Thomas Bach will Präsident des Internationalen Olympischen Komitees werden. Beim Triathlon in Hamburg sprach er über seine Kampagne.

Hamburg. Es waren diese zwei Tage in Hamburg, an denen Thomas Bach, 59, für ein paar Momente seinen Wahlkampf um den Vorsitz des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vergessen durfte. Bach genoss am Sonnabendnachmittag auf dem Rathausmarkt den Sieg der Triathleten Anne Haug beim Eliterennen der Frauen, die Siegerehrung nahm er anschließend persönlich vor. Am Sonntagmorgen saß er im Hotel Marriott am Gänsemarkt mit der deutschen Mannschaft zusammen, die sich auf die Staffel-Weltmeisterschaft am Nachmittag einstimmte. Deren Sieg feierte er auf der Tribüne. „Unsere Sportler haben mir erzählt, dass sie beim Hamburger Triathlon nachempfinden können, wie sich Fußballstars fühlen müssen, wenn sie in ein voll besetztes Stadion einlaufen. Das sind dieserart Emotionen, für die Sportler leben“, sagt Bach. „Diese Begeisterung trägt die Veranstaltung und macht sie zu einer ganz besonderen.“

Bachs besondere Veranstaltung ist für den 10. September in Buenos Aires terminiert. An diesem Nachmittag stimmen rund 100 IOC-Mitglieder über ihren neuen Präsidenten ab, den Nachfolger des Belgiers Jacques Rogge, 71. Neben Bach kandidieren IOC-Finanzchef Richard Carrion (Puerto Rico), 60, Ng Ser Miang (Singapur), 64, Denis Oswald (Schweiz), 66, Sergej Bubka (Ukraine), 49, und Wu Ching-Kuo (Taiwan), 66. Dem Deutschen werden die besten Chancen eingeräumt.

Bach setzt auf Glaubwürdigkeit, auf das Vertrauen in seine Person, das er sich in den mehr als 20 Jahren seines Engagements für die internationale Sportbewebung erworben hat. Während seine fünf Konkurrenten zum Teil hochkarätige Berater und Agenturen in ihre Kampagnen eingebunden haben, vertraut Bach dem persönlichen Gespräch. „Ich setzte auf Authentizität“, sagt Bach, „alles andere passt auch nicht zu mir. Ich glaube, es kommt vielmehr darauf an, die Denkweise eines Kandidaten zu verstehen, zu ahnen, wie wie er reagiert, wenn unerwartete Probleme auftauchen. Wird er dieser Situation Herr, ist auf ihn Verlass? Das sind doch entscheidende Fragen.“ Seine Bewerbungsrede am 4. Juli in Lausanne vor den IOC-Mitgliedern hatte er einen Monat zuvor auf einem Flug von München nach New York konzipiert und später zu Hause überarbeitet. Die Rede, wird berichtet, sei bei den Zuhörern sehr gut angekommen.

Hauptpunkt des Bachschen Programms, das er mit „Einheit in Vielfalt“ überschrieben hat, bildet die Abkehr vom olympischen Gigantismus, die weitestgehende mögliche Reduzierung von Sportstätten auf das Notwendigste. „Wir sollten bei künftigen Bewerbungsverfahren um die Ausrichtung Olympischer Spiele den Städten nicht Kriterien überstülpen, die dem Standard entwickelter Industrieländer entsprechen. Damit nehmen wir uns die Chance, etwas zu verändern“, sagt der Kandidat. Die Absenkung der Anforderungen hätte zudem den Vorteil, dass Olympia nicht ständig nach dem bekannten Schema und der üblichen Ausstattung abliefe, sondern dass kreative Spielräume für andere Varianten geschaffen werden, angepasst an die kulturellen wie gesellschaftlichen Gegebenheiten vor Ort. „Es muss nicht immer ein westliches Konzept sein. Und wir müssen den Veranstaltern nicht bis ins Detail vorschreiben, wie sie die Spiele auszurichten haben, ob der Hallenboden nun grün, blau oder gelb auszusehen hat.“

Olympia soll bezahlbar bleiben, fordert Bach. Keine Bauten, keine Stadien, keine Hallen, die nicht später zu angemessenen Betriebskosten genutzt werden können. Nachhaltigkeit statt Mahnmale der Verschwendung. Der Rück- oder Abbau von Sportstätten sei eine Möglichkeit, die bereits in London 2012 praktiziert wurde. Die Basketball-Arena zum Beispiel wurde nach Rio de Janeiro verschifft, wo 2016 die nächsten Sommerspiele stattfinden. Das Gelände in London steht jetzt für neue Investitionen offen. Angesichts der massiven Proteste der brasilianischen Bevölkerung während des Fußball-Konföderationen-Pokals sind Bachs Vorstellungen nicht nur zeitgemäß, sondern vielleicht überlebenswichtig für die olympische Bewegung. An bestimmten Grundwerten will Bach jedoch nicht rütteln. „Das olympische Dorf bleibt!“ Auch sollten Olympische Spiele allen Versuchungen widerstehen, von der Unterhaltungsindustrie vereinnahmt zu werden.

Von den bisherigen olympischen Rahmendaten für Sommerspiele, maximal 10.500 Sportler, 28 Sportarten und rund 300 Medaillenevents, hält Bach nur die Höchstzahl an Athleten für nicht verhandelbar. Das Programm sollte flexibler werden, Trends den Weg leichter zu Olympia finden. Für Rio hatte die IOC-Executive jedoch vor einem Monat entschieden, keine weiteren Wettbewerbe aufzunehmen, um die Organisation nicht zusätzlich zu belasten. Die Triathleten hatten gehofft, 2016 mit ihrer attraktiven Mixed-Staffel an den Start gehen zu können. Die 80 Teilnehmer wollten sie aus dem Kontingent der Einzelstarter rekrutieren. „Trotzdem hätte es erheblichen Mehraufwand bedeutet“, sagt Bach.

Zweites zentrales Anliegen bleibt für Bach die Entwicklung der Jugendspiele – angesichts dessen, dass weltweit immer weniger Kinder und Jugendliche Sport treiben. „In Deutschland jammern wir da auf hohem Niveau, global betrachtet ist die Lage weit dramatischer.“ Bach möchte die olympischen Jugendspiele deshalb für Bewegungsangebote öffnen. „Warum soll der Hip-Hopper oder Skateboarder nicht in einer Halle mit den Turnern seine Kunststücke vorführen?“ Momentan erreiche man vor allem Nachwuchssportler, die bereits in den Wettkampfbereich eingebunden sind. Auch könnten sich über die Jugendspiele Sportarten profilieren, die den Sprung ins olympische Programm nicht geschafft haben. „Dieses Potenzial müssen wir konsequenter abschöpfen.“

Bachs dritter Schwerpunkt ist eine stärkere mediale Präsenz der olympischen Sportarten in den Jahren zwischen den Spielen, der Aufbau eines „Olympic-TV-Channels“. Hier gelte es mit Verbänden, Fernsehanstalten, Internetanbietern und Sponsoren neue Kanäle der kontinuierlichen Verbreitung zu schaffen. „Vorbilder sind ein wichtiger Bestandteil der Motivation“, sagt Bach, „sie müssen aber auch gesehen und wahrgenommen werden können.“ Sein Programm, glaubt Bach, sei im IOC mehrheitsfähig. „Es ist keine Revolution, eher ein Evolution. Die Notwendigkeit zu Veränderungen wird von vielen gesehen.“

Auch für Bach selbst würde sich im Fall seiner Wahl einiges ändern. Er kündigte an, seinen Wohnsitz von Tauberbischofsheim nach Lausanne, die Stadt des IOC-Sitzes, zu verlegen. Seine beruflichen Tätigkeiten will der Wirtschaftsanwalt zum größten Teil aufgeben, nur den Aufsichtsratsvorsitz der Michael Weinig AG, eines weltweit tätigen Maschinenbauunternehmens aus seiner Heimatstadt, möchte er behalten. Die Ethikkommission des IOC, sagt Bach, hätte das bereits gebilligt. Dass die IOC-Präsidentschaft ein Ehrenamt ist, begrüßt Bach. „Der olympische Sport ist nicht wie der Fußball durchgehend professionell organisiert. Das Ehrenamt passt in diese Bewegung. Und es verschafft die nötige Unabhängigkeit, die mir immer wichtig war.“

Thomas Bach wird bis zu der Abstimmung in Buenos Aires noch die eine oder andere (Wahlkampf-)Reise antreten. Die World Games Ende Juli, Anfang August in Cali (Kolumbien), die Spiele der nicht-olympischen Sportarten, wird er besuchen wie die laufenden Weltmeisterschaften der Schwimmer in Barcelona und die der Leichtathleten Mitte August in Moskau. „Zu allen diesen Veranstaltungen wäre ich aber auch gefahren, wenn ich mich nicht um das Amt beworben hätte“, sagt Bach. Das eine oder andere zusätzliche Bewerbungsgespräch wird er dennoch gern führen. Reden ist Gold.