im November 2002) später hat sich die Situation grundlegend gewandelt. Sport ist heute in Hamburg ein Wirtschaftsfaktor. Aus einer geschätzten Wertschöpfung von 1,4 Milliarden Euro im Jahr resultiert ein Steueraufkommen von etwa 140 Millionen Euro für den städtischen Haushalt. Vereine, Verbände, Veranstaltungen wurden in den vergangenen Jahren über Sponsorleistungen, Bandenwerbung, Partnerschaften und Werbepakte jede Saison mit rund 45 Millionen Euro unterstützt.

Die Stiftung Leistungssport der Stadt Hamburg und der Handelskammer förderte 2016 die Nachwuchsarbeit der Verbände mit rund 200.000 Euro, die Alexander-Otto-Sportstiftung schüttet jährlich mittlere sechsstellige Beträge vornehmlich für den Breiten- und Behindertensport aus. In einer Metropolregion mit nur einem ansässigen DAX-Unternehmen (Beiersdorf AG) und 97,5 Prozent mittelständischer Betriebe mit weniger als 250 Mitarbeitern – 90 Prozent haben 20 oder weniger Angestellte – sind das respektable Zahlen.

Towers, Handballer und Crocodiles erhöhen ihre Etats

Die Fußball-Bundesligaclubs HSV und FC St. Pauli (2. Liga) sind mit Werbeeinnahmen von zusammen mehr als 30 Millionen Euro die größten Profiteure des Sinneswandels, aber auch die Zweitliga-Basketballer der Hamburg Towers und die Drittligavereine Handball Sport Verein (HSV) Hamburg und Crocodiles im Farmsener TV Hamburg registrieren wachsenden Zuspruch aus der regionalen Wirtschaft. Alle drei Clubs haben zur laufenden Spielzeit ihren Etat erhöht. Ihre Projekte stoßen im Mittelstand auf zunehmendes Interesse.

Nach der Ende November 2015 gescheiterten Olympiabewerbung für die Sommerspiele 2024/2028 musste der Hamburger Spitzensport in den nächsten Monaten weitere Rückschläge hinnehmen. Die HSV-Handballer, 2011 deutscher Meister, 2013 Champions-League-Sieger, meldeten Insolvenz an, die US-amerikanische Anschutz Gruppe (AEG) zog ihre Hamburg Freezers nach 14 Jahren – und angeblich 50 Millionen Euro Verlust – aus der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zurück, das Volleyballteam Aurubis entschloss sich nach dem Ausscheiden des Hauptsponsors und Namensgebers zu einem Neubeginn in der Zweiten Bundesliga Nord. Alle drei Teams hätten gerettet werden können. Partner aus der Wirtschaft standen für eine Weiterführung auf Erstliganiveau bereit. In allen drei Fällen entschieden sich am Ende die Hauptgesellschafter/Eigner für den Crashkurs.

Freezers-Nachfolger Crocodiles und die Handballer haben inzwischen einen beachtlichen Neustart hingelegt. Den Crocodiles (Etat 750.000 Euro) gelang es als erstem Verein, das renommierte Hamburger Transport- und Logistik-Unternehmen Hapag-Lloyd als Hauptsponsor zu gewinnen. Der Handball Sport Verein konnte sein Budget auf 1,5 Millionen Euro, 400.000 Euro davon für die Nachwuchsarbeit, steigern – Ligarekord genauso wie der Zuschauerschnitt von mehr als 3000. Die Hamburg Towers (Besucherschnitt 3100) wiederum nähern sich beim Etat der Zwei-Millionen-Euro-Grenze. Wie den Handballern fehlt den Wilhelmsburgern ein Hauptsponsor für die nächsten sportlichen Schritte. Allein das Volleyballteam Hamburg (Etat: 200.000 Euro) hat sich finanziell noch nicht von dem sportlichen Absturz erholt.

Vermarktungsagenturen unterstützen Towers und HSV

Peter Berg ist Geschäftsführer der Agentur More than Sports. Die GmbH wurde vor drei Jahren gegründet, um die Vermarktung der Hamburg Towers neu zu strukturieren. Zwei Mitarbeiter kümmern sich in Vollzeit um die Basketballer; Grafiker und andere Fachleute werden bei Bedarf hinzugezogen. „Wir haben ein starkes sportliches Produkt, das aus der Sozialarbeit kommt. Wir können interessante Geschichten erzählen, basteln für die Unternehmen individuelle Angebote, genau auf ihre betrieblichen Bedürfnisse zugeschnitten. Das kommt an“, sagt Berg. Auf 59 Partner, vom Zwei-Mann-Betrieb bis zum internationalen Energieversorger Vattenfall, können die Basketballer derzeit zählen, regelmäßig kommen neue hinzu. „Dass unsere Story stimmig ist, erkennen wir daran, dass die meisten Sponsoren ihre Verträge verlängern, zum Teil zu für uns besseren Konditionen“, sagt Berg. Zum mittelfristig angestrebten Erstligaaufstieg und einem dann benötigten Mindestumsatz von drei Millionen Euro fehlt den Towers ein Hauptsponsor. 500.000 Euro haben sie für diese Premium-Kategorie angesetzt. Berg arbeitet daran.

Auch die Handballer haben sich in der Hamburger Wirtschaft wieder zu einem geschätzten Partner entwickelt. Marketingchef Sebastian Frecke freut sich über sieben Premium-Sponsoren und insgesamt 100 Partner, wozu er auch Kunden mit einer VIP-Dauerkarte (Mindestpreis 800 Euro) zählt. Unterstützt wird er von Europas größtem Sportvermarkter Lagardère, der aber erst nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga mit einer Vollzeitkraft in die Akquise einsteigen will.

Derzeit gehen 80 Prozent der Abschlüsse auf Freckes Konto, wobei es ihm gelungen ist, 60 Prozent der Sponsoren aus der HSV-Bundesliga-Ära wieder für den Handball zu begeistern – natürlich zu kleineren Preisen. Im September musste der Club in der Sporthalle Hamburg bei seinen Heimspielen einen zweiten VIP-Raum eröffnen. „Der Ruf ist repariert, unser Projekt findet viel Zustimmung. Wir haben aber Potenzial in allen Bereichen, selbst beim Ticketing. Auch wenn die Sporthalle stets sehr gut besucht ist, bis zu 800 Karten könnten wir mehr verkaufen“, sagt Frecke. Viele Unternehmen hätten jedoch kein Budget für die Dritte Liga, für die Zweite Bundesliga dann schon.

Selbst die HG Hamburg-Barmbek, Aufsteiger in die 3. Handball-Liga Nord, steht kurz davor, den angestrebten Etat von 150.000 Euro zu realisieren. „Uns fehlt wegen unserer ehrenamtlichen Strukturen oft die Manpower, um alle Sponsorenkontakte abzuarbeiten“, sagt Jürgen Hitsch, der sportliche Leiter. Viel Aufwand fordern andere Probleme, beispielsweise die Reinigung der Sporthalle Wandsbek. Um das Kunstharz der Handballer vom Boden zu wischen, stellte die beauftragte Firma den Barmbekern pro Spiel 2000 Euro in Rechnung. Hitsch: „Das übersteigt unsere Zuschauereinnahmen bei Weitem.“

In Berlin haben die sechs Proficlubs Hertha BSC, 1. FC Union (beide Fußball), Eisbären (Eishockey), Alba (Basketball), Füchse (Handball) und BR Volleys (Volleyball) vor fünf Jahren eine Interessengemeinschaft gegründet. „Uns ist es dadurch gelungen, die Beachtung der Wirtschaft für den hiesigen Spitzensport neu zu entfachen und wachzuhalten“, sagt Kaweh Niroomand, Manager des deutschen Meisters Berlin Volleys und Sprecher des Bündnisses. Rund 90 Prozent der Etats der sechs Spitzenclubs steuere heute die regionale Wirtschaft bei. Die ist ebenso mittelständisch wie die Hamburger, Berlin hat nicht mal ein DAX-Unternehmen.

Heute Abend 33. Sportforum

Zum Thema „König Fußball hat alles im Griff – wie können andere Sportarten kreativ reagieren?“ diskutieren Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste, Basketball-Vereinsgründer Marvin Willoughby und Handball-Ikone Martin Schwalb heute, Beginn 20.05 Uhr, live bei NDR 90,3, beim 33. Hamburger Sportforum von NDR 90,3, dem Abendblatt und dem „Hamburg Journal“.