Sechs Schweizer mussten am Sonntag ihre Hemden austauschen, weil sie den Textiltest der Franzosen nicht bestanden.

Da bekanntlich nicht für den Spott sorgen muss, wer den Schaden hat, war die Häme, die sich von Sonntagabend an in den bisweilen asozialen Netzwerken über den Sportartikelhersteller Puma ergoss, absehbar gewesen. Nachdem gleich sechs Spieler der Schweizer Nationalmannschaft im letzten EM-Gruppenspiel gegen Gastgeber Frankreich ihre Trikots wechseln mussten, weil diese im Zweikampf gerissen waren, hatte die Lästergemeinde im weltweiten Netz neues Fressen gefunden. Das schwarze Raubtier auf dem Firmenlogo bekam ein zerrissenes rotes Leibchen verpasst. Weibliche Fans forderten die Franzosen auf, endlich auch ihrem Schwarm Ricardo Rodriguez das Jersey vom Leib zu reißen. Den Spruch des Abends brachte der Schweizer Xherdan Shaqiri, der sich glücklich zeigte, „dass Puma keine Pariser herstellt“.

Die ernsthafte Erklärung für das in dieser Häufigkeit noch nie erlebte Nicht-Bestehen der Zerreißprobe lieferte das in Herzogenaurach ansässige Unternehmen am Montagnachmittag. „Unsere Untersuchung der Trikots vom Sonntag hat ergeben, dass es eine fehlerhafte Materialcharge gegeben hat, in der Garne während der Produktion beschädigt wurden, was zu einer Schwächung des fertigen Trikotstoffs geführt hat“, hieß es in einer Stellungnahme. Zurückzuführen sei der Fauxpas auf eine falsche Kontrolle der Hitze, des Drucks und der Produktionszeit im Herstellungsprozess. Der gesamte Bestand der EM-Trikots – neben der Schweiz rüstet Puma auch Österreich, Tschechien, Italien und die Slowakei aus – sei geprüft worden. „Wir können versichern, dass es nicht zu einer Wiederholung dieses Falls kommt“, versprach das Unternehmen.

Bei Breel Embolo wirkt das Loch eher
so, als habe es jemand mit einem Messer
hineingeschnitten
Bei Breel Embolo wirkt das Loch eher so, als habe es jemand mit einem Messer hineingeschnitten © Witters

Tatsächlich hatten bislang keine von Puma belieferten National- oder Vereinsteams mit Problemen dieser Art zu kämpfen. Das Modell, das die Schweizer trugen, kommt seit März 2014 zum Einsatz, ohne dass Beschwerden oder Defekte auftraten. Gefertigt werden die gesamten Trikotchargen in der Türkei. Der Clou der Produktlinie ist die ACTV-Thermo-R-Technologie. In die eng am Körper anliegenden Hemden, die aus einer Elasthan- und Polyestermischung bestehen, sind an anatomisch wichtigen Stellen an Vorder- und Rückseite Tapes aus speziellem Phase-Change-Material eingearbeitet, die die Regulierung der Körpertemperatur optimieren sollen. Für ausreichend Belüftung war am Sonntagabend in jedem Fall gesorgt.

Bei Adidas, dem größten nationalen Konkurrenten, der bei der EM die Teams aus Albanien, Belgien, Nordirland, Russland, Schweden, Spanien, Ungarn, Wales, der Ukraine und Deutschland ausrüstet, war das Bemühen groß, keinerlei Schadenfreude aufkommen zu lassen, zumal einem der von Adidas gelieferten Spielbälle nach einem Pressschlag die Luft ausgegangen war. „So etwas kann immer passieren. Ich bin davon überzeugt, dass die Kollegen von Puma das sehr schnell wieder in den Griff bekommen“, sagte Adidas-Chef Herbert Hainer. Keinen Kommentar gab es von Nike (England, Frankreich, Kroatien, Polen, Portugal, Türkei), Errea (Island), Joma (Rumänien) und Umbro (Irland).

Der DFB stellt zwei, der HSV sogar drei Trikots pro Spiel

Verwundert waren viele Beobachter, dass auf der Ersatzbank sofort ein frisches Hemd bereitlag – sogar, als Granit Xhaka zum zweiten Mal aufkreuzte. Bei der deutschen Mannschaft stehen pro Spiel „nur“ zwei Trikotsätze zur Verfügung. Dass ein Hemd reißt, komme ex­trem selten vor, sagte Adidas-Sprecher Oliver Brüggen. Für jede EM-Partie werden Extrasätze angefertigt, in die über dem Nationalwappen die jeweilige Spielpaarung eingearbeitet ist. Trikotwerbung ist Nationalteams durch die Statuten des Weltverbands Fifa und des Europaverbands Uefa untersagt. Die vier Sterne auf dem deutschen Trikot stehen für die vier gewonnenen WM-Titel. EM-Gewinne bringen keinen Stern ein.

Blerim Dzemaili kam dagegen mit
einem verhältnismäßig kleinen Belüftungsloch
davon
Blerim Dzemaili kam dagegen mit einem verhältnismäßig kleinen Belüftungsloch davon © Witters

Die „Replica“-Shirts, die Adidas für 84,95 Euro den Fans im Handel anbietet, unterscheiden sich von den „Authentic“-Hemden, die die Spieler tragen, durch den Schnitt und die leichteren Materialien. Besonders beliebt sind die Trikots von Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger und Mesut Özil. Neben den deutschen Jerseys verkaufen sich in Deutschland auch Trikots von Belgien, Russland und Spanien gut.

Der HSV, der von Adidas ausgerüstet wird, stellt seinen Spielern sogar drei Trikots pro Spiel zur Verfügung, die auch nach Belieben getauscht werden dürfen. Viele Spieler wechseln in der Halbzeit das Hemd, wenn es stark verschwitzt oder beschmutzt ist. Alle zwei bis drei Partien wird ein Trikotsatz, der in Größenabstufung von 5 bis 10 erhältlich ist, getauscht. Auch wenn das Material länger halten würde, verwäscht die Beflockung. Zeugwart Miro Zadach wäscht sowohl die Trikots als auch die Trainingskleidung direkt im Stadion. „So etwas wie am Sonntag habe ich noch nicht erlebt“, sagte er, „es kommt bei uns alle paar Jahre mal vor, dass ein Trikot reißt. Man muss aber sagen, dass Adidas ganz andere Qualität liefert.“

Beim Zweitligisten FC St. Pauli, der zur neuen Saison den Ausrüster wechselt und statt von Hummel dann von Under Armour beliefert wird, erhält jeder Profi zwei Trikots pro Spiel, die er nach jeder Partie tauschen darf. Hemden, die übrig bleiben, werden für karitative Zwecke verwendet. In der vergangenen Saison gab es lediglich zwei angerissene Kragen, unbrauchbar war keins der getragenen Jerseys.