Frankfurt/Main. Fifa und andere Verbände zeigen sich von Drohgebärden des DFB-Präsidenten unbeeindruckt. Katar sagt Grindel-Visite ab.

Reinhard Grindel als "Hardliner" zu bezeichnen, wäre völlig übertrieben. Umso mehr überraschte die offensive Positionierung des DFB-Präsidenten in der schier endlosen Katar-Kontroverse. Von einem Boykott will Grindel fünf Jahre vor der WM-Endrunde im Golfstaat zwar (noch) nichts wissen, androhen könnte man diesen aber schon - sofern die angestrebten "politischen Lösungen" verfehlt werden.

Nach der viel beachteten Isolation des künftigen WM-Gastgebers wegen der angeblichen Unterstützung des islamistischen Terrors steht der Boss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit seinem Gebaren - zumindest offiziell - noch alleine da. Weder die diversen Kontinentalverbände noch einflussreiche nationale Konföderationen wollten sich am Dienstag auf SID-Anfrage positionieren. Das soll, das wird sich laut Grindel aber bald ändern.

Grindel könnte neuen Fifa-Posten nutzen

"In solchen Fragen stimmen wir uns selbstverständlich sehr eng innerhalb der Uefa ab", sagte Grindel, der neben seinem Sitz im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union auch einen Platz im Council des Weltverbandes Fifa hat. Den könnte er nutzen, um auch außerhalb Europas seine Sicht der Dinge zu erläutern und Unterstützer zu gewinnen.

Die Fifa zeigte sich jedenfalls, ähnlich wie die asiatische Konföderation AFC, von den Drohgebärden aus Deutschland gänzlich unbeeindruckt. Während die AFC dem SID mitteilte, dass für Fragen bezüglich der WM-Endrunde "ausschließlich die Fifa verantwortlich" sei, ließ sich diese auch am Dienstag keine klare Botschaft entlocken.

Fifa verweigert jeglichen Kommentar

Man habe Kontakt zu den verantwortlichen Stellen in Katar, hieß es in der Stellungnahme. Ansonsten gebe es im Moment zu dieser Angelegenheit weiterhin - "keinen Kommentar". Was auch nicht sonderlich verwundert, denn immer wieder hatte Fifa-Präsident Gianni Infantino zuletzt die Fortschritte in den Vorbereitungen am Golf gelobt. Zudem hatte der Weltverband erst im Mai eine millionenschwere Partnerschaft mit Qatar Airways abgeschlossen.

Sollten sich die Vorwürfe an Katar bestätigen, dürfte aber auch die Fifa die Augen nicht mehr verschließen. Sicherlich nicht ohne Grund hatten das Königreich Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate am Wochenende in einer konzertierten Aktion die diplomatischen Beziehungen und die Verkehrsverbindungen zu Katar gestoppt.

Katar sagt Grindel-Visite ab

"Grundsätzlich sollte sich die Fußballgemeinschaft weltweit darauf verständigen, dass große Turniere nicht in Ländern gespielt werden können, die aktiv den Terror unterstützen", sagte Grindel im Interview auf dfb.de: "Die aktuellen, schwerwiegenden Vorwürfe nehmen wir sehr aufmerksam und besorgt zur Kenntnis."

Dass Grindel die Thematik jedoch direkt mit den Katarern diskutieren kann, scheint zumindest zeitnah ausgeschlossen. Nach dem Fifa-Kongress im Mai in Bahrain hatte sich der 55-Jährige in Katar selbst ein Bild von den Vorbereitungen machen wollen. Der geplante Besuch wurde aber seitens der Gastgeber abgesagt.

Politiker fordern von Grindel Taten

Özcan Mutlu, der sportpolitische Sprecher der Grünen, nahm den DFB-Boss dennoch weiter in die Pflicht: "Reinhard Grindel hat einen Exekutiv-Sitz in der Fifa und ich fordere, dass der DFB als weltgrößter Fußballverband vorangeht und sich für eine Neuvergabe einsetzt." Einen ersten Schritt hat Grindel zumindest unternommen.

Und auch Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) forderte Grindel zum Handeln auf. "Die Vergabe muss überprüft werden", sagte Roth der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwoch). Aber nicht, weil Saudi-Arabien seine Rolle als Regionalmacht "gerade wieder rücksichtslos" ausbauen wolle. "Sondern weil Katar grundlegende Menschenrechtsstandards nicht einhält."

Sie erwarte nun von Grindel, dass er seinen Worten auch Taten folgen lasse. "Er sitzt doch neu im Fifa-Rat." Dort müsse der DFB-Präsident seinen Einfluss geltend machen, "damit die Fifa endlich klare Kriterien für die Vergabe einer WM festlegt - wie die Einhaltung von Menschenrechten, Pressefreiheit, aber auch Umweltstandards". Würden diese Standards dann von einem Ausrichterland missachtet, "braucht die Fifa einen Plan B", so die Grüne.