Das künftige Bundesligateam der Hamburg Towers eröffnet den Talenten in der Stadt neue Perspektiven. Drei von ihnen sollen im Kader des neuen Top-Teams aus Hamburg stehen.

Hamburg. Für dieses Wochenende hatte Louis Olinde gleich drei „ganz wichtige Termine“ in seinem Kalender vorgemerkt: zwei Basketball-Punktspiele und die Einladung zu einer Geburtstagsparty mit anschließender Übernachtung. Der 15-Jährige musste nur kurz überlegen, dann stand seine Entscheidung fest. Er sagte seinem Freund für die Feier ab, nicht leichten Herzens, aber aus voller Überzeugung. „Wenn man sportlich etwas erreichen will, muss man dafür auch investieren. Dann kann man eben nicht auf jede Party gehen“, sagt Olinde. „Basketball ist nun mal meine große Leidenschaft.“

Der Verzicht fällt ihm relativ leicht, und seine Freunde zeigen sogar Verständnis, schließlich sind Olindes sportliche Aussichten glänzend. Mitte Dezember stellte er bei einem Sichtungslehrgang in der Sportschule Kienbaum bei Berlin seine Fähigkeiten eine Woche lang Nachwuchs-Bundestrainer Kay Blümel unter Beweis. Am Ende wurde er in die U16-Nationalmannschaft berufen. 17 Spieler aus ganz Deutschland gehören dem Kader an.

„Louis ist ehrgeizig, talentiert und fokussiert“, sagt Wilbert Olinde, 58. Die väterliche Expertise hat Gewicht. Wilbert Olinde spielte von 1977 bis 1987 als einer der ersten US-Amerikaner in der Bundesliga Basketball und führte sein Göttinger Team als Kapitän zu drei deutschen Meisterschaften. „Ich war ein guter Basketballer“, sagt Wilbert Olinde, „Louis ist auch ein guter Athlet.“ Er bringe alle körperliche Voraussetzungen mit, um eine sportliche Karriere als Korbjäger zu machen.

Louis Olinde vom BC Hamburg ist nicht das einzige Hamburger Talent mit verheißungsvoller Perspektive. Seit sechseinhalb Jahren sichtet und schult Marvin Willoughby, 35, ein ehemaliger Profi und Nationalspieler, die begabtesten Basketballer der Stadt. Er gründete mit seinen Mitstreitern des Wilhelmsburger Vereins Sport ohne Grenzen die Piraten Hamburg, die inzwischen in der Jugend-Bundesliga (JBBL) und der Nachwuchs-Bundesliga (NBBL) als Topmannschaften gelten.

Die 15- und 16-Jährigen sind in ihrer Regionalstaffel punktgleich mit den Hamburg Sharks aus Hittfeld bei je sieben Siegen und einer Niederlage Tabellenführer, die 17- und 18-Jährigen rangieren in der Gruppe Nord der NBBL mit sechs Siegen und drei Niederlagen hinter den Berliner Teams Alba und TuS Lichterfelde auf Platz drei. Trainiert wird zweimal wöchentlich in der Dreifeldhalle des Helmut-Schmidt-Gymnasiums in der Wilhelmsburger Krieterstraße. Thore Pinkepank, Amir Zohri und Özhan Gürel coachen mit Willoughby den Nachwuchs. Die Jugendlichen trainieren außerdem in ihren Stammvereinen, kommen so auf bis zu fünf Übungseinheiten in der Woche.

Vor ein paar Monaten hat Willoughbys Basisarbeit neuen Schwung erhalten. Mitte September stellten die Hamburg Towers im Rathaus ihre Pläne eines Erstligateams vor. Es soll in der nächsten Saison mit einer Wildcard an den Korb gehen (siehe Infowinkel rechts). Willoughby und sein ehemaliger Nationalmannschaftskollege Pascal Roller, 37, sind zwei der sechs Initiatoren des Projekts. „Bekommen wir in Hamburg ein Erstligateam, können wir endlich unsere Talente in der Stadt halten“, sagt Willoughby. Im vergangenen Sommer hatte er mit Ismet Akpinar erneut einen seiner Lieblingsschüler verloren. Der 18 Jahre alte Spielmacher unterschrieb beim Bundesliga-Spitzenclub Alba Berlin einen Vierjahresvertrag. Bislang durfte Akpinar zweimal mit der ersten Mannschaft aufs Feld.

Janis Stielow scheint ähnlich begabt wie Akpinar. Willoughby hält große Stücke auf ihn. Der 18-Jährige wurde gerade für das Allstar-Spiel der NBBL am 18. Januar in Bonn nominiert. In seinen neun NBBL-Einsätzen erzielte Stielow für die Piraten im Schnitt 22,2 Punkte, holte 7,7 Rebounds. Auch in der 2. Bundesliga Pro B ist er beim SC Rist ein Leistungsträger, steht für die Wedeler 21 Minuten pro Spiel auf dem Feld, kommt dabei auf 4,4 Punkte und 2,6 Rebounds. Der U20-Nationalspieler, sagt Willoughby, darf hoffen, in den Kader der Towers aufgenommen zu werden.

„Es ist schön, dass es künftig diese Möglichkeit geben könnte. Dann muss man nicht mehr die Stadt verlassen, um sich weiterzuentwickeln“, sagt Stielow. Er hatte zuletzt die Chance, in den USA auf ein College zu gehen. Für junge deutsche Basketballer war das stets eine attraktive Alternative. Jetzt will Stielow erst einmal in Hamburg bleiben.

Die beiden Jugendmannschaften der Piraten kosten 60.000 Euro pro Saison

Das Projekt Towers scheint genau das Angebot sein, auf das Hamburgs Talente lange hatten warten müssen. „Als ich das erste Mal von den Towers hörte, war ich gleich noch motivierter. Das ging uns allen so“, sagt Jamo Ruppert. Der 19-Jährige spielt in dieser Saison für den VfL Stade, den Aufsteiger in die 2. Bundesliga Pro B. Ruppert, sagt Willoughby, sei ebenfalls ein Kandidat für einen Platz im Kader der Towers. Von zwölf Profis sollen mindestens drei aus Hamburg kommen. Das ist der Plan.

Für Ruppert wäre ein Vertrag bei den Towers die konsequente Fortsetzung seiner Laufbahn. Klappt es nicht, will er es anderswo in der Zweiten Liga versuchen. Obwohl er den Piraten jetzt entwachsen ist, kommt der Abiturient der Eliteschule des Sports am Alten Teichweg einmal in der Woche abends zum Wurftraining nach Wilhelmsburg, selbst wenn er dadurch oft erst um Mitternacht im Bett liegt. „Die Jüngeren erzeugen inzwischen über ihre Leistungen gehörigen Druck, und der führt dazu, immer noch etwas mehr machen zu müssen, um sich durchsetzen zu können. Diese Atmosphäre hebt auf allen Ebenen das Niveau“, sagt Willoughby.

Mit den Towers wäre nun der nächste Qualitätssprung möglich. Jedes Bundesligateam muss eine Nachwuchsmannschaft in der JBBL und eine in der NBBL stellen, zudem sind zwei hauptamtliche Jugendtrainer Pflicht, um die Erstligalizenz zu erhalten. Das erleichtert vieles. Bislang waren Willoughby und seine Mitstreiter auf Spenden und Kleinsponsoren angewiesen, um den Gesamtetat der beiden Teams von rund 60.000 Euro pro Saison zu finanzieren. „Das war immer eine Gratwanderung“, sagt Willoughby. Künftig hofft er, festen Boden unter den Körben zu haben.