Hamburg. Am Sonnabend steht der Cruisergewichtler in Berlin vor einem Alles-oder-Nichts-Kampf gegen Olympiasieger Oleksandr Usyk.

Notlösung? Conny Mittermeier braust auf, wenn er diese Bezeichnung hört. Er, eine Notlösung? Natürlich nicht! Er wäre doch nie zurückgekehrt, wenn er nicht die volle Kontrolle hätte und das uneingeschränkte Vertrauen spüren würde. Und außerdem, dass Marco Huck gern wieder mit Ulli Wegner zusammengearbeitet hätte, dem Coach, der ihn 2009 zum ersten Weltmeistertitel im Cruisergewicht geführt hatte, sei eine Falschmeldung gewesen. „Das hat Marco mir versichert“, sagt der 55-Jährige, „er will wieder mit mir arbeiten, das spüre ich!“

Anfang Februar 2016 hatte das noch anders geklungen. Damals war der Boxtrainer Mittermeier aus dem Trainingslager des Berliners im Harz abgereist, wenige Tage vor dessen Comeback gegen den Nigerianer Ola Afolabi. Huck hatte ein halbes Jahr zuvor seinen WM-Titel an den Polen Krzysztof Glowacki verloren, sich von seinem US-Trainer Don House getrennt – und er war auf der Suche nach neuen Impulsen. Mittermeier, ein anerkannter Fachmann, der einige Jahre für den Hamburger Universum-Stall gearbeitet hatte und in Stuttgart seine eigene Boxschule leitet, konnte diese geben, er wollte jedoch keine Marionette sein, die vom bisweilen beratungsresistenten Huck herumgeführt wird. Also ging er, als es ihm zu bunt wurde, und nur seine gute Kinderstube verbat es ihm, öffentlich deutliche Worte dazu zu verlieren.

Huck steht vor einem Alles-oder-Nichts-Kampf

Auch jetzt, da Marco Huck an diesem Sonnabend (22.15 Uhr/Sat.1) in der Berliner Schmeling-Halle vor einem Alles-oder-Nichts-Kampf steht, will Mittermeier über Vergangenes nicht mehr sprechen. Im Viertelfinale der neuen World Boxing Super Series trifft sein 32 Jahre alter Schützling auf den ukrainischen Olympiasieger Oleksandr Usyk (30), der als neuer Superstar im Cruisergewicht und damit als Favorit gehandelt wird. „Wir müssen uns jetzt auf diese Aufgabe konzentrieren“, sagt der Coach, und er will mit gutem Beispiel vorangehen.

Außerdem gebe es im zweiten Anlauf ihrer Zusammenarbeit nichts zu kritisieren. „Marco hört auf das, was ich sage, er hat, seit ich ihn vor fünf Wochen übernahm, hart gearbeitet, und er hat verstanden, dass ich nicht nur hier bin, um ihn fit zu machen, sondern weil ich ihm auch boxerisch noch etwas beibringen kann“, sagt er. Huck, der im November 2016 den Ukrainer Dmytro Kucher nach Punkten besiegte und im April dem Letten Mairis Briedis deutlich nach Punkten unterlag, wolle zudem endlich Konstanz im Trainerstab. Mittermeiers Nachfolger Varol Vekiloglu musste nach dem Kucher-Kampf gehen, dessen Nachfolger Oktay Urkal war nach dem Briedis-Kampf schon wieder Geschichte.

Mittermeier will den Taktiker in Huck herauskitzeln

Demut ist zwar noch immer keine Tugend, die man mit dem gebürtigen Serben in Verbindung bringt. Aber Mittermeier ist überzeugt davon, dass Huck im Nachhinein seine Arbeit vor dem Afolabi-Kampf, in dem der als Haudrauf verschrieene Profi phasenweise als bedächtiger Taktiker glänzte, zu schätzen gelernt hat. Deshalb empfindet er sein zweites Engagement auch nicht als zweite Chance. „Marco hat ja die erste Chance mit dem Sieg über Afolabi genutzt“, sagt er.

Mittermeier weiß, dass nicht viele Huck einen Sieg gegen Usyk zutrauen. Genau das sei allerdings die Motivation, die seinem Schützling den nötigen Erfolgshunger zurückbringen könnte. „Marco steht mit nichts da, all seine Erfolge sind Vergangenheit. Er hat keine Lorbeeren, auf denen er sich ausruhen kann. Ich schreibe ihn aber niemals ab“, sagt er. Und was, wenn es schief geht und in der Konsequenz wieder der Trainer gehen muss?

„Ich habe nichts zu verlieren“, sagt Conny Mittermeier, „ich bin kein Sieggarant und kann einen Jagdhund nicht zum Jagen tragen. Aber wenn Marco alles gibt, was er hat, dann wird er Gewinner sein, selbst wenn es nicht zum Sieg reicht.“ Er wisse außerdem, was er selbst könne, auch wenn manche in ihm den ewigen Feuerwehrmann sehen, der zu retten versucht, wenn kein anderer mehr retten will. Besser als eine Notlösung ist er allemal.