Hamburg. Zdzislaw Formella hat rund 140 Fights seines Sohnes aufgenommen. Das große Privatarchiv hilft bei der Analyse – aber auch der Mutter.

Vom engsten Kampf seiner Karriere gibt es Bilder nur in seinem Kopf. 2006 war das, bei den deutschen Meisterschaften in Straubing gegen den Berliner Nick Hanning. „Ich lag nach der ersten Runde mit 14 Punkten hinten, habe dann volles Risiko geboxt und mit dem letzten Schlag 46:45 gewonnen“, sagt der 29-Jährige. „Dass wir diese Schlacht nicht auf DVD haben, das ist wirklich schade!“ Schade – und eine Ausnahme. Denn dank seines Vaters Zdzislaw (55) kann der Hamburger Superweltergewichtler auf das wohl größte Privatarchiv zurückgreifen, das ein aktiver deutscher Boxer besitzt.

Seit Formella, der an diesem Freitag (19 Uhr/ranfighting.de) auf dem Kampfabend des Berliner Sauerland-Teams in der Wilhelmsburger Inselparkhalle gegen den Senegalesen Cheikh Dioum seinen 14. Sieg im 14. Profikampf feiern will, im Jahr 2002 beim TV Fischbek mit dem Boxen begann, hat der stolze Papa fast immer live gefilmt. 125 der knapp 150 Amateurkämpfe und die Hälfte der Profifights seines Sohnes hat Zdzislaw Formella, hauptberuflich im Tiefbau beschäftigt, auf DVD gebrannt. Angefangen hatte seine Kameraleidenschaft schon, als der Sohn im Kunstturnen insgesamt 49 Medaillen gewann. „Wir wollten die Filme gern als Erinnerung haben“, sagt der Vater, „und als er dann mit 14 vom Turnen zum Boxen wechselte, habe ich einfach weitergemacht.“

Da er anfangs ohne Stativ filmte, sind frühe Kämpfe bisweilen recht verwackelt. „Ich war einfach zu aufgeregt, um die Hand ruhig halten zu können. Manchmal habe ich auch nicht gemerkt, dass die Kamera stehen geblieben war, weil ich so mitgefiebert habe“, sagt Zdzislaw Formella, während er auf dem Breitbildfernseher in seiner Neugrabener Wohnung Bilder von einen Kampf in Wedel aus dem Jahr 2003 zeigt.

Videoanalyse um sich stetig zu verbessern

Die Aufnahmen der Boxkämpfe, anfangs mit einer Sony AF, später mit einer JVC Mini DV und aktuell mit einer Medion HD entstanden, haben längst nicht nur ideellen Wert. Mutter Renata (50) hat – aus Angst um die körperliche Unversehrtheit ihres Sohnes – noch keinen Kampf live gesehen. „Ich halte das nervlich nicht aus“, sagt sie, „Boxen ist ein schöner Sport, aber nur, wenn der eigene Sohn nicht kämpft.“ Per Telefon lässt sie sich das Ergebnis übermitteln.. Und nur wenn Sebastian gewonnen hat, schaut sie sich die Aufzeichnungen ihres Mannes an. Früher geschah das oft in tiefer Nacht, wenn Vater, Sohn und dessen Bruder Patrick (24), der Fußball spielt, aber Boxen liebt und bei allen Kämpfen dabeizusein versucht, von den Boxreisen zurückkamen. „Das war immer unser Ritual, den Kampf sofort noch einmal anzuschauen. Egal wie spät es war“, sagt Sebastian Formella, der alle seine Kämpfe auf DVD gesehen hat, viele auch mehrfach.

Mit seinem Trainer Marc Haupt hat er diese Art der Videoanalyse genutzt, um sich stetig zu verbessern. „Deshalb sind diese Filme für mich mehr als eine Erinnerung“, sagt er. Einen Lieblingskampf hat Formella, der hauptberuflich als Containerfahrer im Hafen arbeitet und als Publikumsmagnet mehr als 500 Karten für die Veranstaltung am Freitag unter seine Kollegen gebracht hat, ebenso wenig wie ein Duell, das er sich absolut ungern anschaut. „Ich habe aus allen Kämpfen etwas lernen können, auch aus den ganz frühen“, sagt er.

Dass der Vater mittlerweile aufgehört hat zu filmen, weil im Profibereich professionelle Kamerateams alle Kämpfe aufnehmen und den Boxern zur Verfügung stellen, bedauert er nicht. „So kann er wenigstens in Ruhe zuschauen und mich anfeuern.“