Hamburg. Im wichtigsten deutschen Pferderennen könnten diesen Sonntag Wai Key Star und Landofhopeandglory dem Topfavoriten gefährlich werden.

Es sind nur zweieinhalb Minuten, die ein Pferd hat, um zu zeigen, ob es das Beste im deutschen Galoppsport ist. Zweieinhalb Minuten, die über Triumph und Niederlage entschieden, die Zuchtwerte nach oben treiben, die Karrieren von vierbeinigen Hochleistungssportlern, Jockeys und Trainern puschen wie nirgendwo sonst in Deutschland. Und es ist eine Chance, die jedes Pferd nur einmal im Leben hat. Nach diesen alles entscheidenden zweieinhalb Minuten steht fest, wer das Deutsche Derby in Horn gewonnen hat. An diesem Sonntag kämpfen 19 Vollblüter um das Blaue Band. Das Rennen ist mit 650.000 Euro dotiert, allein der Sieger bekommt 390.000 Euro.

Der größte, wichtigste, höchstdotierte und auch traditionsreichste Wettkampf im deutschen Pferderennsport geht über 2400 Meter und beginnt um 17.10 Uhr. Jedes Pferd kann dieses Rennen nur einmal gewinnen. Denn es ist drei Jahre alten Tieren vorbehalten. Jeder Hengst, der beim 147. Deutschen Derby antritt, ist mindestens eine Million Euro wert, einige von ihnen das Vielfache.

Unumstrittener und bisher ungeschlagener Topfavorit ist der braune Hengst Boscaccio, der schon jetzt eine außergewöhnliche Karriere gemacht hat. Jeder Start des Vollblüters endete mit einem Sieg, er gewann vier der größten Rennen auf deutschem Boden in Folge. „Boscaccio ist der Maßstab für alle anderen“, sagt ein Experte. Rainer Hupe (70) aus Seevetal hatte Boscaccio entdeckt, als dieser noch ein Fohlen war. „Ich bin schon etwas nervös“, bekannte der Entdecker am Freitag.

Wai Key Star gilt als der vielleicht stärkste Herausforderer des Topfavoriten. Der Hengst hat sich von Start zu Start verbessert und imponierte Ende Mai im Derby-Trial in Baden-Baden mit einem Sieg über den dortigen Topfavoriten El Loco. El Loco geht auch in Horn an den Start.

Zu den Top drei der Favoriten zählt Landofhopeandglory. Seine drei irischen Besitzer haben die Konkurrenz genau beobachtet und glauben so fest an einen Sieg, dass sie den dreijährigen Hengst erst am Montag wenige Minuten vor Ablauf der Frist für stolze 65.000 Euro anmeldeten. Das ist das Zehnfache der ursprünglichen Nennungsgebühr.

Jockey Schiergen glaubt, dass Boscaccio noch Reserven hat

Boscaccio wird von Dennis Schiergen geritten. Der 21-Jährige ist Sohn des international renommierten Spitzen­jockeys und jetzigen Trainers Peter Schiergen (51). Der Kölner Sportmanagementstudent ist überzeugt, dass Boscaccio noch nie alles abverlangt worden ist. „Da geht noch was“, sagt Schiergen. Dennoch gibt sich der Jockey vor dem wichtigsten Auftritt seiner Karriere bescheiden. „Ich will besser abschneiden als bei meinem ersten Derbyritt“, sagt er schlicht.

Bei seiner Premiere im vergangenen Jahr hatte es für ihn nur zum vorletzten Rang gereicht – diesmal sind die Aussichten deutlich besser. Trainer Christian Sprengel betreut Boscaccio seit Frühjahr 2015. „Boscaccio ist das beste Pferd, das ich je hatte. So einen bekommt man nur einmal im Leben“, sagt Sprengel. Dennoch will er keine zu hohen Erwartungen schüren. „Wenn du das Derby gewinnen willst, brauchst du nicht nur ein gutes Pferd, sondern auch sehr viel Glück.“

Im Sattel von Wai Key Star sitzt Eduardo Pedroza (41). Der in Panama geborene Jockey hat am vergangenen Sonntag in Horn mit dem Hengst Protectionist den mit 70.000 Euro dotierten Hansa-Preis gewonnen. Der Sieg wurde mit 40.000 Euro belohnt. Wai Key Star kommt aus dem Stall des dreifachen Derbysiegers Andreas Wöhler.

Landofhopeandglory wird von Ryan Moore geritten. Der 32 Jahre alte Engländer ist ein Ausnahmekönner und gilt als einer der besten Jockeys der Welt. Neben etlichen anderen Rennen hat er mit Hansa-Preis-Sieger Protectionist 2014 den Melbourne Cup gewonnen. Allein für diesen Sieg gab es 2,4 Millionen Euro. In seiner Heimat wurde er viermal zum Jockey des Jahres gewählt(2006, 2008, 2009, 2014). Landofhopeandglory kommt aus dem Stall des irischen Startrainers Aidan O’Brian.

Eine unbekannte Komponente in diesem Derby ist das Wetter: Tagelanger Regen, der Hamburg an diesem Wochenende hoffentlich verschonen wird, hat das Geläuf tief gemacht und stellt die Teilnehmer vor eine völlig neue Herausforderung. Dies gilt auch für Boscaccio, der seine bisherigen Siege auf trockenem Geläuf geholt hat.

Bei den Buchmachern rangieren Wai Key Star und Landofhopeandglory hinter Boscaccio, auch El Loco (Adrie de Vries) werden gute Chancen zugebilligt. Als Favoritenschreck gilt Larry (Michael Cadeddu), bei zwei Starts ungeschlagen und zur Wochenmitte zur Hälfte an australische Mitbesitzer verkauft. Mit Eva-Maria Zwingelstein aus Iffezheim ist erneut eine Frau im Sattel dabei. Mit Rosenhill hat sie in der Männerdomäne Galopprennen indes nur Außenseiterchancen.