Es hätte der 17. WM-Titel von Dart-Ikone Phil Taylor werden können, doch der Schotte Gary Anderson spielte da nicht mit. Selbst Toni Kroos war vom hochspannenden Endspiel in London angetan.

London. Der WM-Triumph über Dart-Legende Phil Taylor ließ Gary Anderson fast die Fassung verlieren. „Phil ist der Beste und wird auch in 100 Jahren noch der Beste sein. Das macht den Sieg gegen ihn besonders“, schwärmte der Schotte nach seinem 7:6-Coup über den 16-maligen Weltmeister in der Nacht zum Montag. In einem hochspannenden Endspiel setzte sich der 44-Jährige eindrucksvoll durch, kurz darauf stemmte er die riesige Trophäe aus silbernen Streben, Granit und rotem Marmor im Londoner Konfettiregen erstmals in die Höhe. „Es wird eine Weile dauern, bis ich es begriffen habe“, kommentierte er bewegt, gab seiner Freundin Rachel einen Kuss, strahlte in die Kameras und durfte sich nebenbei noch über ein Preisgeld von 250.000 Pfund (319.740 Euro) freuen.

Vorausgegangen war in der Karnevals-Atmosphäre im Alexandra Palace ein Dart-Thriller der Extraklasse, ein Spiel, das mehrmals in alle Richtungen kippte. Anderson führte zwischenzeitlich schon mit 3:1, ehe der Engländer eindrucksvoll zurückkam, drei Sätze in Serie gewann und das Match im Best-of-13-Modus in ein 4:3 drehte. Taylor ballte siegessicher die Fäuste, ließ aber die Chancen zum 5:3 aus und war danach sofort wieder im Nachteil: Anderson schaffte es in der hitzigen Atmosphäre ebenso, „The Power“ drei Sätze nacheinander abzutrotzen, ehe Taylor erneut ausgleichen konnte. „Als Phil zurückkam und diese zwei Sätze zum 6:6 gewann, dachte ich, das Spiel sei verloren“, gestand Anderson. Doch der Außenseiter mit dem Spitznamen „Flying Scotsman“ unterschätzte sich selbst – und ließ dem 54 Jahre alten Altmeister im letzten Durchgang keine Chance.

Andersons größter Karriere-Coup hatte sich ein wenig schon im Halbfinale angekündigt, als er die Hoffnungen des letztjährigen Weltmeisters Michael van Gerwen aus den Niederlanden mit einem deutlichen 6:3 zerstört hatte. Immer wieder seit seinem Debüt in der Professional Darts Corporation (PDC) vor sechs Jahren hatte er sein Talent angedeutet und auch wichtige Turniere gewonnen, aber für die absolute Weltspitze zu oft die Konstanz vermissen lassen. Private Schicksalsschläge kamen hinzu: Im Herbst 2011 starb zunächst Andersons Bruder an einem Herzinfarkt, kurz darauf sein Vater Gordon. Der einstige Kaminbauer brauchte etwas Zeit, um sich davon zu erholen – und hat sich jetzt tatsächlich zum neuen Dart-König gekrönt.

Auch Fußball-Nationalspieler Toni Kroos war begeistert. „Gratulation, Gary Anderson“, twitterte der Profi von Real Madrid nach einem „großartigen Finale“ und versah seinen Eintrag mit dem Hashtag „#lovethedarts“. Tomas Seyler, einer der besten deutschen Darts-Spieler, sprach von „einem der großartigsten Finals, das ich je gesehen habe“. Für Taylor dagegen war es ein ungewohntes Gefühl: In seinem 20. WM-Endspiel verlor er erst zum vierten Mal. Zuletzt war ihm das 2007 gegen den Niederländer Raymond van Barneveld passiert. „Er hat großartig gespielt im letzten Satz, er ist ein super Spieler und hat es verdient“, musste die Sport-Ikone eingestehen.

Zieht die PDC-WM in eine größere Halle?

Anderson hatte sich im Halbfinale am Sonnabend 6:3 gegen Titelverteidiger Michael van Gerwen (Niederlande) durchgesetzt, Taylor gegen van Gerwens Landsmann Raymond van Barneveld gewonnen. Der 18-jährige Max Hopp war als letzter deutscher Starter in der zweiten Runde ausgeschieden.

Für den WM-Triumph erhält der vor dem Turnier an Position vier gesetzte Anderson eine Siegprämie von umgerechnet rund 320.000 Euro. Der Alexandra Palace war auch am Finalabend mit rund 2500 Zuschauern restlos ausverkauft. PDC-Präsident Barry Hearn machte den Darts-Fans bereits leise Hoffnung, in den kommenden Jahren in eine größere Halle umzuziehen.