Kish/Hamburg. Die Hamburger Beachvolleyballer nehmen für Olympia in Rio auch Umwege in Kauf. Als National-team starten sie erstmals im Iran.

Die Entfernung von Hamburg nach Rio de Janeiro beträgt Luftlinie genau 9916 Kilometer. Von Hamburg bis auf die iranische Insel Kish ist es mit Zwischenstopp in Dubai gut die Hälfte. Die Südamerika-Route kennen Markus Böckermann, 30, und Lars Flüggen, 25, bereits. Die zweite sind die Hamburger Beachvolleyballer am Sonnabend mit Coach Bernd Schlesinger geflogen. Der Trainingswissenschaftler am Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein opfert dafür seinen Resturlaub.

Der Trip auf die 20.000-Einwohner-Insel (Tagestemperatur: 23 Grad) im Persischen Golf zu den Kish Open ist für die topgesetzten Böckermann/Flüggen kein exotisches Vergnügen. Das erste Turnier der World Tour 2016 ist eine weitere Etappe auf dem Weg zu den Spielen in Rio im August. „Der Traum von Olympia ist längst ein reales Ziel“, heißt es auf ihrer Website.

In doppelter Hinsicht bemerkenswert: Ewas mehr als ein Jahr erst spielen Böckermann und Flüggen zusammen. Ohne Förderung des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) waren die Hamburger im Vorjahr bestes deutsches Männerduo. Erst seit Ende November haben sie den Status „Nationaltem“. Als Weltranglistenzwölfte und Zwölfte der Olympia-Rangliste liegen Böckermann/Flüggen derzeit sehr gut im Rennen – die besten 17 qualifizieren sich automatisch für Rio. Es zählen die besten zwölf Ergebnisse der World Tour bis 13. Juni dieses Jahres. Zwar folgt danach noch ein Continental Cup, doch Böckermann sagt: „Wir wollen da direkt hin, dafür legen wir alles hinein.“

Gut 20.000 Euro hat Böckermann/Flüggen allein die zweite Saisonhälfte 2015 gekostet. Das Gros ihres Preisgeldes haben sie gleich reinvestiert – in Flüge, Unterkunft und Betreuung durch Coachs und Physiotherapeuten. „Der DVV tut gut daran, dieses Team ausreichend zu fördern“, sagt Schlesinger – auch vor dem Hintergrund, dass beide Hallennationalteams die Teilnahme in Rio verpasst haben.

Quali-Turnier erstmals am Rothenbaum

Das letzte Olympia-Qualifikationsturnier 2016, ein mit 800.000 US-Dollar dotierter Grand Slam vom 7. bis 12. Juni erstmals im Hamburger Tennisstadion am Rothenbaum auf der Anlage des Clubs an der Alster, soll für Böckermann/Flüggen denn auch nur Zwischenziel und Werbeplattform zugleich sein. Für Alster, bisher dank Hockey und Tennis bekannt, starten die beiden Beacher seit dem Vorjahr. Böckermann hatte sich im Herbst 2014 von seinem Partner Mischa Urbatzka, heute 32, getrennt. Böckermann/Urbatzka (FC St. Pauli) waren 2013 deutsche Meister und WM-Neunte geworden, stagnierten aber anschließend. Böckermann suchte für den weiten Weg nach Rio eine neue Perspektive – und einen neuen Partner. „Eine Beziehung im Beachvolleyball ist endlich“, formuliert es der Blockspezialist nüchtern-zielgerichtet, indes keinesfalls kalt. Dass der Mann mit der braunen Mütze in Lars Flüggen (damals HSV) ausgerechnet jenen Abwehrspezialisten mit dem weißen Hut fand, dem er 2013 im Endspiel am Netz gegenübergestanden hatte, hat sich als Glücksfall erwiesen – für die Beacher und den Olympiastützpunkt.

Markus Böckermann menschlich gesehen

Ende 2014 zog Flüggen für das Ziel Rio von Berlin nach Hamburg. Gleich ihr erstes World-Tour-Turnier 2015 in Fuzhou (China) gewannen er und Böckermann gegen die damaligen Weltmeister Alexander Brouwer/Robert Meeuwsen (Niederlande). Auch für ihren bisher letzten Sieg 2015, bei den Doha Open in Katar, gegen Phil Dalhausser/Nick Lucena (USA) erhielten sie 11.000 US-Dollar Preisgeld und 500 Weltranglistenpunkte. Gemeinsam mit Dalhausser, Olympiasieger 2008 in Peking, und dessen neuen alten Partner Lucena galten Böckermann/Flüggen 2015 als die „Aufsteiger des Jahres“.

Identifikationsfiguren statt Überflieger

Überflieger sind der angehende Wirtschaftsingenieur Böckermann, mit 1,98 Meter kein Blockriese, und der abwehrstarke Chemiestudent Flüggen (1,92 m) gewiss nicht, jedoch Identifikationsfiguren. Alles will bei ihnen taktisch erarbeitet und von Trainingswissenschaftler Schlesinger gut gesteuert sein – zwischen Be- und Entlastung. Rang fünf beim Grand Slam in Long Beach (USA) bescherte ihnen im Vorjahr mit 17.000 Dollar ihr bisher höchstes Preisgeld, Platz zwei bei der Olympia-Generalprobe Rio Open ihren bisher größten Moment: Im Halbfinale besiegten sie die frisch gekürten Weltmeister Alison/Bruno aus Brasilien.

Sechs Top-Ten-Platzierungen haben Böckermann/Flüggen im Vorjahr erzielt. „Mindestens vier gute Turniere brauchen wir noch“, ist Schlesinger in Sachen Rio zuversichtlich. „Am meisten hat mich an den beiden der sehr gute kommunikative Umgang miteinander überrascht, besonders in schwierigen Situationen“, sagt der Coach.

„Am 3. März fliegen wir wieder nach Rio“, erzählt Böckermann. In der ersten Märzhälfte steigt dort noch ein Grand Slam. Die Flugroute kennen Böckermann/Flüggen ja. Und: So viel Vorerfahrung hätten Hamburger Olympiastarter bisher selten gehabt.