„Albatros“ Michael Groß spricht von einer „großen Chance für den deutschen Sport - weil er nicht mehr DOSB-Präsident ist“. Auch Ex-Leichtathletin Heidi Schüller wundert sich über die Bach-Wahl.

Köln/Hamburg. Der dreimalige Schwimm-Olympiasieger Michael Groß hat heftige Kritik am neuen IOC-Präsidenten Dr. Thomas Bach geübt und „nach den vielen Worten jetzt Taten“ gefordert. Bachs Wahl an die Spitze des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sei „eine große Chance für den deutschen Sport - nicht, weil er jetzt IOC-Präsident, sondern weil er nicht mehr DOSB-Präsident ist“, sagte der fünfmalige Weltmeister.

In Bachs Zeit als Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sei vieles liegen geblieben. „Welche wirklichen Fortschritte hat es in den letzten sieben Jahren gegeben?“, fragte der „Albatros“ und antwortete selbst: „Einzig, dass der Sport bei der Kürzung der öffentlichen Mittel weitgehend ungeschoren davon gekommen ist.“ Der neue DOSB-Präsident müsse sich endlich für ein Anti-Doping-Gesetz einsetzen, das Bach stets strikt abgelehnt hatte.

Zudem mahnte Groß „eine neue Organisationsstruktur für den deutschen Spitzensport an. Darüber ist 2005 intensiv gesprochen worden, es ist aber im Prinzip nichts passiert.“ Ein weiteres elementares Thema sei die Verbindung von Schule und Sport, „da kann sich der DOSB nicht zurückziehen“. Als Nachfolger würde Groß „jemanden von außen, der unabhängig ist“, bevorzugen. Den derzeit gehandelten Kandidaten traut er nicht zu, diese Aufgaben zu bewältigen. „Sie sind zu sehr mit dem System verwoben“, sagte Groß.

Von Bach fordert Groß im neuen Amt Taten

DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, Rainer Brechtken, Sprecher der Spitzensport-Verbände im DOSB, und Christa Thiel, Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) und Vizepräsidentin Sport im DOSB, gelten als mögliche Nachfolger. Von Bach fordert Groß im neuen Amt Taten. „Nachdem er das jahrelange Taktieren für seine Person erfolgreich abgeschlossen hat, hoffe ich, dass er einige Dinge wie das Thema Doping wirklich engagiert angeht und da einige Treffer landet“, sagte Groß und schlug vor: „Jeder, der mit Doping betrogen hat, darf nie mehr bei Olympia teilnehmen - das wäre wirklich abschreckend.“

Die sogenannte Osaka-Regel hatte der internationale Sportgerichtshof CAS 2011 gekippt, die angekündigte Neuregelung lässt auf sich warten. Auch den Gigantismus der Olympischen Spiele müsste Bach eindämmen, meinte Groß: „Was sollen Winterspiele in Sotschi? Sie kosten gigantische Summen und sind buchstäblich deplatziert.“

„Ich halte ihn nicht für den besten Kandidaten“

Auch die ehemalige Spitzenathletin Heidi Schüller hat die Bach-Wahl mit deutlichen Worten kritisiert. „Ich halte ihn nicht für den besten Kandidaten. Man wundert sich, mit welch sonderbarer Biographie, mit welch sonderbaren Verbindungen, die man eingegangen ist, man dieses Amt bekommt“, sagte die 63 Jahre alte frühere Leichtathletin. „Offensichtlich ist er der richtige Strippenzieher.“

Schüller hofft wie Micael Groß darauf, dass der nächste Präsident des DOSB neue Impulse im Anti-Doping-Kampf und der Doping-Aufklärung setzt: „Es könnte sich wirklich etwas bewegen. Es war schon merkwürdig, wie er sich zum Thema Doping verhalten hat. Da waren viele Lippenbekenntnisse und wenig Effizientes. Vielleicht geht es mit einem anderen besser.“ Grundsätzlich wünscht sich die Ärztin einen kommunikativeren DOSB-Präsidenten, „der sich für die Interessen der Athleten einsetzt“.

„Zum Thema Doping muss er mehr gewusst haben“

Mit der von ihr mitgegründeten Initiative „Wir gegen Doping“ hat Schüller dem neuen IOC-Präsidenten zum Thema Doping bereits einen Brief geschrieben, „mit sehr konkreten Forderungen, mit denen man aus Sicht der Athleten das Dopingproblem zumindest bei uns in den Griff bekommen könnte, wenn man das wollte“, so Schüller, die 1972 bei den Olympischen Spielen in München als erste Frau den olympischen Eid für die Athleten gesprochen hatte.

Schüller hatte Bach Anfang August nach Bekanntwerden der Studie über Doping in Westdeutschland der Scheinheiligkeit bezichtigt. „Zum Thema Doping muss er mehr gewusst haben, als er zugibt“, sagte Schüller damals.