Hamburg. Daviscup-Teamchef Kohlmann über das anstehende Relegationsspiel in der Dominikanischen Republik und sein Mitleid mit Alexander Zverev.

Seit dem Jahr 1900 gibt es den Tennis-Teamwettkampf der Herren, besser bekannt unter dem Namen Daviscup. Ein Duell zwischen Deutschland und der Dominikanischen Republik hat noch nie stattgefunden. Die Premiere an diesem Wochenende (Fr. bis So., jeweils 16 Uhr MESZ/tennis.de und ran.de live) in Santo Domingo muss die deutsche Auswahl mit Philipp Kohlschreiber (Augsburg), Dustin Brown (Winsen/Aller), Benjamin Becker (Mettlach) und Philipp Petzschner (Köln) allerdings unbedingt gewinnen, um den Abstieg aus der Weltgruppe zu verhindern. Teamchef Michael Kohlmann, 41, erklärt im Abendblatt-Gespräch, warum das klappen wird.

Hamburger Abendblatt: Herr Kohlmann, der gemeine Deutsche stuft die Dominikanische Republik als Ferienparadies ein, wo Tennis allenfalls die Touristen in den Hotels spielen. Nimmt in Santo Domingo überhaupt jemand Notiz vom Daviscup?

Michael Kohlmann: Mein Eindruck ist, dass es für die Menschen hier eine ganz große Sache ist, dass ihr Team gegen Deutschland antritt. Auch wenn der Volkssport hier Baseball ist, gibt es eine ganze Menge Tennisspieler, und für die ist es etwas ganz Besonderes, den Aufstieg in die Weltgruppe gegen eine Tennisnation wie Deutschland schaffen zu können. Deshalb wissen wir alle, dass wir den Gegner auf keinen Fall unterschätzen dürfen.

Sie treten als Mahner auf, versuchen den Gegner mit den üblichen Trainertricks starkzureden. Wie schwer ist es, den Spielern das tatsächlich glaubhaft zu verkaufen?

Kohlmann : Das ist überhaupt nicht schwer. Ich muss mich da auch nicht verbiegen oder den Gegner künstlich starkreden, weil alle meine Spieler den dominikanischen Topspieler Victor Estrella Burgos kennen. Der ist zwar schon 35, hat sich aber in der Top-50-Region etabliert. Und jeder weiß, dass im Daviscup ein Topspieler genügen kann, um die nötigen drei Punkte einzufahren. Insofern muss ich nicht zusätzlich warnen. Jeder von uns weiß, dass es ein harter Kampf wird.

Sie haben Burgos, derzeit an Platz 57 der Weltrangliste, und den zweiten Einzelspieler José Hernández Fernández, Nummer 200 der Welt, selbst beobachtet. Können die einem Kohlschreiber wirklich gefährlich werden?

Kohlmann : Das sind zwei sehr solide Tennisspieler, die sicherlich mit dem Heimvorteil im Rücken alles geben werden, um die Überraschung zu schaffen. Deshalb müssen wir in jeder Phase absolut konzentriert auftreten.

Dennoch werden Sie nicht so weit gehen wollen, die Favoritenrolle den Gastgebern zuzuschieben.

Kohlmann : Nein, das wäre falsch. Natürlich sind wir der Favorit und müssen gewinnen, weil jeder unserer Einzelspieler die Klasse hat, die besten Spieler der Dominikaner zu besiegen. Wenn wir als geschlossene Einheit auftreten, werden wir erfolgreich sein. Wir haben dieses Selbstbewusstsein und können mit dieser Rolle auch umgehen. Dennoch muss man auf alles gefasst sein. Wir werden auf ein heißblütiges Publikum treffen, das 2003 für die panamerikanischen Spiele gebaute Stadion ist wohl an allen drei Tagen ausverkauft. Auch die klimatischen Bedingungen haben es in sich.

Sie sind seit Sonntag in der Karibik, haben sich an das feucht-heiße Klima gewöhnen können. Spielt das Wetter dennoch eine Rolle?

Kohlmann : Sicherlich sind unsere Spieler von der ATP-Tour heiße Temperaturen gewöhnt, aber durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist es sehr anstrengend und ermüdend. Dennoch glaube ich, dass wir gut vorbereitet sind. Was uns in die Karten gespielt hat, ist, dass die Spieler zuletzt in New York bei den US Open waren und deshalb nicht noch die Umstellung auf die Zeitzone dazukommt.

Ein Plus sollte ebenfalls sein, dass die Partie auf einem schnellen Hartplatz stattfindet. Waren Sie überrascht über diese Wahl?

Kohlmann : Nein, denn der Weltverband schreibt für Daviscupspiele ein Stadion mit mindestens 3500 Plätzen Fassungsvermögen vor, und da kam nur dieses eine infrage. Ich bin aber nicht unglücklich, eine Umstellung auf Sand hätte es noch einmal schwieriger gemacht.

Haben Sie sich schon auf Ihre Einzel- und Doppelspieler festgelegt? Zuletzt galt Dustin Brown als Favorit auf den Platz als zweiter Einzelspieler.

Kohlmann : Nein, ich lasse die Trainingseindrücke in dieser Woche noch auf mich wirken. Ich habe sicherlich schon ein Bild im Kopf, wie die Formationen aussehen könnten, aber ich werde das am Donnerstag vor der Auslosung mit der Mannschaft besprechen. Was Dustin angeht, so ist deutlich zu spüren, dass ihm sein Sieg in Wimbledon gegen Rafael Nadal enormes Selbstvertrauen gegeben hat. An guten Tagen kann er jeden schlagen. Außerdem ist er als Halbjamaikaner das Karibikklima gewohnt.

Einer, der sein Debüt feiern sollte, kann leider nicht dabei sein. Wie haben Sie die krankheitsbedingte Absage von Alexander Zverev aufgenommen, und wie geht es mit Deutschlands Toptalent im Daviscup weiter?

Kohlmann : Er selbst war mit Abstand am traurigsten darüber, dass er krank geworden ist. Ich hatte mich vergangene Woche mit seinem Vater getroffen und besprochen, dass es unter den Umständen keinen Sinn hat, ihn aufzustellen. Wie es in der neuen Saison weitergeht, werden wir zu gegebener Zeit besprechen. Aber dass er seinen Weg machen wird, steht außer Frage.