Hamburg. Der Hamburger Promoter hat schon mehrere Millionen ins Profiboxen investiert. Am Freitag will er die größte Halle der Stadt füllen.

Seit Wochen ist Hamburg voll plakatiert mit Werbung für den Cruisergewichtskampf zwischen Mario Daser und Ola Afolabi. Der Mann, der mit diesem Boxduell am Freitag (18.30 Uhr/live bei Hamburg 1 und ranfighting.de) die Barclaycard Arena füllen will, heißt Erol Ceylan. Vor acht Jahren stieg der 45-Jährige ins Profiboxen ein, die große Bühne betritt er aber erst jetzt. Es ist der erste Boxkampf in Hamburgs größter Sporthalle, seit im November 2014 Wladimir Klitschko Kubrat Pulev ausknockte. Und viele fragen sich nun, ob es schlau, mutig oder einfach nur verrückt ist, mit einem deutschen Nobody und einem Nigerianer, der viermal an Marco Huck scheiterte, eine solche Bühne bespielen zu wollen.

Um diese Frage zu beantworten, muss man Ceylans Lebensweg kennen. Als Jugendlicher im damaligen Pro­blemstadtteil Wilhelmsburg, wo der Vater einen Lebensmittelladen führte und anderen Türken bei ihrer Steuererklärung half, trug er Zeitungen aus und jobbte auf Wochenmärkten. „Ich kam mit Leuten aus allen Milieus in Kontakt und musste auch lernen, mich zu behaupten“, sagt Ceylan. Weil er Taekwondo beherrschte, gelang ihm das Behaupten so gut, dass er sich Ende der 80er-Jahre zu einem der Anführer einer berüchtigten Jugendgang durchgeschlagen hatte.

Ceylan war Chef einer Jugendgang

1991 kam es in der Gruppe jedoch zum Bruch, weil eine Hälfte der Mitglieder ins Drogenmilieu abdriftete. Ceylan löste daraufhin die Gang auf. „Ich habe Drogen schon immer gehasst. Am meisten verachte ich die, die Drogen verkaufen und damit am Elend anderer verdienen“, sagt er. Mit der Hilfe seiner Frau Alexandra, einer Deutschen mit serbisch-kroatischen Wurzeln, mit der er heute in Eißendorf lebt und zwei Töchter (18 und 24) hat, schaffte er den Weg aus der Krise. „Sie hat mein Leben gerettet, weil sie mich aus dem schwierigen Umfeld rausgezogen hat“, sagt er.

Sein neuer Antrieb sei gewesen, Gutes zu tun. „Ich wünsche mir, dass die Menschen später zu schätzen wissen, was ich geleistet habe“, sagt er. Mit diesem Antrieb stürzte er sich als 20-Jähriger in die Selbstständigkeit. Mit seinem Bruder arbeitete er zwei Jahre als Großbäcker, belieferte Dönerläden mit Fladenbroten. Danach baute er sich mit hohem finanziellen Risiko ein Speditions- und Logistikunternehmen auf. Zeitweise organisierte er 100 Sattelzüge und 250 Auflieger, mit denen Holz oder Tiefkühlkost durch Europa verschickt wurde. 13 Firmen baute Ceylan seit 1991 auf.

Ceylan baut auch ein Hotel

Aktuell engagiert er sich neben der Logistik im Immobiliensektor und baut an seinem Firmensitz im Normannenweg, wo er ein 400 Quadratmeter großes Gym für seine Boxer besitzt, ein Hotel. Aus dem Gang-Anführer von einst ist ein Unternehmer geworden, der sich als „Kaufmann durch und durch“ beschreibt. Da Geld für ihn angesichts eines Jahresumsatzes von 25 Millionen Euro irgendwann kein Antrieb mehr war, suchte er nach Wegen, Leidenschaft und Geschäft zu verbinden. Mit einem von ihm vertriebenen Energydrink war er als Sponsor in den Sport eingestiegen. Er hatte sich im Fußball als Spielerberater für serbische Profis versucht, wurde aber „von der fehlenden Loyalität in diesem Geschäft“ abgeschreckt, sodass er es 2009 lieber im Profiboxen versuchen wollte.

Ein verwegener Gedanke angesichts der bisweilen zwielichtigen Gesellschaft rund um die Ringe. Aber für Ceylan, der die ehrliche Ansprache schätzt und Kämpfe auf Augenhöhe anbietet, ohne seine eigenen Boxer übermäßig zu protegieren, passte das. Er gab bei größeren Ställen aussortierten Kämpfern Chancen, beklagte sich nicht, wenn diese dann abwanderten, sobald sie anderswo mehr verdienen konnten, und schaffte es auf diese Art, sich national und international einen ordentlichen Namen zu machen.

Der Traum, einen Weltmeister zu machen

Der Preis, den er dafür zahlte, ist jedoch beträchtlich. Einen mittleren einstelligen Millionenbetrag hat er seit 2009 in seinen Stall investiert. Im März stand EC Boxing kurz vor dem Durchbruch, ein TV-Vertrag – die Basis für wirtschaftlichen Erfolg – über sechs Kämpfe mit einem skandinavischen Sender war ausgehandelt. „Doch dann verlor mein Zugpferd, mein schwedischer Schwergewichtler Adrian Granat, durch K. o. gegen Alexander Dimitrenko, und das war es dann mit dem Vertrag.“

Die Veranstaltung in der Barclaycard Arena sollte das erste Event unter dem neuen Fernsehsender werden, „wir wollten einen richtigen Knalleffekt bieten“, sagt Ceylan. Nun sitzt er da mit einer auf 6000 Plätze bestuhlten Halle, für die bislang erst rund die Hälfte der Tickets verkauft sind. Mehr als eine halbe Million Euro wird der Abend kosten, die Einnahmen aus Ticketing, TV-Rechtevermarktung und Sponsoring werden das nicht ansatzweise einspielen.

Aufgeben ist keine Option

Absagen war dennoch nie eine Option. Zum einen, weil der angeblich mit einer Kiesfirma zu Wohlstand gelangte Hauptkämpfer Daser als Co-Promoter auftritt und einen Teil der Kosten übernimmt. Zum anderen, weil Aufgeben für Ceylan niemals eine Option ist, solange der Kampf nicht aussichtslos scheint. „Ich mache mittlerweile lieber zwei richtig große Kampfabende im Jahr als sechs mittelmäßige“, sagt er. Außerdem wolle er in seiner Heimatstadt Hamburg immer etwas mehr geben als anderswo. „Hamburg hat großes Boxen verdient“, sagt er.

Die Hoffnung, irgendwann einen Weltmeister zu haben, „am liebsten natürlich im Schwergewicht“, lässt ihn durchhalten. Sein Investment ins Boxen sieht der gläubige Moslem auch als soziales Engagement. Tatsächlich hilft er, wo er kann. Dem nach einem Unfall schwerstbehinderten Schwergewichtler Denis Boytsov zahlte er mehrere Behandlungen und dessen Familie für einige Monate eine Wohnung. Nach der Trauerfeier für den verstorbenen Weltmeistertrainer Fritz Sdunek richtete er den Leichenschmaus aus. „Ich möchte etwas von dem zurückgeben, was mir das Leben gegeben hat“, sagt er.

Sein Ventil hat Erol Ceylan darin gefunden, dass er selbst in den Ring steigt und kämpft, nach Regeln und zum Spaß. Sein nächster Kampf steht allerdings am Freitag bevor, auf der großen Bühne der Barclaycard Arena, im Licht der Öffentlichkeit. Und er ist sich sicher, dass ihn sein Leben gut vorbereitet hat auf diesen Moment.