Die deutschen Triathleten krönen ein grandioses Wochenende mit dem Sieg bei der Teamstaffel-Weltmeisterschaft – die künftig fest am Rathausmarkt etabliert werden soll.

Hamburg. Als er auf die Laufstrecke ging, schoss Franz Löschke noch einmal durch den Kopf, was ihm Jan Frodeno über Cameron Dye gesagt hatte: dass der nämlich „beim Laufen sowieso steht“. Das war natürlich eine maßlose Übertreibung, aber schon nach wenigen Metern auf dem blauen Teppich ausgangs des Rathausmarkts sah es tatsächlich so aus, als habe der Olympiasieger von 2008 mit seiner Einschätzung recht behalten. Löschke, der letzte Starter in der deutschen Triathlonstaffel, schwebte am bis dahin führenden Dye vorbei, so als habe er und nicht der Amerikaner das Einzelrennen am Vortag ausgelassen. In diesem Moment nahmen die Dinge einen Lauf, der nach 1,6 Kilometern mit dem etwas überraschenden Heimsieg bei der Mixed-Team-Weltmeisterschaft enden sollte. Ein ohnehin grandioses Triathlonwochenende hatte einen perfekten Abschluss gefunden.

„Auf deutschem Boden den WM-Titel zu erringen ist das Größte und macht mich schon stolz“, sagte Frodeno, frisch biergeduscht von der Siegerehrung auf dem Rathausmarkt. Er, Anja Knapp und die Einzelsiegerin Anne Haug hatten mit ihren beherzten Rennen Löschkes Triumphlauf durchs Spalier von 150.000 euphorisierten Zuschauern in der Innenstadt erst möglich gemacht. Sie – und Non Stanford. Die Britin war, klar in Führung liegend, am Hauptbahnhof aus der Pedale gerutscht und schwer gestürzt, kam aber entgegen ersten Befürchtungen glücklicherweise ohne ernsthafte Verletzung davon.

Damit aber war der Weg frei für den ersten deutschen Erfolg in einem Wettbewerb, der allerdings auch erst seit 2009 ausgetragen wird. 1:17:55 Stunden hatte das deutsche Quartett benötigt für je viermal 300 Meter Schwimmen, 6,6 Kilometer Radfahren und eben 1,6 Kilometer Laufen. Am Ende fingen auch die Neuseeländer als Zweite (1:18:14) noch die US-Staffel ab, für die Dye nach 1:18:19 Stunden immerhin noch die Bronzemedaille rettete.

„Ich habe in Hamburg lange Zeit auf einen Platz ganz oben auf dem Podest warten müssen“, sagte Frodeno, der am Vortag bei seinem wohl letzten Einzelstart bei dieser Veranstaltung noch mit seinem zehnten Platz gehadert hatte. „Ein großartiger Moment, den wir noch lange auskosten werden. Was der Sieg letztlich wert ist, werden wir erst wohl erst in Wochen oder Monaten einschätzen können.“

Da ergeht es dem Saarbrücker ganz ähnlich wie Frank Bertling. Fürs Erste konnte der Geschäftsführer der Veranstaltungsagentur Upsolut ein positives Fazit ziehen: „Die Athleten haben eine große Show geliefert, für die wir sehr dankbar sind. Wir haben bei diesem Wettbewerb offenbar aufs richtige Pferd gesetzt.“ Auch bei der ARD, die das kurzweilige Spektakel live übertrug, sei man „begeistert“.

Nun muss Upsolut nur noch den Weltverband ITU davon überzeugen, dass es für dessen jüngste Disziplin keinen besseren Standort gibt als Hamburg. Bertling glaubt die richtigen Argumente zu haben: „Die Veranstaltung hat in Hamburg auf Anhieb einen festen Platz gefunden. Wir wollen die WM an diesen Standort binden und das Format weiterentwickeln.“

Wenn der Wettbewerb 2020 olympisch werden sollte – und daran scheint eigentlich niemand mehr zu zweifeln –, dann hatte dieser Hamburger Sonn-Tag seinen Anteil daran. Wohin man auch sah rund um die Tribünen auf dem Rathausmarkt, gab es glückliche Gesichter, wohin man auch fragte, bekam man nur Wohlmeinendes zu hören. IOC-Vizepräsident Thomas Bach sprach von einer „grandiosen“ Veranstaltung und einem „tollen, begeisternden Format“ (s. Seite 20). Marisol Casado, die innovationsfreudige Präsidentin der ITU, ließ keinen Zweifel daran, dass sie auch nach ihrem vergeblichen Anlauf für 2016 nicht ruhen wird, bevor der Mannschaftswettbewerb nicht ins Programm der Sommerspiele aufgenommen wird: „Die Athleten lieben diesen Wettbewerb, sie sind richtig heiß darauf. Und unser Sport verdient mehr olympische Medaillen.“

Dem Hamburger Triathlon verlieh die vielsprachige Spanierin das Prädikat „absolute Spitze“. Das entspricht dann auch dem Selbstverständnis der Veranstaltung, die wieder einmal nicht um Rekorde verlegen war. Die Polizei zählte an den beiden Tagen insgesamt 290.000 Zuschauer, damit hat sich der Triathlon auf dem hohen Niveau der Vorjahre eingependelt. Von 8700 angemeldeten Jedermann-Einzelteilnehmern waren 8224 am Start – in weniger warmen Jahren hatte die Quote der Karteileichen schon bis zu 15 Prozent betragen. Damit sieht Bertling die Kapazitätsgrenze erreicht: „Wir halten schon jetzt manchmal die Luft an und hoffen, dass bei 150 Teilnehmern in der Wechselzone alles gut geht.“

Diesmal ging wieder alles gut, Stanfords Malheur blieb noch einer der heikelsten Zwischenfälle. Dennoch: Die Hamburger Veranstaltung ist für sich praktisch ausgereizt, für mehr Wettbewerbe und Starter ist kein Spielraum mehr da. Das Konzept expandiert längst andernorts weiter: In Stockholm, im vergangenen Jahr Schauplatz der Mixed-Team-WM, und in London richtet Upsolut ebenfalls Jedermannrennen aus. „Beide Veranstaltungen entwickeln sich sehr gut, die Teilnehmerzahlen steigen stetig“, berichtet Bertling.

In London werden Mitte September zum Abschluss der Weltserie dann die Einzelweltmeister gekürt. Bertling hält an den Plänen fest, 2017 oder 2018 das sogenannte Grand Final nach Hamburg zu holen: „Dies bleibt eine weitere Option.“ Letztmals fanden 2007 die Weltmeisterschaften hier statt, die damals allerdings noch nicht in eine Serie eingebettet waren. Ihre Bewerbung für die nächste WM haben die Hamburger am vergangenen Wochenende auf überzeugende Art eingereicht.