Hamburg. Kristin Möller liebt das Maximum an Herausforderung beim Ironman. In Hamburg möchte sie die neun Stunden unterbieten.

Eigentlich wollte Kristin Möller als Hindernisläuferin an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen teilnehmen. Doch dann beendete ein Ermüdungsbruch im Fuß alle Träume. Sie könne keine belastenden Strecken mehr laufen, hieß es damals. Nach einem Jahr Pause fing sie wieder an zu trainieren, weil sie merkte, ohne Leistungssport war ihr Leben nur halb so schön. Und weil sie inzwischen am Schwimmen und Fahrradfahren Geschmack gefunden hatte, fing sie mit Duathlon an, stockte auf Triathlon und Ironman auf. Heute ist Möller (33) Profisportlerin, gehört mit vier Ironman-Siegen zu den erfolgreichsten deutschen Sportlerinnen in dieser Disziplin.

Frau Möller, der wievielte Ironman ist Hamburg für Sie in diesem Jahr?

Kristin Möller: Bereits der dritte. Ich war im Mai in Brasilien am Start, zwei Wochen später im Juni in Cairns in Australien. Dort habe ich es sogar als Dritte aufs Podest geschafft.

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Sie sind in den letzten vier Monaten zweimal an einem Tag mehr als neun Stunden geschwommen, Fahrrad gefahren und gelaufen? Und hier in Hamburg schon wieder?

Möller: Ja ...?

Wie schafft man so oft so eine außergewöhnliche Leistung? Und dann noch als eher zierliche Frau?

Möller: Ich wiege 49 Kilogramm und bin 1,58 Meter groß. Und ja, ich bin kleiner als die meisten Konkurrentinnen. Aber dafür verbrauche ich weniger Energie. Mein Körper arbeitet ökonomischer. Und was Frauen und Belastbarkeit betrifft: Wir sind gerade auf den Langdistanzen, und das ist wissenschaftlich nachgewiesen, belastbarer als die Männer. Wir regenerieren schneller – und wir sind schmerzresistenter. Das ist nicht unwichtig, denn natürlich hat man Schmerzen bei so einer Anstrengung. Das ist nicht zu vermeiden. Aber es ist trotzdem am Ende ein tolles Gefühl, wenn man es geschafft hat.

Warum macht beim An-die-körperlichen Grenzen-Gehen und dabei auch noch Schmerzen aushalten Spaß? Gibt es die glücklich machenden Endorphine im Gehirn wirklich?

Möller: Darüber streitet die Wissenschaft noch. Aber tatsächlich stellt sich ein unglaublich intensives Gänsehautgefühl ein, wenn man über die Ziellinie kommt. Das brennt sich sozusagen als Gefühl in den Körper ein. Diese Bilder – dieses Kopfkino – sind es dann, die mich beim nächsten Mal motivieren, wieder durchzuhalten und mir immer neue Ziele zu setzen.

Was ist zurzeit ein Ziel für Sie?

Möller: Mich ärgert die Zahl neun bei meiner bisherigen Bestzeit von 9:01:55 Stunden. Ich möchte endlich eine acht vor dem Komma stehen haben.

Ist Hamburg womöglich der richtige Platz dafür? Die Wetterprognose sieht gut aus.

Möller: Vielleicht. Die Strecke ist eben, das passt mir als gute Marathonläuferin. Außerdem habe ich mich im Schwimmen verbessert und auch beim Radfahren an mir gearbeitet. Ich muss als kleine Athletin meine geringe Körpergröße im Wasser ausgleichen und die schlechteren Hebel auf dem Rad. Aber am Ende entscheidet auch der Wind, der in Hamburg ein großer Faktor sein soll. Dann wird es schwierig. Mal sehen. Ich bin jedenfalls hoch motiviert.

Sie waren in der Vorbereitungszeit verletzt, haben erst vor anderthalb Wochen wieder mit dem Lauftraining angefangen?

Möller: Ich hatte eine unangenehme Zehengelenksentzündung ...

... umgangssprachlich Hammerzeh genannt.

Möller: Genau. Nach Fußkräftigungsübungen, neuen Einlagen und neuen Schuhen mit mehr Dämpfung bin ich nun beschwerdefrei. Aber natürlich fehlen mir momentan einige Trainingseinheiten.

Sind Sie dennoch wettbewerbsfähig?

Möller: Ich hoffe doch. Manchmal ist weniger Training mehr. Ich habe stattdessen an meinen anderen Disziplinen gearbeitet.

Laut Statistik absolvieren Frauen grundsätzlich mehr Ironman-Wettbewerbe als Männer. Warum?

Möller: Weil wir es können. Wir pushen uns gegenseitig so sehr, dass wir mehr Punkte als die Männer brauchen, um am Ende beim absoluten Höhepunkt, dem Ironman auf Hawaii am 14. Oktober, dabei sein zu können. Ich weiß, das hört sich bescheuert an, aber so ist es nun mal.

Wie sieht es mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis aus in Ihrem Sport?

Möller: Zumindest werden wir gleichberechtigt bezahlt, erhalten dieselben Prämien wie die Männer. Das ist in anderen Sportarten oft nicht der Fall. Dafür haben wir erfolgreich gekämpft.

Im Vergleich zu anderen Sportarten sind die Prämien und Verdienstmöglichkeiten beim Ironman trotzdem eher gering.

Möller: Hier in Hamburg sind es 15.000 Euro für den Sieg. Das ist in unserer Branche eher oben auf der Skala angesiedelt. Aber im Vergleich zur Wechselsumme von Neymar ist das natürlich nichts. 222 Millionen Euro! Unvorstellbar. Aber daran darf man sich nicht orientieren. Ich bin Profi, ich kann von meinem Sport leben. Das macht mich glücklich. Aber natürlich weiß ich, dass im Fußball viel, viel mehr Geld verdient wird.

Sie sind 33 Jahre alt, wie lange können Sie auf hohem Niveau Ironman-Wettkämpfe bestreiten?

Möller: Mein Körper ist mein Kapital. Ich pflege ihn, höre auf ihn. Es gibt Frauen, die mit fast 40 und zwei Kindern noch Höchstleistungen bringen. Insofern möchte ich schon noch ein paar Jahre weitermachen, wenn die Gesundheit mitspielt.

Ist Altersabsicherung ein Thema für Sie?

Möller: Und wie. Mein Vater ist in der Personalbranche tätig. Der hat von Anfang an dafür gesorgt, dass ich an später denke und vorsorge. Ich bin gut vorbereitet.

Schafft man den Sprung weg vom adrenalingesteuerten Sport hin in einen gewöhnlichen Alltag? Und findet man einen Job im Alter um die 40?

Möller: Ich glaube, dass jeder, der in Deutschland eine Arbeit sucht, auch eine finden kann. Wie das dann im Detail aussieht, wird sich zeigen.

Was ist mit Kindern und Familie?

Möller: Kinder sind für mich noch kein Thema, und da ich in einer festen Partnerschaft lebe, fehlt mir zurzeit nichts.

Wie findet man einen Partner, der akzeptiert, dass die Freundin täglich zwischen sechs und acht Stunden trainiert, schlechte Laune bekommt, wenn mal ein Training ausfällt, abends total kaputt ist und zudem aufs Essen achtet?

Möller: Ich habe so einen Menschen gefunden. Und der bringt viel Verständnis auf, weil er selbst zum Beispiel über die Langdistanz in Roth am Start war. Was das Essverhalten und die Disziplin betrifft, so bin ich als ehemalige Kaderathletin der Leichtathletik mit dem Leistungsgedanken groß geworden. Disziplin zu halten ist für mich keine Anstrengung. Und Leistung zu bringen, eine Selbstverständlichkeit. Aber ich genieße auch mein Leben. Diese Balance ist wichtig.

Wie sieht Genuss bei Ihnen aus?

Möller: Mein Freund Stefan und ich kochen regelmäßig zusammen, meistens sogar jeden Abend. Ich achte zwar auf meine Ernährung, das heißt Kohlehydrate, Eiweiß und Vitamine. Doch ein Stück selbst gebackener Kuchen zum Kaffee muss sein. Und sein Risotto mit Meeresfrüchten ist der Hammer. Wir verzichten als Athleten auf so viel. Manche werden dadurch krank. Deshalb gönne ich mir Auszeiten und genieße auch.

Wer kocht besser?

Möller: Ganz klar mein Freund. Ich bin in der Küche zuständig für die Hilfsarbeiten.

Wer ist der bessere Athlet?

Möller: Stefan ist von Beruf Lehrer. Das erklärt eigentlich alles.