Der Ruder-Achter mit Hamburgs Eric Johannesen, 26, ist der große Favorit bei der Weltmeisterschaft in Amsterdam. Am Sonntag kämpft das Team um Gold. Das Fernziel heißt Rio de Janeiro.

Hamburg. Am Dienstag beginnt für Eric Johannesen wieder der Alltag abseits des Wassers: ein Praktikum bei einem Versicherungsmakler. Der Olympiasieger im Ruder-Achter aus Hamburg studiert seit einem Jahr Wirtschaftsingenieurwesen. Noch sind Semesterferien. Und sein Alltag ist derzeit ein anderer: der Sport.

Bevor es am Dienstag wieder ins Büro geht, kämpft Johannesen am Sonntag um 14.33 Uhr bei der WM in Amsterdam um Gold. Der Achter, das Flaggschiff des deutschen Ruder-Verbandes (DRV), geht als hoher Favorit ins Rennen. „Das Ziel heißt Gold“, sagt Johannesen.

Der Mann vom Ruder-Club Bergedorf ist einer von fünf Olympiasiegern von London, die auch am Sonntag in Amsterdam wieder im deutschen Achter sitzen. Johannesen und seine Kollegen dominieren ihre Disziplin seit Jahren wie nur wenige Mannschaften im Weltsport. Und doch gibt es einen kleinen Makel, den der 26 Jahre alte Hamburger unbedingt vergessen machen will: die Weltmeisterschaft 2013. Fünf Jahre war der DSV-Achter bei großen Wettkämpfen ungeschlagen, in Südkorea riss die Siegesserie ausgerechnet im WM-Finale. Gold ging an Großbritannien. „Diese Niederlage stört uns noch immer“, sagt Johannesen. „Wir hätten gewinnen können, haben aber die falsche Taktik gewählt.“

In diesem Jahr reist Johannesen mit seinem Team erneut ungeschlagen zur WM. Und diesmal will er es besser machen. Bereits im Vorlauf deutete der Achter an, dass er bei dieser WM schwer zu besiegen sein wird. Den großen Konkurrenten Großbritannien ließen die Mannen von Trainer Ralf Holtmeyer souverän hinter sich. „Wir wollten nicht pokern, sondern ein Ausrufezeichen setzen. Das ist uns gelungen“, sagt Johannesen und macht Hoffnung: „Bei 100 Prozent waren wir noch nicht. Wir haben noch Reserven.“

Johannesen gehört im jungen deutschen Achter bereits zu den erfahrenen Athleten. Er übernimmt Verantwortung, auch wenn er bei dieser WM auf der für ihn ungewohnten sechsten Position Platz nimmt. Diese hatte er zuletzt 2006 bei der Junioren-WM inne. Für Johannesen ist die Position aber nicht entscheidend. „Mir ist wichtig, dass der Achter gut läuft. Bei uns können alle auf unterschiedlichen Positionen fahren. Das macht uns auch so stark.“ Im Vorjahr führte Johannesen den Achter bei der Europameisterschaft sogar als Schlagmann. Bei der WM machte er dann wieder Platz für Kristof Wilke. In diesem Jahr heißt der Schlagmann Felix Wimberger, 24. So auch am Sonntag.

Neben Wimberger sind Maximilian Planer, 23, und Malte Jakschik, 21, neu im Team. „Sie haben sich hervorragend in die Mannschaft integriert und machen einen guten Job“, sagt Johannesen. In jedem Fall sei der Achter stärker als bei der WM im Vorjahr.

Auch Holtmeyer sieht Fortschritte: „Zur hohen Sprintfähigkeit beim Start ist mehr Stabilität in der Streckenmitte hinzugekommen“, sagt der Trainer. „Als Vorlaufschnellste sind wir in einer guten Ausgangsposition.“ Größter Gegner könnten in diesem Jahr die Polen sein, die den zweiten Vorlauf überzeugend gewannen. Ging es um Gold, konnten sie ihr Potenzial in den vergangenen Jahren aber nur selten abrufen.

Für Holtmeyer ging es in den vergangenen Tagen auch darum, seine Jungs bei Laune zu halten. Zwischen dem Vorlauf am Montag und dem Finale am Sonntag gab es für den Achter bis auf die Trainingseinheiten keine Wettkämpfe. Umso wichtiger, dass der Austragungsort Amsterdam auch abseits der Sportstätte einiges zu bieten hat. „Wir haben uns bereits mit der Mannschaft die Stadt angeschaut. Das hat sehr gut getan, um mal aus dem Hoteltrott herauszukommen“, sagt Johannesen nach den langen Wochen der Vorbereitung. Das Nachtleben der niederländischen Hauptstadt blieb bislang aber ein Tabu. „Das heben wir uns für Sonntagabend auf“, sagt Johannesen.

Zuvor will der Hamburger am Sonnabend die Rennen seiner Kollegen verfolgen, um sich auch mental in Stimmung zu bringen. Allerdings ist der DRV am Wochenende in den Endläufen der 14 olympischen Klassen lediglich mit sieben Booten vertreten. So bescheiden fiel die Finalbilanz seit der Olympiapleite 2008 in Peking, als die deutsche Flotte erstmals seit 52 Jahren ohne Goldmedaille geblieben war, nicht mehr aus. Am Freitag lösten bei schwierigen Windbedingungen Marcel Hacker im Einer und der Männer-Doppelzweier mit Hans Gruhne/Stephan Krüger das Finalticket. Und im nicht-olympischen Leichtgewichts-Achter holten die Hamburger Torben Neumann und Can Temel (beide RC Allemannia) in 5:31,29 Minuten vor Italien (5:33,87) und der Türkei (5:34,20) Gold.

Das will der Achter am Sonntag nachmachen. Der Endlauf ist auch eine Art Generalprobe für die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro 2016. „Unser Training ist bereits voll auf Brasilien ausgerichtet“, sagt Johannesen. Der Goldmedaillengewinner von 2012 will in zwei Jahren unbedingt wieder dabei sein. „Bis dahin kann aber noch viel passieren“, sagt er. Was im Optimalfall in den kommenden 72 Stunden passiert, weiß Johannesen schon jetzt. Erst Gold im Achter, dann die Party mit dem DRV-Team. Am Montag im Auto mit seiner Freundin zurück nach Hamburg und am Dienstag wieder ins Büro. Spätestens dann hat ihn der Alltag wieder.