Hamburg. Der 57-Jährige spricht erstmals öffentlich seit seiner Haftentlassung und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Justiz.

Das Gesicht ist voller geworden, auch ein kleiner Bauchansatz ist wieder zu sehen. Doch seine polternden Gefühlsausbrüche hat Waldemar Kluch nicht eingebüßt, auch wenn er sich lange verkniffen hat, sie öffentlich zu zeigen. Seit einem guten halben Jahr ist er wieder in Freiheit, doch erst jetzt, im Gespräch mit dem Abendblatt, bricht er sein Schweigen.

Am gestrigen Dienstag war es ein Jahr her, dass der 57-Jährige vor dem Landgericht Hamburg wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter und vollendeter Nötigung sowie versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Der ehemalige Geschäftsführer des seit Herbst 2012 insolventen Hamburger Profiboxstalls Universum soll mehrere SMS mit Morddrohungen an Geschäftspartner verschickt haben, darunter Universum-Gründer Klaus-Peter Kohl, der sein Unternehmen im Sommer 2011 für 1,5 Millionen Euro an Kluch veräußert hatte.

Im Februar dieses Jahres war der Deutschrusse nach 21 Monaten Haft entlassen worden. Das Oberlandesgericht hatte den Haftbefehl aufgehoben, da der gebotene Beschleunigungsgrundsatz nicht eingehalten worden war. Der Ärger über das Urteil, das nach abgelehnter Revision rechtskräftig ist, gärt weiter in ihm. Kluch spricht gar von „Isolationshaft“. 23 Stunden am Tag habe er in einer Einzelzelle verbracht, unterbrochen nur von einer Stunde bewachtem Hofgang. Er habe weder arbeiten noch Sport treiben dürfen, außer Krafttraining in der Zelle, 90 Minuten täglich.

„Ich hätte niemals gedacht, dass in Deutschland so etwas möglich ist. Ich halte die Isolationshaft angesichts meiner Vergehen für eine Verletzung meiner Menschenwürde und habe gelernt, dass man sich auf die Justiz nicht verlassen kann“, sagt er. Dass so viel über die Überlastung von Gerichten diskutiert wird, kann er nicht nachvollziehen. „Die Richter sind nicht überlastet, sondern überfordert. Hinter der angeblichen Gründlichkeit verbirgt sich bei vielen Richtern die Unfähigkeit zu einer effektiven Arbeitsweise. Es wird nicht mehr nach Wahrheit und Gerechtigkeit gesucht, sondern man versucht, die Anklageschrift mit allen Mitteln durchzupauken“, schimpft er.

Um diese Aussagen zu verstehen, muss man wissen, dass Kluch sich weiter für unschuldig hält, die SMS geschrieben zu haben. Das Angebot der Staatsanwaltschaft, gegen ein Geständnis eine Bewährungsstrafe zu erhalten, lehnte er ab: „Ich habe nichts getan, was ich gestehen könnte.“ In der Tat konnte während des Mammutprozesses, der zehn Monate und 47 Verhandlungstage dauerte, der Zweifel an der Urheberschaft der Nachrichten nicht restlos ausgeräumt werden.

Keinen Zweifel gibt es indes daran, dass Kluch sich mit dem Universum-Kauf übernommen hat. Auch, dass er im Zuge der Insolvenz einer Reihe von Boxern und Geschäftspartnern (vor allem finanziellen) Schaden zugefügt hat, ist unstrittig, und Kluch räumt das auch ein. Schuldbewusstsein habe er aber nur in wenigen Fällen. „Es gibt ein paar Boxer wie Balzsay oder Tajbert, die mir wirklich leid tun, weil ich für sie nicht mehr kämpfen konnte. Viele andere aber haben sich nicht an Abmachungen gehalten, deshalb sehe ich mich da nicht in der Schuld“, sagt er.

Sein größter Fehler sei gewesen, die finanziellen Hintergründe Universums vor dem Kauf nicht untersucht zu haben. „Ich habe mich blind auf Herrn Kohl verlassen, hätte von Anfang an viel mehr mit Anwälten arbeiten und mich absichern müssen. Das war viel zu gutgläubig von mir“, sagt er. 2,5 Millionen Euro habe er in das Unternehmen investiert. Dennoch sei er überzeugt davon, sich nicht finanziell, sondern ideell übernommen zu haben. „Ich habe unterschätzt, dass viele Boxer und Partner nur für ihr eigenes Wohl gearbeitet haben“, sagt er.

Es gab viele Fragen, die im Prozess offen blieben. Kluch kämpft weiter gegen das, was er als Unrecht ansieht. Er hat Anzeige erstattet gegen fünf Bundesrichter und die gesamte Kammer, die ihn verurteilte. Eine Verfassungsbeschwerde läuft, eine Beschwerde beim Europäischen Ausschuss für Menschenrechte wird vorbereitet. Hintergrund ist, dass die Verhandlung fortgesetzt wurde, als Kluch wegen Verdachts auf Herzinfarkt im Krankenhaus lag und unter dem Einfluss von starken Medikamenten stand. Ein unabhängiges Gutachten, das dem Abendblatt vorliegt, bescheinigt ihm Verhandlungsunfähigkeit. „Dass an meinem Krankenbett verhandelt wurde, obwohl ich unfähig war, dem zu folgen, ist ein unglaublicher Vorfall“, sagt er.

Waldemar Kluch sagt, er wisse nun, wer seine wahren Freunde sind. Dank Einsicht in die Ermittlungsakten konnte er 7500 abgehörte Telefonate auswerten, „das war sehr aufschlussreich“. Er hat versucht, sich wieder einzurichten in seinem alten Leben. Er arbeitet weiter im Spielhallen- und Immobiliengeschäft, er ist Sportlerberater, schreibt ein Buch über seine Erlebnisse. Und er glaubt, mittelfristig auch die Rückkehr ins Boxen schaffen zu können. Kleinere Veranstaltungen finden in seinem Dima-Sportcenter in Lohbrügge bereits wieder statt.

Die jüngere Vergangenheit wird ihn im Herbst einholen. Da nach der Haftentlassung die Revision abgelehnt wurde, muss Kluch die Resthaft absitzen. Seine Anwältin Ina Franck hofft, diese wegen guter Führung um ein Drittel reduzieren zu können, so dass noch zwei bis drei Monate übrig bleiben dürften. Es wird der letzte Gefängnisaufenthalt seines Lebens werden, davon ist Waldemar Kluch überzeugt.