Der Hamburger Pat Elzie, 52, trainiert seit vier Jahren die Basketballer des SC Rasta Vechta. Mit dem Kleinstadtclub stieg er von der dritten Liga in die erste auf. Nach Hamburg zieht es ihn nicht zurück.

Vechta. Es liegt ein gewisser Stolz in den Augen Patrick „Pat“ Elzies, 52, als er zum Rundgang in den Rasta Dome einlädt. Die Halle im Gewerbegebiet der Kleinstadt Vechta (30.500 Einwohner) ist die Spielstätte des SC Rasta, dem Aufsteiger in die Basketball-Bundesliga. Die erst vor anderthalb Jahren eingeweihte Arena wird gerade für 1,5 Millionen Euro um 1200 auf 3200 Plätze erweitert. Die wohlhabende Stadt mit einer Arbeitslosenquote von derzeit unter zwei Prozent teilt sich mit Vereinspräsident und Hauptsponsor Stefan Niemeyer, einem Futtermittel-Fabrikanten, die Kosten. Die Bundesliga (BBL), die am 3. Oktober in die neue Saison startet, schreibt eine Mindestkapazität von 3000 Zuschauern vor. Ausnahmen werden nicht mehr gewährt.

„Bei unseren Heimspielen herrscht eine unfassbare Stimmung“, erzählt der Trainer, ein Deutsch-Amerikaner, „und die Party endet nicht mit Spielschluss. Bis spät in die Nacht, manchmal bis zwei, halb drei, feiern hier die Menschen im Obergeschoss am Tresen munter weiter. Der Rasta Dome ist zum Epizentrum des Lebensgefühls dieser Stadt geworden.“

Hamburger Abendblatt: Herr Elzie, Hamburg wartet seit zwölf Jahren, seit dem Abstieg der BC Johanneum Tigers, auf ein Basketball-Bundesliga-Team. Sie haben in den vergangenen drei Jahren mit dem SC Rasta den Aufstieg von der dritten in die erste Liga geschafft. Warum war das in Vechta möglich und in Hamburg nicht?

Patrick Elzie: Basketball ist in Deutschland ein Spiel der Klein- und der Universitätsstädte. Das war schon vor zwanzig und dreißig Jahren so, als ich noch selbst in der Bundesliga spielte. Basketball ist hierzulande eine Randsportart geblieben, und die ist eben vornehmlich dort Zuhause, wo der Platzhirsch Fußball fehlt und das gesellschaftliche wie kulturelle Angebot eher mager ausfällt. In Vechta sind wir die Nummer eins, und die entsprechende Unterstützung erfahren wir. Jedes Unternehmen der Stadt will dabei sein.

Die Erfolge von Alba Berlin und Bayern München scheinen aber Ihrer These, dass Basketball in Großstädten keinen Platz hat, zu widersprechen.

Elzie: Das sind zwei spezielle Konstellationen. Mit Alba hat eine große Firma in Berlin Gefallen am Basketball gefunden. Die Mannschaft ist vor zehn Jahren zu einem führenden Team Europas aufgestiegen und ist in Berlin zu einer Kultmarke geworden. In München stehen der mächtige FC Bayern und Präsident Uli Hoeneß hinter dem Projekt. Köln und Frankfurt sind wiederum Gegenbeispiele. Die Kölner Basketballer sind trotz des Gewinns der Meisterschaft 2006 drei Jahre später pleite gegangen. Und die Frankfurt Skyliners kämpfen seit einiger Zeit ums Überleben.

Was bedeutet das für die Pläne der Hamburg Towers, die zur Saison 2014/15 mittels einer Wildcard in die Bundesliga aufgenommen werden wollen?

Elzie: Ich habe lange genug in Hamburg gelebt, zwei meiner drei Kinder gehen hier noch zur Schule, um zu wissen, wie schwierig es ist, in der Stadt eine neue Profisportart zu etablieren. Die BC Johanneum Tigers zum Beispiel haben es zwischen 1999 und 2002 nicht geschafft; was sicherlich auch an dem wenig professionellen Umfeld des Vereins lag, um es mal freundlich auszudrücken. Hamburg hat zwei Fußballclubs in der ersten und zweiten Liga, ein attraktives Eishockey- und ein sehr erfolgreiches Handballteam. Beide verdanken allerdings ihre Existenz sehr freigiebigen Eignern, die in den vergangenen zehn Jahren, wie man hört, zweistellige Millionensummen in die Clubs gepumpt haben. Dazu kommen hochklassige kulturelle Angebote, überhaupt gibt es unzählige Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Irgendwann ist das Geld der Menschen und Unternehmen auch endlich.

Und mit Basketball lässt sich kein Geld verdienen?

Elzie: Der deutsche Meister Brose Baskets Bamberg, Bayern München und Alba Berlin machen vermutlich Gewinn. Dem Rest fällt es schwer, auf eine schwarze Null zu kommen, ohne dass ich nun jeden Etat kenne.

Geben Sie den Towers in Hamburg trotz dieser Bedenken eine Chance?

Elzie: Wenn das Marketingkonzept stimmt, und das scheint, was ich höre, zu stimmen, warum nicht. Es sollte doch möglich sein, in Hamburg 3000 bis 4000 Leute regelmäßig für Basketball zu begeistern. Ich wünsche mir, dass es funktioniert. Hamburg ist eine richtig geile Stadt mit einer attraktiven Mischung von Menschen verschiedener Kulturen. Da gehört Basketball einfach dazu. In Hamburg sollte es zudem wie in Berlin machbar sein, NBA-Teams in die Stadt zu holen, zum Beispiel Dirk Nowitzki mit den Dallas Mavericks. Die locken bestimmt 10.000 Zuschauer in die O2 World.

Was unterscheidet das Projekt der Towers von dem der BCJ Tigers?

Elzie: Es scheint mir alles viel solider, nachhaltiger geplant und mit der Nachwuchsarbeit in der Stadt vernetzt zu sein als zu Zeiten der Tigers vor zehn bis 14 Jahren. Mit den ehemaligen Nationalspielern Marvin Willoughby und Pascal Roller hat das Projekt zwei fantastische Aushängeschilder. Nach Pascal ist ja schon ein Ehrenpreis benannt worden, als er gerade 34 Jahre alt war. Das spricht für seine hohe Reputation in der Szene. Die wird den Towers nutzen.

Ist es der richtige Weg, über eine Wildcard in die Erste Liga kommen zu wollen?

Elzie: Ich maße mir da keine Ratschläge an. Ich glaube allerdings, dass der sportliche Aufstieg aus der Zweiten Liga Pro A, wie es Bayern München zwei Jahre lang versucht hat, viele Vorteile bietet, nicht nur wirtschaftliche. Man gewinnt Zeit, um in die Aufgabe hineinzuwachsen. Der neu gegründete Verein und sein Umfeld können wertvolle Erfahrungen sammeln, vor allem in der Organisation, und das Projekt könnte mit einer positiven Geschichte eingeführt werden, nämlich dem Aufstieg. Das schafft eine hohe Identifikation bei den Zuschauern und schraubt die Erwartungen in der Ersten Liga nicht gleich ins Unermessliche. Von einem Aufsteiger erwartet man nicht unbedingt im nächsten Jahr die Teilnahme an den Play-offs, von einem Wildcard-Team möglicherweise schon.

Die Towers suchen für die Saison 2014/2015 einen namhaften Trainer. Ihr Name ist in diesem Zusammenhang schon öfter gefallen. Wäre der Job etwas für Sie?

Elzie: Ich würde leugnen, wenn dieser Gedanke nicht einen gewissen Reiz auf mich ausüben würde. Schließlich ist meine Mission in Hamburg unvollendet geblieben. 2002 bin ich als Trainer mit den BC Tigers wieder in die Erste Liga aufgestiegen, obwohl wir nur den sechsthöchsten Etat hatten. Aber kurz danach meldete der Verein Insolvenz an, und wir mussten in der Regionalliga neu anfangen.

Sie würden es also machen?

Elzie: Moment, Moment! Ich habe in Vechta paradiesische Zustände. Man schätzt meine Arbeit…

…nach zwei Aufstiegen in zwei Jahren sollte das selbstverständlich sein.

Elzie: …und man vertraut mir. Ich habe keinen Vertrag, ein Handschlag reicht hier seit vier Jahren aus. Das würde ich niemals leichtfertig aufgeben.

Weil Sie in Ihrer Karriere schon andere Erfahrungen gemacht haben? Sie waren auf allen Ihren Trainerstationen erfolgreich, sind aufgestiegen oder haben den Klassenerhalt unter oft widrigen Umständen geschafft, aber nach dem ersten Rückschlag mussten Sie meistens sofort gehen.

Elzie: Und das, obwohl es für diese zeitweiligen Rückschläge immer Erklärungen gab, wie zum Beispiel Verletzungen wichtiger Spieler oder finanzielle Nöte des Clubs.

Wie erklären Sie Ihren Erfolg in Vechta?

Elzie: Der entscheidende Faktor ist der Zusammenhalt, in der Mannschaft, im Verein, im Umfeld. Alles wird intern geregelt. Kein Streit, keine Meinungsverschiedenheit, die es schon mal gibt, wird nach außen getragen. Hierin unterscheiden wir uns, wenn ich das sagen darf, doch ziemlich deutlich vom HSV. Dieser Zusammenhalt ist extrem leistungsfördernd, alle geben für das gemeinsame Ziel alles. Sieben Spieler der Aufstiegsmannschaft bilden deshalb auch den Kern unseres neuen Kaders, nur fünf Spieler sind dazugekommen. Ich halte nichts davon, selbst wenn das Geld vorhanden ist, eine Mannschaft zusammenzukaufen. Das klappt in den seltensten Fällen. Ein Team muss wie ein Verein wachsen. Nur dann kann es langfristig erfolgreich sein.

Ihnen stehen nicht einmal 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Reicht das beim einem Durschnittsetat der Liga von 4,5 Millionen Euro für den Klassenerhalt?

Elzie: Natürlich ist das eine Herausforderung. Aber unser Teamgeist und die Begeisterung unserer Fans stellen einen nicht zu unterschätzenden geldwerten Vorteil dar.

Ist in Vechta auf absehbare Zeit etwas anderes als Abstiegskampf denkbar?

Elzie: Die Gegend ist eine der reichsten Deutschlands. In Vechta und Umgebung haben mehrere Firma, die Weltmarktführer sind, ihren Stammsitz. Das wirtschaftliche Potenzial für Basketball ist in Vechta noch längst nicht ausgeschöpft.

Erschwert es Ihre Mission, dass in Quakenbrück (12.500 Einwohner) und Oldenburg (158.000) ganz in der Nähe Vechtas zwei Spitzenteams der Basketball-Bundesliga beheimatet sind?

Elzie: Jeder dieser Vereine hat sein eigenes Einzugsgebiet. Wir streiten uns weder um Sponsoren noch Spieler.

Jan Pommer, der Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga, hat als Ziel ausgegeben, dass die BBL bis 2020 die stärkste Liga Europas werden soll. Wie realistisch ist das?

Elzie: Das ist ein ambitioniertes Ziel, weil die spanische Liga trotz der Auswirkungen der Finanzkrise im Moment noch einen erheblichen Vorsprung hat. Andererseits sucht die Infrastruktur der BBL ihresgleichen. Überall sind neue Hallen gebaut worden, der Zuschauerschnitt ist auf 4500 geklettert, der Gesamtetat der Liga auf mehr als 81 Millionen Euro. Der nächste Schritt muss es sein, das uns auch die großen TV-Sender wieder ins Programm nehmen. Dann können wir die Nummer eins in Europa werden.

Und wie steht es sportlich um den Basketball in Deutschland?

Elzie: Ebenfalls besser denn je. Die Qualität ist auf allen Ebenen gestiegen, der Nachwuchs macht mir Hoffnung. Erstmals spielen fünf Deutsche in der NBA. Würden die alle in der Nationalmannschaft auflaufen, was bei der vergangenen Europameisterschaft keiner der fünf tat, könnten wir mit Frankreich und Spanien um den Titel konkurrieren.

Herr Elzie, Sie haben als gebürtiger US-Amerikaner inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Fühlen Sie sich als Schwarzer in diesem Land integriert?

Elzie: Ich bin schon ein Leben lang schwarz, also weiß ich, was Rassismus ist. Den habe ich in den USA zu spüren bekommen, aber auch in Deutschland. Das ist traurig, wo doch gerade in Europa Nationen und Kulturen beginnen zusammenzuwachsen. In Vechta jedoch fühle ich mich pudelwohl, weil ich hier unter Schwarzen bin (lacht).

Sie spielen auf die Bundestagswahl an, bei der die CDU in Vechta rund zwei Drittel Stimmen erhalten hat. Dann haben Sie bestimmt auch bei den Schwarzen Ihr Kreuz gemacht.

Elzie: Das bleibt mein Geheimnis. Das weiß nicht einmal die NSA. Oder?