Der Torhüter der Deutschen Nationalmannschaft absolvierte wenige Stunden nach der Ankunft der DFB-Auswahl in Brasilien erstmals nach seiner Schulterverletzung wieder torwartspezifisches Training.

Santo André. Endlich mal gute Nachrichten von der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft: Der zuletzt noch verletzte Stammtorhüter Manuel Neuer hat wenige Stunden nach der Ankunft in Brasilien erstmals wieder torwartspezifisches Training absolviert. Nachdem der 28-Jährige zunächst noch zusammen mit den Feldspielern Ballübungen gemacht hatte, zog er sich nach etwa 20 Minuten erstmals seit 17. Mai wieder die Torwarthandschuhe an. Der Münchner hatte sich beim Pokalfinale eine schmerzhafte Schulterverletzung zugezogen und hatte bis zuletzt pausieren müssen. Für das WM-Ausftaktspiel der DFB-Auswahl am 16. Juni in Salvador gegen Portugal hatte Joachim Löw zuletzt jedoch schon Entwarnung gegeben.

Der Bundestrainer bat seinen 23-köpfigen WM-Kader ab 16 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) zur Premieren-Einheit auf den eigens für das DFB-Team in einem Naturschutzgebiet angelegten Platz unweit des Mannschaftsquartiers Campo Bahia. Die DFB-Stars sollen sich schnell an das Klima anpassen.

Zunächst standen für alle Spieler in einem Unterstand, um offensichtlich vor der Sonne besser geschützt zu sein, Dehn- und Stabilitätsübungen auf dem Programm, dann gab es einige Passformen. Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Miroslav Klose hatten nach ihren Blessuren zuletzt schon wieder gespielt. Der verletzte Marco Reus war kurz vor dem Abflug aus dem Kader gestrichen und durch Shkodran Mustafi ersetzt worden.

Für 15 Minuten hatte Löw den Medien einen kurzen Einblick erlaubt. Am Montag (9.30 OZ/14.30 MESZ) ist sogar eine öffentliche Einheit geplant. Die DFB-Auswahl war am Sonntagfrüh Ortszeit in Santo André angekommen. Nach knapp 15 Stunden im Flugzeug, im knallbunten WM-Teambus und auf der Fähre checkte die Mannschaft in ihrem brasilianischen Quartier ein. Bei fast 30 Grad empfingen singende und klatschende Kinder mit Fähnchen das Team von Bundestrainer Löw an der neu erbauten Anlage, die erst auf den letzten Drücker fertiggestellt wurde.

„Brasilien und seine wunderbaren, herzlichen Menschen werden großartige Gastgeber sein”, äußerte Joachim Löw auf der Internetseite des Weltverbandes (Fifa) zur Ankunft im WM-Land. Der anrührende Empfang der begeisterten Einheimischen am Basisquartier in Santo André bestätigte die Worte des Bundestrainers.

„Es ist gut, dass es nun endlich losgeht”, sagte Teammanager Oliver Bierhoff beim Start der WM-Reise, die möglichst am 13. Juli im Finale in Rio de Janeiro mit dem vierten deutschen Titelgewinn abgeschlossen werden soll. „Wir werden alles geben, wollen mit Herz und Leidenschaft spielen und den deutschen Fußball-Fans Freude bereiten”, verkündete Löw: „Aber ich kann nicht sagen: Wir werden Weltmeister.”

Der geplante große Wurf, 18 Jahre nach dem letzten Titelgewinn bei der Europameisterschaft 1996 in England, dürfte ohne Marco Reus noch schwerer werden. Der 25 Jahre alte Dortmunder konnte wegen seiner schweren Sprunggelenksverletzung aus dem Benefiz-Länderspiel gegen Armenien (6:1) kein Zimmer im Campo Bahia beziehen.

Auf vier Wohngemeinschaften verteilten sich nach der Ankunft die 23 Spieler inklusive Nachrücker Shkodran Mustafi. „Ich finde die Konzeption des Camps spannend”, hatte André Schürrle erklärt: „Ich bin gespannt, man hat so viel gehört über das Campo.”

Nach der Ankunft machte der rund 60-köpfige DFB-Tross auch gleich einmal Bekanntschaft mit dem oft blitzschnellen Wetterumschwung an der Atlantikküste. Plötzlich goss es wie aus Kübeln aus tiefschwarzen Wolken, kurz darauf schien wieder die Sonne. Nach einigen Stunden zur Erholung von der langen Reise sollte am Abend deutscher Zeit auch ein erstes Training von Kapitän Philipp Lahm und Co. auf brasilianischem Boden stattfinden.

Nach knapp zehneinhalbstündigen Flug war das DFB-Team am frühen Sonntagmorgen im WM-Land gelandet. Um 3.30 Uhr (Ortszeit) setzte der Charterflieger auf dem Flughafen in Salvador auf - eine deutsche und eine brasilianische Flagge wurden aus dem Cockpit gehalten. Nach einem kurzen Aufenthalt mit der offiziellen Begrüßung der deutschen Delegation ging es mit einer kleineren Maschine weiter nach Porto Seguro. Im Teambus mit dem Slogan „Ein Land, eine Mannschaft, ein Traum” verlief die Fahrt am Meer entlang Richtung Basisquartier.

Viele Einheimische standen am Wegesrand, es herrschte fast Volksfestatmosphäre - besonders am Fluss Joao da Tiba. Spannend war für Spieler und Betreuer die erste Überfahrt mit der alten Fähre. Alle verließen den Bus, um das Spektakel zu erleben.

„Wenn wir im Campo Bahia angekommen sind, geht es nur noch um die Hauptsache: um Fußball”, sagte Bierhoff. Der Countdown hat begonnen, am 16. Juni ist Portugal in Salvador der erste Gruppengegner, Ghana und die USA folgen. Die mitgereisten Spieler sollen sich in Brasilien allen Herausforderungen stellen - klimatischen, organisatorischen und vor allem sportlichen. „Wir werden nicht lamentieren, wir werden die Bedingungen so annehmen, wie sie sind”, so Bierhoff. „Ich bin überzeugt: Mit dieser Einstellung können wir bei der WM sehr viel erreichen.”

Der Ausfall von Offensivspieler Reus war auch in Brasilien noch nicht komplett verdaut. „Für uns war es ein Schock”, erklärte Löw. Reus war während der WM-Vorbereitung in Topform, ein Fixpunkt in der Wunschelf des Bundestrainers und einer der Hoffnungsträger für den angestrebten vierten WM-Titel nach 1954, 1974 und 1990.

„Marco war super drauf. Er hat vor Spielfreude gesprüht. In unseren Überlegungen hat er eine zentrale Rolle gespielt”, bedauerte Löw. Im Trainingslager in Südtirol hatte er schon den Leverkusener Lars Bender mit einer Oberschenkelverletzung für das Turnier verloren.

Reus selbst war am Boden zerstört. „Ein Traum ist von einer zur anderen Sekunde geplatzt”, sagte der 25-Jährige der „Bild”. Er wünschte seinem Team aber „alles Gute”. Auch die Teamkollegen litten mit Reus. „Es ist bitter für uns und natürlich für ihn. Er war eine Waffe. Er kann Freistöße schießen, ist beweglich”, sagte Torjäger Miroslav Klose.

Bei einem harmlosen Zweikampf war der BVB-Profi mit dem Fuß unglücklich umgeknickt, die niederschmetternde Diagnose lautete Syndesmoseteilriss am linken oberen Sprunggelenk. Erst in sechs bis sieben Wochen werde Reus voraussichtlich wieder ins Training einsteigen können, lautete das Bulletin der DFB-Ärzte - WM-Aus.

Abwehrspieler Mustafi für Offensivkraft Reus - diese überraschende Nachnominierung konnte Löw auch mit den Erkenntnissen des 6:1-Sieges bei der WM-Generalprobe in Mainz gegen Armenien begründen. „Es ging uns nicht darum, Marco Reus eins zu eins zu ersetzen”, erläuterte Löw. Auf den Positionen hinter der Spitze habe er aber mit Podolski, Schürrle, Götze, Müller, Özil, Draxler und auch Kroos „genügend Alternativen”. Deswegen habe er sich für eine weitere Option für den Defensivbereich entschieden, begründete Löw.

Vor allem Schürrle, der an seiner früheren Wirkungsstätte filigran mit der Hacke das erste Tor erzielte, und der von den 27.000 Zuschauern gefeierte 2:1-Schütze Lukas Podolski drängten sich für die vakante Reus-Position auf. „Lukas und André sind körperlich sehr dynamisch, sehr stark”, lobte Löw das Duo.

Kloses Kopfball zum 4:1 war sogar historisch. Mit seinem 69. Länderspieltor übertraf der Angreifer „Bomber” Gerd Müller (68 Tore) und stieg zum alleinigen deutschen Rekordschützen auf. „Man muss abwarten, ob es hilft”, sagte Klose zur beflügelnden Wirkung des Rekordes für seine vierte WM: „Das wird sich nächste Woche zeigen.” Klose sorgt auch für die erste kleine Feier im Campo Bahia: Am Pfingstmontag wird er 36.