Dortmund. Der neue BVB-Trainer steht für radikalen Offensivgeist und gilt als Erfinder der Zwei-Sekunden-Regel.

Ein Johan-Cruyff-Jünger und Enkel eines Schalke-Fans soll Borussia Dortmund mit radikalem Offensivgeist zu neuen Erfolgen führen. Peter Bosz, der Ajax Amsterdam mit phasenweise atemberaubendem Fußball bis ins Europa-League-Finale trieb, tritt beim BVB die Nachfolge des spektakulär geschassten Trainers Thomas Tuchel an. Dies gaben die Schwarz-Gelben, die dem neuen Coach einen Zweijahresvertrag geben, am Dienstag bekannt. Für Bosz ist allerdings eine Millionenablösesumme fällig.

Bosz' Oma war Schalke-Fan

Bosz, 53, ist familiär "vorbelastet". Er hat tatsächlich königsblaues Blut. "Meine Großmutter war Schalke-Fan. Wir haben früher immer samstags zusammen die Bundesliga geschaut", berichtete der Niederländer in einem Interview. Das hielt den BVB selbstverständlich nicht davon ab, für ihn geschätzte fünf Millionen Euro zu investieren. Ajax ließ sich damit die Tatsache versilbern, dass Boszs Vertrag - wie der des ersten BVB-Wunschkandidaten Lucien Favre bei OGC Nizza - noch bis 2019 lief. Es ist die höchste Ablöse für einen Trainer in der Bundesliga-Geschichte.

Streit mit Ajax-Kollege Bergkamp

Ein Grund für den Abschied aus Amsterdam ist ein Streit innerhalb des Trainerteams. Bosz und sein Assistent Hendrie Krüzen haben offenbar eine andere Spiel- und Trainingsphilosophie als die ständigen Ajax-Trainer Dennis Bergkamp, Hennie Spijkerman, Carlo l'Ami und Björn Rekelhof. Bosz fühlte sich von der Ajax-Direktion in der Auseinandersetzung nicht vollständig unterstützt. Versuche, einen Kompromiss zu finden, scheiterten.

Vorbilder Cruyff und Guardiola

Bosz fühlt sich der Tradition des niederländischen Fußball-Genies Johan Cruyff verpflichtet. "Kurz vor seinem Tod besuchte er mich bei Maccabi Tel Aviv", berichtete Bosz dem britischen Guardian. "Früher habe ich in einem Buch jeden Schnipsel über ihn gesammelt - und plötzlich steht er da und redet mit dir! Ich habe in einer Woche genug für zehn Jahre gelernt."

Doch auch am früheren Bayern-Trainer Pep Guardiola hat Bosz sich orientiert. Das Buch "Pep Confidential" von Marti Perarnau hat ihn tief beeindruckt. "Pep hatte in Barcelona beim Gegenpressing die Drei-Sekunden-Regel. Aber wir sind nicht Barca, deshalb habe ich die Zwei-Sekunden-Regel eingeführt", sagt Bosz.

Dieser Philosophie gemäß ließ er auch bei Heracles Almelo, Vitesse Arnheim und zuletzt Ajax spielen: schnell, bisweilen überfallartig, dynamisch, teilweise kompromisslos jung. Das erlebte auch Amin Younes, der im deutschen Kader für den Confed Cup in Russland (17. Juni bis 2. Juli) steht.

Der neue Dortmund-Trainer Peter Bosz

Geboren

21. November 1963 in Apeldoorn

Stationen als Spieler

1981-1984 Vitesse Arnheim1984-1985 AGOVV Apeldoorn1985-1988 RKC Waalwijk1988-1991 Sporting Toulon1991-1996 Feyenoord Rotterdam1996-1997 JEF United (Japan)1998 Hansa Rostock1998-1999 NAC Breda1999 JEF United

Nationalmannschaft

8 Einsätze, 0 Tore (1991-1995)

Stationen als Trainer

2000-2002 AGOVV Apeldoorn2002-2003 De Graafschap2004-2006 Heracles Almelo2010-2013 Heracles Almelo 2013-2016 Vitesse Arnheim2016 Maccabi Tel Aviv2016-2017 Ajax Amsterdamseit 2017 Borussia Dortmund

1/4

Bosz will auch auf der Bank Spaß haben

Es gibt durchaus Parallelen zu Borussia Dortmund, wo Bosz einige Juwelen des europäischen Fußballs weiter schleifen kann. Eine Parallele ist allerdings auch die teils vernachlässigte oder inkonsequente Defensivarbeit - Bosz ist ein erklärter Offensivmann. "Wenn ich schon auf der Bank sitzen muss", sagt der Trainer, der einst bei Hansa Rostock spielte, "dann will ich wenigstens Spaß haben. Und wenn ich Spaß habe, haben auch die Zuschauer Spaß."

Also: Spektakel ist angesagt. Und die blau-weiße Geschmacksverirrung seiner Oma werden die BVB-Fans ihm auch nicht allzu übel nehmen: Immerhin warf Bosz in der Europa League Schalke 04 im Viertelfinale aus dem Wettbewerb. Das 2:0 im grandiosen Hinspiel, das auch 7:0 hätte enden können, war eine Offenbarung des modernen Fußballs. "Es war, als würde man dem niederländischen WM-Team von 1974 zuschauen", sagte Cruyff-Biograph Auke Kok anschließend: "Ich hätte nicht gedacht, jemals wieder eine Ajax-Mannschaft derart spielen zu sehen."