Vor den Olypmischen Spielen 2012 war Eileen Hoffmann aus dem deutschen Aufgebot gestrichen worden. Im am Sonnabend startenden World-League-Finale ist die Torjägerin vom Uhlenhorster HC eine wichtige Führungsfigur.

Hamburg. Das Leben, sagt Eileen Hoffmann, besteht aus vielen Bausteinen. Wenn einer runterfällt, dann bricht für sie nicht gleich alles zusammen. Gelassen spricht die 29-Jährige diese Sätze aus, und doch hat es einer gehörigen Enttäuschung bedurft, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Im Sommer 2012 war die Hockey-Nationalspielerin, die in der Bundesliga für den Uhlenhorster HC stürmt, kurz vor den Olympischen Spielen in London aus dem deutschen Aufgebot ausgebootet worden. Ohne dass es sich angekündigt hätte, strich der damalige Bundestrainer Michi Behrmann die gebürtige Berlinerin, einleuchtende Gründe konnte er nicht nennen. Ein Lebenstraum war geplatzt.

Ein gutes Jahr später hat Eileen Hoffmann mit der tiefen Enttäuschung, die sie damals in sich trug, längst abgeschlossen. Sie hat schnell aufgehört, nach Erklärungen zu forschen, und sich stattdessen den Dingen gewidmet, die sie beeinflussen konnte: Ihrem Auftreten im Verein, aber auch ihrem beruflichen Fortkommen. Mittlerweile arbeitet sie für den Versicherer Hanse Merkur im Online-Marketing, als Dankeschön für die Geduld ihres Arbeitgebers im Hinblick auf ihren zeitraubenden Sport leitet sie ehrenamtlich zwei firmeninterne Laufgruppen. Sie ist beim UHC als Führungsfigur nicht wegzudenken, und weil der neue Bundestrainer Jamilon Mülders, der Behrmann nach dem enttäuschenden siebten Olympiaplatz abgelöst hatte, ihre Dienste sehr zu schätzen weiß, ist sie auch im Kader der deutschen Nationalmannschaft wieder eine feste Größe.

Am gestrigen Montag flog sie mit der DHB-Auswahl nach Argentinien. In Tucuman, der kleinsten Provinz im Norden des Landes, wird von diesem Sonnabend an das Finale der World League ausgetragen. Deutschland trifft in der Vorrunde auf die Niederlande (Sa.), Südkorea (So.) und England (Di.). In Gruppe B messen sich Argentinien, Australien, China und Neuseeland. Die Deutschen, die in diesem Jahr den EM-Titel holten, sehen das neue Format als Testlauf für die WM 2014 in den Niederlanden. „Wir können uns auf höchstem Niveau einspielen. Eine bessere Standortbestimmung kann es doch gar nicht geben“, sagt Hoffmann.

Das jähe Olympiaaus habe sie gelassener werden lassen. „Und ich genieße die Zeit, die ich mit dem Nationalteam habe, jetzt bewusster und erlebe die Siege intensiver“, sagt sie. Mülders sagt, er könne auf seine Top-Athletin nicht verzichten. „Eileen bringt ein unglaubliches Verständnis für unsere taktischen Vorhaben mit. Sie ist im Schusskreis brandgefährlich, athletisch in bester Verfassung, und menschlich eine ganz wichtige Führungsfigur für unsere junge Mannschaft“, lobt der Bundestrainer.

Eileen Hoffmann findet, dass sich die deutsche Auswahl seit Mülders’ Amtsantritt extrem verändert hat. „Wir spielen und denken viel offensiver, sind mutiger und konzentrieren uns nicht mehr so viel auf den Gegner, sondern ziehen unser Spiel durch“, sagt sie. Die Stärkung des Individuums, die Mülders mit dem Prinzip der langen Leine eingeführt hatte, sei der Schlüssel zum Erfolg. „Jede von uns will den größtmöglichen Ertrag, und wer da nicht mitzieht, fällt automatisch raus. Aber es ist kein Zwang, keine ständige Überwachung mehr da, und das macht uns stärker.“ Es sei hilfreich, dass Mülders seine Turnierkader stets sehr früh benenne, „das gibt Sicherheit und Planbarkeit“. Dass immer wieder hochbegabte Talente ohne Länderspielerfahrung nominiert würden, käme zudem dem strategischen Aufbau sehr zugute. Gegenüber dem EM-Kader hat Mülders sein Aufgebot für Argentinien auf immerhin sieben Positionen verändert, um jungen Spielerinnen die Möglichkeit zu geben, in Wettkampfsituationen Erfahrungen zu sammeln.

Spätestens 2016, bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, werde man die spielerisch beste deutsche Damenmannschaft aller Zeiten sehen, davon ist Eileen Hoffmann überzeugt. Ob sie dann noch dabei ist? „Ich denke derzeit nur bis zur WM 2014, die Vorbereitung darauf beginnt ja mit dem World-League-Finale“, sagt sie. Angst, dass ihr vor der WM das Gleiche passieren könnte wie vor London, hat sie keine. Weil sie jetzt weiß, dass davon die Welt nicht untergehen würde. Und auch, weil sie spürt, dass sie ein ganz wichtiger Baustein ist. (bj)