Hamburg. HSV-Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig/Kira Walkenhorst sind nach elf Monaten Pause in die Weltspitze zurückgekehrt.

Wenn man von Hamburg nach New York fliegt, um nach St. Petersburg zu gelangen, ist man entweder orientierungslos – oder diejenigen spielen Beachvolleyball. Im heißen Sand Floridas baggern bis zum Ende dieser Woche die besten Strandspieler der Welt, und dass Laura Ludwig, 29, und Kira Walkenhorst, 24, wieder zu diesem erlauchten Kreis gehören, hat das HSV-Duo erst vor sechs Tagen im norwegischen Stavanger bewiesen. Beim dortigen Weltserienturnier wurden die Hamburgerinnen Vierte, wofür es 24.000 US-Dollar Prämie gab.

Wer meint, ein vierter Platz sei für zwei Spielerinnen, die vor gut einem Jahr an der Spitze der Weltrangliste standen und als erstes deutsches Frauenteam in Shanghai ein hochdotiertes Grand-Slam-Turnier gewannen, kein besonders erwähnenswerter Erfolg, der ahnt nicht, welche Leidenszeit zwischen diesen beiden Ereignissen lag.

Walkenhorst, die unter dem Ep­stein-Barr-Virus leidet, erkrankte am Pfeifferschen Drüsenfieber und musste bis zum November vergangenen Jahres alle Aktivitäten herunterfahren, damit ihr Körper den tückischen Angreifer bekämpfen konnte. Selbst langsames Treppen­steigen fiel ihr in diesen Monaten schwer. „Im Dezember bin ich wieder bei null anfangen“, erzählt sie, „die ersten Trainingseinheiten waren für mich brutal hart. Aber ich habe immer fest daran geglaubt, dass ich es schaffe.“

Doch damit nicht genug der Rückschläge: Im Trainingslager Ende April im türkischen Side, beide freuten sich gerade darüber, dass ihr Zusammenspiel von Tag zu Tag besser wird, verdrehte sich Walkenhorst das Knie, eine Operation am Meniskus folgte. Der für Anfang Mai geplante und sehnlich erwartete Wiedereinstieg in die Welttour musste verschoben werden, erst Ende des Monats gingen Ludwig/Walkenhorst in Moskau wieder gemeinsam ans Netz. Sie spielten schwach, wurden 17., was eine der schlechtesten Platzierungen ihrer Karriere war.

Dass sie nur zwei Wochen später ein Halbfinale erreichten, bezeichnet ihr Manager Andreas Scheuerpflug, 47, früher selbst ein Weltklasse-Beachvolleyballerspieler, „als Sensation“. Cheftrainer Jürgen Wagner, 51, urteilte etwas nüchterner: „Die Formkurve zeigt weiter nach oben.“ Der zurückgekehrte Erfolg gibt vor allem Laura Ludwig recht, die in der Zwischenzeit auf Turnieren zwar mit vier verschiedenen Partnerinnen blockte und baggerte und mit ihnen zahlreiche gute Ergebnisse erzielte, die aber nie ernsthaft eine Trennung von Walkenhorst erwog.

„Es gab für Laura keinen Plan B, auch wenn der aus professioneller Sicht vielleicht angebracht gewesen wäre“, sagt Mentalcoach Olaf Kortmann, 59, der mit Ludwig seit elf Jahren zusammenarbeitet und dem Duo weiter als Gesprächspartner zur Seite steht. Und Redebedarf bestand in den vergangenen zwölf Monaten reichlich.

Dass Ludwig eine Trennung kategorisch ausschloss, obwohl das Herpes-Virus jederzeit das Immunsystem ihrer Partnerin erneut entscheidend schwächen kann, hat menschliche, aber auch sportliche Gründe. „Behandele andere Menschen so, wie du auch selbst behandelst werden willst“, lautet ihr Lebensmotto. „Als Leistungssportler musst du ohnehin stets damit rechnen, dass du zum falschen Zeitpunkt krank wirst oder dich verletzt. Das ist jetzt Kira passiert, das kann genauso gut auch mir eine Woche vor den Olympischen Spielen passieren. Kira und ich hatten eine Verabredung, und zu der stehen wir. Da gibt es kein Zögern und Zaudern. Wir müssen uns auf dem Feld und außerhalb aufeinander verlassen können. Und das können wir!“

Ihr Ziel haben beide nicht aus den Augen verloren: Bei den Sommerspielen im August 2016 in Rio de Janeiro wollen sie eine Medaille holen, das gelang bisher keinem deutschen Frauenteam. Mit ihrer langjährigen Partnerin Sara Goller, 31, jetzt Niedrig, war Ludwig bei Olympia Neunte (2008 in Peking) und Fünfte (2012 in London) geworden. Nach den Spielen in London beendete Goller ihre Karriere.

Die Nachfolgerin war schnell gefunden. Wunschkandidatin Walkenhorst hatte mit 1,84 Meter die Größe zum Blocken am Netz und das Talent, um in der Weltspitze ganz oben angreifen zu können. „Sie ist in Deutschland aktuell wahrscheinlich die einzige Spielerin, die das Potenzial hat, um eine Olympiamedaille gewinnen zu können“, sagt Kortmann. Ludwig, 1,81 Meter groß, gilt bereits als eine der weltbesten Beachvolleyballspielerinen, einige behaupten sogar, sie sei die beste.

Trainer Wagner, dessen Schützlinge Julius Brink und Jonas Reckermann Welt- und Europameister wurden und in London Gold holten, entwickelte mit dem Team einen Vierjahresplan, der nun nachjustiert wurde. Walkenhorst absolviert derzeit ein behutsames Aufbautraining, bei dem sie selten an ihre Belastungsgrenzen gehen muss. „Kira hat verständlicherweise noch nicht das körperliche Topniveau, das sie braucht, um ein langes Turnier auf konstant hohem Level spielen zu können. Darunter leidet momentan noch die Perfektion im Zusammenspiel“, sagt Kortmann.

„Das stimmt“, sagt Walkenhorst, „ich hatte in Stavanger am Ende ganz schön schwere Beine. Aber wir sind von Spiel zu Spiel sicherer geworden. Viel wichtiger ist jetzt jedoch: Das Ganze macht wieder unglaublichen Spaß, und es ist schon ein tolles Gefühl, wenn du merkst, da geht endlich wieder was!“