Der Argentinier Leonardo Mayer gewinnt beim Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum den ersten Titel seiner Karriere – und überrascht sich damit sogar selbst.

Hamburg. Den Siegerpokal in Form einer Schiffsschraube hatte man ihm in die eine Hand gedrückt, eine Uhr und eine Flasche Champagner in die andere, und so wusste Leonardo Mayer nicht so recht, wie er denn jetzt noch jubeln sollte. Im Feiern von Turniersiegen hat der argentinische Tennisprofi keinerlei Routine. Das finale 6:7 (3:7), 6:1, 7:6 (7:4) gegen den Spanier David Ferrer am Sonntagnachmittag auf dem Centre-Court des Rothenbaums war sein erster Triumph auf der ATP-Tour.

Den Champagner spritzte der 27-Jährige in Richtung seines Trainerteams, das in einer VIP-Loge tanzte, die obligatorische Ansprache an die 5000 klatschenden Zuschauer ließ er wegen mangelhafter Englischkenntnisse aus. Und selbst eine Stunde nach Spielschluss, als er vor den Medienvertretern seine Gefühle schildern sollte, war da noch ein Stück weit Verwirrung zu spüren. „Ich habe immer noch nicht verstanden, dass ich das Turnier gewonnen habe“, sagte er, übersetzt von einer charmanten Spanischdolmetscherin.

Als Mayer nach 2:20 Stunden Spielzeit seinen ersten Matchball verwandelt hatte, war er in den roten Sand gesunken. Niemand anderem war es in dieser Woche, in der der Weltranglisten-46. das beste Tennis seines Lebens gezeigt hatte, gelungen, ihn in die Knie zu zwingen. Erst im Moment des Triumphes versagten die Beine ihren Dienst, anschließend weinte Mayer Tränen der Freude. Und umso süßer schmeckte dieser Erfolg, als er sich an den vorangegangenen Sonntag erinnerte, an das Finale der Fußball-WM, das er in Hamburg gesehen hatte. „Ich war sehr traurig, dass Argentinien verloren hat. Natürlich ist es toll, jetzt ausgerechnet in Deutschland mein erstes Turnier zu gewinnen“, sagte er.

Wer angesichts des Nachnamens eine besondere Verbindung zum Land seines ersten Triumphes vermutete, der wurde enttäuscht. Weder habe er deutsche Wurzeln noch spreche irgendjemand in seiner Familie Deutsch. Aber dass Hamburg für argentinische Tennisprofis durchaus ein gutes Pflaster ist, das wusste Mayer. 2012 war sein Landsmann Juan Monaco am Rothenbaum nicht zu schlagen, im vergangenen Jahr scheiterte Federico Delbonis erst im Finale am Italiener Fabio Fognini. „Wir fühlen uns in Hamburg so wohl, weil der Platz langsam ist. Das liegt unserem Spiel“, versuchte Mayer eine Erklärung.

Man durfte nach so unterhaltsamen wie hochklassigen 140 Minuten Sandplatztennis konstatieren, dass sich der beste Spieler der Turnierwoche durchgesetzt hatte. Bis zum Finale hatte der Argentinier keinen Satz abgegeben, im Halbfinale hatte er beim 7:5, 6:4 die Hoffnungen von Deutschlands Topspieler Philipp Kohlschreiber (Augsburg) auf einen Rothenbaum-Triumph zunichte gemacht. Und gegen den topgesetzten Ferrer, der zwar viele ungewohnte Fehler machte, aber sich bis zum bitteren Tiebreak-Ende gegen die Niederlage stemmte, schlug er sich dank seines brachialen 210-km/h-Aufschlags und der ebenso waffenschein-pflichtigen Vorhand zum Sieg durch.

„Ich bin sehr traurig, dass ich verloren habe, aber ich freue mich sehr für Leo, der den Titel verdient hat“, erkannte Ferrer, der sich in seiner Rolle als Superstar des Turniers würdig verkauft hatte, respektvoll an. Dass er im Halbfinale den Siegeszug des Hamburger Toptalents Alexander Zverev mit einer 6:0, 6:1-Demontage jäh gestoppt hatte (siehe Texte unten), kostete den 32-Jährigen im Endspiel einige Sympathien. Dennoch wurde seine Ankündigung, im kommenden Jahr einen neuen Anlauf am Rothenbaum nehmen zu wollen, mit tosendem Applaus quittiert.

Für seinen ersten Turniersieg kassiert Mayer 272.300 Euro Preisgeld

Auch Leonardo Mayer wird 2015, so er gesund bleibt, wieder in Hamburg aufschlagen. Die 500 Weltranglistenpunkte, die ihm für den Sieg gutgeschrieben wurden, wollen verteidigt werden, und vielleicht ergibt sich dann ja auch die Möglichkeit, die Dankesrede ans Publikum nachzuholen. Zunächst einmal wollte Mayer, der noch auf dem Platz mit seiner Freundin und der Familie in Argentinien telefonierte, aber nicht länger als ein paar Wochen vorausblicken. Er werde an diesem Montag nach Buenos Aires zurückfliegen und sich dann in der Heimat auf die US Open (Start 25. August) vorbereiten, die sein nächster Turniereinsatz sein sollen. Und er wolle versuchen, seinen ersten Turniersieg auch noch ein bisschen zu feiern.

Was er mit den 272.300 Euro Preisgeld zu tun gedenke, wurde Leonardo Mayer zum Abschluss gefragt. Auch damit war er etwas überfordert, hatte aber eine hübsche Antwort parat: „Auf keinen Fall etwas Schlechtes!“ Darauf lässt sich doch aufbauen.