Die Hamburger Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig/Kira Walkenhorst haben es in die Weltspitze geschafft. Jetzt machen sie bis zu Olympia 2016 in Rio weiter.

Hamburg. Laura Ludwig ist auf Wohnungssuche. Das hat vor allem damit zu tun, dass es sich Deutschlands beste Beachvolleyballerin inzwischen „gut vorstellen kann“, in Hamburg nicht nur zu trainieren, was sie seit sechs Jahren am Olympiastützpunkt in Dulsberg tut, sondern hier auch zu leben. „Die Stadt gefällt mir immer besser, es gibt viele traumhafte Ecken und Plätze“, sagt sie beim Termin mit dem Abendblatt beim Blick auf Elbe und Hafen, und deshalb würde sie gern aus Wandsbek an den Puls des Geschehens ziehen, nach Eppendorf, Eimsbüttel, Hoheluft oder in die Schanze, „wo alles, was man zum Leben und Vergnügen braucht, in unmittelbarer Nähe liegt“. Wenn nur dieses Problem mit der Miete nicht wäre. Gerade zwölf bis 14 Wochen im Jahr sei sie in der Stadt, „und dann sind 1000 oder noch mehr Euro im Monat für zwei Zimmer schon ein stolzer Preis“, klagt die gebürtige Berlinerin.

Dass Ludwig, 27, überhaupt darüber nachdenkt, in Hamburg sesshaft zu werden, hat viel mit ihrer sportlichen Entwicklung der vergangenen zwölf Monate zu tun. Mit ihrer neuen Strandpartnerin Kira Walkenhorst, 23, aus Essen hat sie sich überraschend schnell in der Weltspitze etabliert, auch wenn das nacholympische Jahr nicht unbedingt ein verlässlicher Gradmesser sei, wie Ludwig meint, „weil einige Teams in dieser Zeit weniger trainieren, andere, wie wir, neu zusammengestellt wurden und sich erst finden müssen“. Die Fakten haben dennoch Aussagekraft: Das Jahr 2013 schloss das HSV-Duo als Weltranglistenvierte ab, in der Setzliste, in der die letzten sechs Turniere zählen, werden die deutschen Meisterinnen, EM-Dritten und WM-Fünften sogar an Position zwei geführt. In jedem Turnier der Weltserie platzierten sie sich unter die ersten zehn, in Moskau und São Paulo erreichten sie das Finale. „Dieser Erfolg übertrifft alle unsere Erwartungen“, sagt Trainer Jürgen Wagner, 57.

Da klingt es wie selbstverständlich, dass Ludwig, Walkenhorst, Wagner, Sportwissenschaftler Hans Voigt, 69, und Hamburgs Landestrainerin Helke Claasen, 36, Anfang Dezember bei einem Treffen in Wagners Heimatstadt Witten (Nordrhein-Westfalen) beschlossen, die Zusammenarbeit bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro fortzusetzen. Ein Selbstgänger war die mehrstündige Unterredung jedoch nicht. „Erfolg ist das eine, aber wir mussten analysieren, unserer aller Erfahrungen auswerten, ob wir fünf wirklich zusammenpassen, ob und wie eine Entwicklung möglich und ob die Bereitschaft vorhanden ist, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen“, sagt Wagner. Schließlich sei das vor anderthalb Jahren für alle eine Art Blind Date gewesen, als das Quintett beschloss, es gemeinsam zu versuchen, „eine Ehe zu führen, ohne dass man sich kennt“.

Beachvolleyballer sind rund 300 Tage im Jahr zusammen, etwa 200 Tage dabei auf Weltreise. Da kann man sich schnell auf die Nerven fallen, wenn die Chemie nicht stimmt. Sie stimmt. Und wenn Ludwig zurückblickt, fällt immer wieder das Wort „Vertrauen“. Das sei gegenseitig von Anfang an vorhanden gewesen: „Wir haben an das geglaubt, was die Trainer uns sagten, und die Trainer haben uns geglaubt, dass wir ihre Vorgaben umsetzen können.“ Wobei Wagner heute zugibt, von der Rasanz überrascht worden zu sein, „wie schnell die beiden dazugelernt haben“.

Ludwigs Neuorientierung wurde nötig, weil ihre langjährige Spielgefährtin Sara Goller, 29, nach Platz fünf bei den Olympischen Spielen 2012 in London ihre Karriere wie erwartet beendete. Ludwigs Wahl fiel auf Kira Walkenhorst. Die galt als eines der größten Talente der Szene, Kreuzbandrisse in beiden Knien ließen indes Zweifel aufkommen, ob ihr Körper die Belastungen einer Profikarriere aushalten würde. Das Resümee nach 15 Monaten und speziellem Krafttraining: Sie kann.

Mit Wagner und Voigt begeisterte der ehemalige Teammanager Olaf Kortmann, 58, die derzeit wohl besten Beachvolleyballtrainer der Welt für das junge Paar. Die hatten Julius Brink/Jonas Reckermann zum EM-, WM- und 2012 zum Olympiasieg geführt. Unter den Zuschauern in London saß damals auch Ludwig. „Eine olympische Medaille war für mich immer ein abstraktes Ziel. Nach dem Sieg von Julius und Jonas wurde dieser Gedanke das erste Mal konkreter. Weil ich gesehen habe, was man mit harter, konsequenter Arbeit alles erreichen kann“, erinnert sie sich.

In der Zusammenarbeit mit Wagner/Voigt und Claasen als kongeniale Ergänzung „haben wir Beachvolleyball quasi neu lernen müssen“, sagt Ludwig. Die Trainer stellten fast alles um, Technik, Taktik, Bewegungsabläufe, änderten die Philosophie. „Früher haben wir Beachvolleyball aus dem Bauch heraus gespielt, jetzt steckt hinter jeder Aktion ein bewusster Plan“, sagen Ludwig und Walkenhorst. Was den beiden bis heute auf den Geist geht. „Ich bin nach jedem Training ziemlich erschöpft, weil wir jede Übung mit extrem hoher Konzentration machen müssen“, sagt Ludwig. Gegenüber früher hätten sie zwar jetzt weniger Trainingseinheiten, die seien jedoch wesentlich intensiver geworden.

Wenn Wagner auf das Jahr 2014 vorausblickt, sagt er, „gibt es weiter viel zu tun“. Viele Baustellen seien geblieben, sie scheinen inzwischen aber beherrschbar. Laura und Kira, sagt Wagner, haben ihr Potenzial nicht einmal zu 80 Prozent ausgeschöpft. Dass sie jeden auf der Welttour schlagen können, haben sie bewiesen. Der erste Turniersieg sollte daher nur eine Frage der Zeit sein.

Für Laura Ludwig wäre es das Ende eines Traumas. Neunmal stand sie in einem Finale, im Oktober in São Paulo reichten nicht mal acht Matchbälle zum Sieg. „Uns haben aber nicht die Hände gezittert, da war auch Pech dabei. Also wird es irgendwann klappen, da mache ich mir keine Sorgen“, sagt sie und lacht.